Die Mehrwertsteuerfalle beim Verkauf von Gutscheinen
Teil 1: Rechtliche, buchhalterische und mehrwertsteuerlichen Behandlung von Gutscheinen
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Gerade in der Vorweihnachtszeit werden viele Gutscheine ausgestellt, sei es in der Hotellerie, der Gastronomie, bei Bergbahnen oder in den Bereichen Freizeit, Sport und Wellness. Unternehmen, die regelmässig Gutscheine anbieten, sollten über die korrekte buchhalterische und mehrwertsteuerliche Behandlung, aber auch über die rechtliche Gültigkeit bzw. den Verfall von Gutscheinen Bescheid wissen.
In unserem zweiteiligen Blog nehmen wir uns genau diesen Themen an. Unsere Experten informieren über die korrekte Handhabung und den Umgang mit Gutscheinen. Dabei wird insbesondere auch auf neue und wegweisende Gerichtsentscheide eingegangen. Teil 2 erscheint am 16. Dezember 2021.
Bis im August 2021 galt, dass Verkäufe von Gutscheinen grundsätzlich erst zum Zeitpunkt der Einlösung in der Mehrwertsteuerdeklaration als Umsatz zu deklarieren waren. Der Verkauf von Gutscheinen qualifizierte als reiner Tausch von Zahlungsmitteln und war daher mangels entgeltlichem Leistungsaustausch eine für Mehrwertsteuerzwecke irrelevante Transaktion.
Im August 2021 hat das Bundesverwaltungsgericht nun die bisherige Rechtsprechung zur Behandlung von Gutscheinen dahingehend präzisiert, dass die mehrwertsteuerliche Qualifikation differenziert nach Wert- und Leistungsgutscheinen zu erfolgen hat.
Wertgutscheine
Diese Gutscheine geben dem Inhaber das Recht, Waren oder Dienstleistungen des Anbieters für einen bestimmten Wert zu beziehen. In der Regel kann aus dem gesamten Leistungsangebot ausgesucht werden, was mit dem Gutschein gekauft werden möchte (z.B. Spielzeug in einem Warenhaus, Dinner in einem Restaurant oder Rückenmassage in einem Wellnessresort).
Die Wertgutscheine erfahren bei der mehrwertsteuerlichen Behandlung keine Änderung. D.h. zum Zeitpunkt des Verkaufs solcher Gutscheine entsteht kein mehrwertsteuerlich relevanter Umsatz und somit keine Steuerschuld. Die Steuerschuld entsteht in diesen Fällen erst zum Zeitpunkt der Einlösung bzw. im Zeitpunkt der Hingabe des Zahlungsmittels «Gutschein» für den Erhalt einer Leistung.
Belege (Rechnungen, Quittungen) zu Wertgutscheinen tragen daher keinen Hinweis auf die Mehrwertsteuer.
Wird ein Wertgutschein nicht eingelöst und verfällt, so darf das Unternehmen den Betrag definitiv als vereinnahmt verbuchen. Mangels Leistungsaustausch fällt aber auch zu diesem Zeitpunkt keine Mehrwertsteuer an.
Leistungsgutschein
Von einem Leistungsgutschein wird gesprochen, sofern die beziehbare Leistung bereits zum Zeitpunkt des Gutscheinkaufs konkret definiert ist (z.B. Übernachtung für zwei Personen, Ballonfahrt, Skitagespass oder Eintritt Wellness).
Im mehrwertsteuerlichen Sinne handelt es sich beim Verkauf von Leistungsgutscheinen um eine Vorauszahlung für eine bestimmte Leistung. Somit entsteht die Steuerschuld bereits im Zeitpunkt der Abgabe des Gutscheins für die spezifische Leistung bzw. mit der Vereinnahmung des Entgelts für den Gutschein, und nicht erst bei der Einlösung.
Auf Belege (Rechnungen, Quittungen) zu Leistungsgutscheinen ist folglich die Mehrwertsteuer auszuweisen.
Wird ein Leistungsgutschein nicht eingelöst und verfällt, so vereinnahmt das Unternehmen das Geld definitiv. Da kein Leistungsaustausch stattgefunden hat, darf die Unternehmung die bereits abgerechnete Mehrwertsteuer auf dem Gutschein bei der Steuerverwaltung wieder zurückfordern.
Gestaltungsspielräume und Handlungsbedarf
Mit der neuen Unterscheidung zwischen Wert- und Leistungsgutscheinen kommt der Ausgestaltung von Gutscheinen eine wesentliche Bedeutung zu, da der Besteuerungszeitpunkt davon abhängt. In der Regel ist es für ein Unternehmen natürlich attraktiv, eine Steuer möglichst weit in die Zukunft zu verschieben. Aus mehrwertsteuerlicher Perspektive ist daher der Verkauf von Wertgutscheinen zu bevorzugen.
Um dieses Ziel zu erreichen, sollten Gutscheine mit dem folgenden, zusätzlichen Vermerk versehen werden:
«Dieser Gutschein kann auch für andere Leistungen eingelöst werden.»
Aufgrund dieses Zusatzes entfällt die konkrete Leistung, welche mit dem Gutschein bezogen werden muss. Damit qualifiziert sich der Gutschein als Wertgutschein. Selbstverständlich muss das Unternehmen dem Gutscheinbesitzer in einem solchen Fall auch tatsächlich andere Leistungen anbieten.
Wir empfehlen allen Unternehmungen, die regelmässig Gutscheine anbieten, die mehrwertsteuerliche Behandlung unter Berücksichtigung des jüngsten Bundesverwaltungsgerichtsentscheids zu prüfen und gegebenenfalls Gestaltungsspielräume zu analysieren.