Zentrale Fragen zum Jahresabschluss
Seit Dezember ist Hochsaison in der Buchhaltungsabteilung eines Unternehmens und die Arbeit an der Erstellung des Jahresabschlusses ist in vollem Gange. Oft tauchen jedes Jahr die gleichen Probleme oder Fragen auf.
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Frage
Welche Probleme und Fragen müssen bei der Erstellung des Jahresabschlusses berücksichtigt werden?
Antwort
Der Jahresabschluss ist für alle juristischen Personen, Einzelunternehmen, Vereine und Stiftungen verpflichtend. Das Obligationenrecht schreibt einiges vor, was den Inhalt, die Bewertung und die Gliederung der Jahresrechnung betrifft. Gerade für KMU ist der Jahresabschluss kein Routinevorgang. Das bedeutet, dass die Fehlerquelle viel grösser ist und wichtige Details vergessen werden können.
Die Grundlage eines guten Jahresabschlusses ist eine ordnungsmässige Buchführung. Dazu gehört eine vollständige, wahrheitsgetreue und systematische Erfassung der Geschäftsvorfälle (OR Art.957a Abs.2 Ziff.1). Dies bedeutet, dass auch eine sachliche und zeitliche Abgrenzung vorgenommen werden muss, um die Vergleichbarkeit sicherzustellen.
Zeitliche Abgrenzung
Die zeitliche Abgrenzung verlangt, dass Aufwände und Erträge in der Periode ausgewiesen werden, in der sie tatsächlich angefallen sind. Daraus folgt, dass periodenbezogene Erträge oder Aufwände (Versicherungen, Miete, Zinsen usw.) abgegrenzt werden müssen. Das bedeutet, dass die Kreditoren und Debitoren des jeweiligen Jahres erfasst werden müssen.
Bei Unternehmen, die ihre Jahresabschlüsse innerhalb eines kurze Zeitraums erstellen, sind oft noch nicht alle Rechnungen für das Jahr eingegangen. Daher müssen Annahmen über die noch ausstehenden Beträge getroffen werden. Eine gute Möglichkeit, die vollständige Abgrenzung sicherzustellen, ist die Durchsicht der Aufwands- und Ertragskonten. Wurde die Miete 12 Mal verbucht? Fehlen andere Monatsabrechnungen aus dem letzten Monat?
Vorräte
Das Thema «Vorräte» wird im Abschlussprozess oft unterschätzt. Die Bestandsermittlung und Bewertung ist meist zeitaufwändiger als erwartet. Gemäss Gesetz muss der Bestand durch ein Inventar oder auf andere Weise nachgewiesen werden (OR Art.958c Abs.2). Doch was heisst das genau? Grundsätzlich bedeutet dies, dass Unternehmen ohne Lagerbuchhaltung am Bilanzstichtag eine Inventur durchführen müssen. Basierend auf den gezählten Beständen kann ein Inventar erstellt werden. Ein Inventar ist nichts anderes als ein Bestandsverzeichnis der auf Lager befindlichen Artikel.
Unternehmen, die auch unterjährig eine Lagerbuchhaltung führen, können das Inventar jederzeit einsehen. Grundsätzlich ist eine Inventur auch in diesem Fall empfehlenswert, um beispielsweise Verluste oder Fehlbestände festzustellen.
Nachdem die Bestände ermittelt wurden, wird die Bewertung vorgenommen. Die Vorräte dürfen nicht höher als die Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet werden. Ist der Verkaufspreis des Artikels niedriger als die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, muss die Bewertung zum Verkaufspreis erfolgen.
Angefangene Arbeiten
Produkte, die sich am Bilanzstichtag noch im Fertigungsprozess befinden, gelten als in Arbeit befindliche Waren. Bei Dienstleistungsunternehmen stellen auch die noch nicht fakturierten Dienstleistungen halbfertige oder angefangene Arbeiten dar. Diese Positionen sind Teil der Vorräte und müssen hinsichtlich der Bestandsermittlung und Bewertung gleich behandelt werden. Neben den Vorräten sind auch die unfertigen Leistungen zu ermitteln.
Um festzustellen, ob die Bewertung zum Veräusserungswert oder zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten erfolgen soll, muss auch die zukünftige Entwicklung berücksichtigt werden. Ist bereits absehbar, dass die Herstellungskosten den Verkaufspreis übersteigen werden, muss der Verlust sofort berücksichtigt werden.
Privatanteile und geschäftlich nicht begründete Aufwendungen
In kleinen Familienbetrieben werden private Aufwendungen oft über das Unternehmen abgerechnet. Dazu gehört nicht nur die Bezahlung privater Rechnungen, sondern auch die private Nutzung geschäftlicher Güter. Ein typisches Beispiel ist die private Nutzung des Geschäftsfahrzeugs. Meistens wird der Privatanteil pauschal mit 0.9% des Kaufpreises pro Monat berechnet. Die private Nutzung muss ebenfalls im Lohnausweis des Privatbezügers aufgeführt werden.
Private Auslagen gelten als geschäftlich nicht begründete Aufwendungen und dürfen im Geschäftsabschluss nicht als Aufwand geführt werden, sondern müssen erfolgsneutral über das Aktionärskonto gebucht werden. Es ist auch ratsam, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Aktionären marktüblich zu verzinsen. Denn eine Unterlassung kann auch als geldwerte Leistung ausgelegt werden und entsprechende steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Stille Reserven
Bei der Erstellung der Jahresrechnung ist es möglich, stille Reserven zu bilden oder aufzulösen und damit den Gewinn zu beeinflussen. Grundlage für die stillen Reserven ist das im Obligationenrecht verankerte Vorsichtsprinzip (OR Art.958c Abs.1 Ziff.5). Die stillen Reserven sind eigentlich nur durch steuerrechtliche Vorschriften begrenzt. Es empfiehlt sich, eine interne Übersicht über die vorhandenen stillen Reserven zu erstellen, da eine wesentliche Auflösung von stillen Reserven der Offenlegung unterliegt (OR Art.959c Abs.1 Ziff. 3). Zudem wird dadurch auch die Überwachung der effektiven Wirtschaftlichkeit des Unternehmens erleichtert.
Anhang
Der Anhang wird in der Jahresrechnung oft vernachlässigt. Dabei müssen einige Pflichten beachtet werden, wenn dies nicht schon aus der Bilanz oder der Erfolgsrechnung ersichtlich ist. Die wichtigsten Informationen sind sicherlich die Angaben zu den Bewertungsgrundsätzen, Auflösung von stillen Reserven, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Beteiligten, Beteiligungen und Organen, Anzahl der Vollzeitstellen, Verbindlichkeiten gegenüber Vorsorgeeinrichtungen, Angaben zu direkt und indirekt gehaltenen Beteiligungen. Grundsätzlich sollten die Angaben auf das Nötigste reduziert und Angaben mit einem Nullsaldo oder nicht vorhandenem Saldo weggelassen werden.
Gewinnverwendung
Der letzte Teil des Jahresabschlusses ist die Gewinnverwendung. Derzeit ist es sehr wichtig, die geltenden Regeln für Covid-19-Kredite und Härtefallmassnahmen zu kennen. Unternehmen, die einen Covid-19-Kredit ausstehend haben oder Härtefallgelder erhalten haben, dürfen keine Dividenden oder Kapitaleinlagen ausschütten. Zu beachten ist auch, dass Kredite an Eigentümer oder Beteiligte, die einem Drittvergleich (Vertrag, marktübliche Zinsen, Rückzahlungsbedingungen, Kreditwürdigkeit) nicht standhalten, zu einer Sperrung des frei verfügbaren Eigenkapitals in Höhe des gewährten Kredits führen.