Rechtliche und steuerliche Möglichkeiten bei der Abschlussgestaltung
Aktuell ist wieder die Zeit der Erstellung und Gestaltung des Jahresabschlusses. Im Rahmen der Abschlusserstellung stehen dem Unternehmer Ermessensspielräume zur Verfügung, die sich zur zielgerichteten Gestaltung des Jahresabschlusses einsetzen lassen.
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Frage
Welche Möglichkeiten gibt es bei der Gestaltung des Jahresabschlusses und welche Folgen sind zu erwarten?
Antwort
Rechtliche Grundlagen
Gemäss Art. 958 Obligationenrecht (OR) soll die Rechnungslegung die wirtschaftliche Lage des Unternehmens so darstellen, dass sich Dritte ein zuverlässiges Urteil darüber bilden können. Ein Unternehmen hat sich an die Grundsätze ordnungsmässiger Rechnungslegung zu halten, die gemäss Art. 975c Abs. 1 OR verlangen, dass die Jahresrechnung klar, verständlich, vollständig, verlässlich, vorsichtig und hinsichtlich der Darstellung und Bewertung stetig ist. Zudem muss die Jahresrechnung alle wesentlichen Komponenten enthalten und darstellen.
Traditionellerweise sind Abschlüsse nach OR vor allem dem Vorsichtsprinzip verpflichtet. Dieses Prinzip wurde – nach längerer politischer Diskussion – bewusst im neuen Rechnungslegungsrecht von 2013 verankert. Der Abschlussgestalter hat demnach weiterhin die Möglichkeit, den anfallenden Jahresgewinn durch die Bildung/Auflösung von stillen Reserven zu beeinflussen.
Ziele der Abschlussgestaltung
Die Zieldefinition eines Jahresabschlusses hängt in erster Linie vom Abschlussadressaten und seinen (Informations-)Bedürfnissen ab.
Bei einem Abschluss nach einem anerkannten Standard, wie z.B. Swiss GAAP FER oder IFRS, der für die Besteuerung keine Relevanz hat, wird beabsichtigt, ein den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechendes Ergebnis darzustellen, weil zum Adressatenkreis neben den Inhabern oft auch fremde Kapitalgeber zählen. Zudem werden bei solchen Abschlüssen viele weitere Informationen mitgeliefert.
Ein obligationenrechtlicher Abschluss hat dagegen meist zum Ziel, eine minimale oder aber eine optimale Steuerbelastung zu erreichen. Oftmals geht dieses Ziel mit dem Wunsch einher, eine Ergebnisglättung zu erreichen, sodass in guten Geschäftsjahren ein aussergewöhnlich hoher Gewinn durch die Bildung von stillen Reserven bewusst niedriger ausgewiesen wird, während umgekehrt in schlechten Geschäftsjahren ein niedriger Gewinn durch die Auflösung stiller Reserven verbessert wird. Dieses Ziel führt dann auch zur Möglichkeit einer nachhaltigen (und somit gleichbleibenden) Dividendenpolitik.
Im Rahmen der Vorbereitung einer Nachfolgelösung kann es auch Ziel sein, schrittweise – und für das Unternehmen tragbar – bestehende stille Reserven aufzulösen, um das Unternehmen für den Übernehmer leichter bzw. handelbarer zu machen.
Ferner kann es für einzelne Unternehmen wichtig sein, dass ihre Kennzahlen im Vergleich mit den Branchen- oder Zielwerten von Anspruchsgruppen per Stichtag in einem bestimmten Bereich zu liegen kommen. Hierbei geht es vor allem darum, die optische Gestaltung der Bilanz- und Erfolgsrechnungsstruktur auf den Stichtag hin zeitlich befristet zu verbessern, um gegenüber potentiellen Eigen- und Fremdkapitalgebern ein gewünschtes Bild zu präsentieren. Der Nutzen dieser kurzfristigen Beeinflussung der Jahresrechnung ist eingeschränkt, da aufmerksame und routinierte Leser der Jahresrechnung diese Anstrengungen leicht erkennen können.
Wichtig ist bei all diesen verschiedenen Zielen der Abschlussgestaltung, dass die relevanten Rechtsvorschriften eingehalten werden. Zudem sind auch die steuerlichen Effekte von Abschlussgestaltungen vorgängig genau abzuklären. Und nicht zuletzt darf die Fortführung und das Weiterbestehen eines Unternehmens nie durch einen Entscheid im Rahmen der Abschlussgestaltung in Frage gestellt werden.
Ausgewählte Instrumente der Abschlussgestaltung und ihre Effekte
Gewinnverwendungsentscheidungen:
Es kann durchaus relevant sein, welcher Gewinn am Jahresende bei einem Unternehmen anfällt und wie dieser Gewinn verwendet wird. Durch die oben erwähnten Steuerungsmöglichkeiten ist es möglich, den Gewinn optimal anfallen zu lassen. Zumeist sind für die Wahl der optimalen Höhe des Gewinns steuerliche Überlegungen entscheidend. Erwartet ein Unternehmer zum Beispiel für sein Unternehmen höhere Steuerbelastungen in der Zukunft, wäre ein aktuell höherer Gewinn (und eine entsprechend höhere Ausschüttung) wohl vorteilhaft. Bei einer sinkenden Steuerbelastung wäre ein gegenteiliges Verhalten sinnvoll.
Selbstverständlich braucht es für das bewusste Anfallen lassen von Gewinnen auch die entsprechenden Reserven, die in der Jahresrechnung bereits vorhanden sein müssen.
Investitionsplanung:
Das Planen von Investitionen hat einen sehr nachhaltigen Effekt auf die Jahresrechnung eines Unternehmens. Investitionen binden im Zeitpunkt der Anschaffung Kapital (Eigen- oder Fremdkapital). Durch die Höhe der Abschreibungen kann der zukünftige Gewinn erheblich beeinflusst werden. Gerade im Kanton Schwyz, welcher steuerlich die Sofortabschreibung von mobilen Sachanlagen kennt, kann die Abschreibungshöhe für solche Güter frei gewählt werden.
Die Art der Finanzierung (Eigen- oder Fremdkapital) beeinflusst das Bilanzbild erheblich. Wird eine Investition durch Eigenkapital finanziert, bleibt die Substanz des Unternehmens dieselbe. Allerdings sinkt der Bestand an flüssigen Mitteln aufgrund der Bezahlung der Investition aus eigenen Mitteln. Die Verringerung der Liquidität wird durch die Erhöhung der Anlagegüter kompensiert.
Die Finanzierung einer Investition durch Fremdkapital beeinflusst die Substanz eines Unternehmens ebenfalls nicht, belastet sie aber in Zukunft mit höherem Zinsaufwand. Die Bilanzsumme steigt aufgrund der Investition, welche durch fremde Mittel (Schulden) finanziert worden ist. Zudem ist eine Fremdfinanzierung heute nicht immer möglich oder nur schwierig zu erhalten.
Zeitliche Wahlrechte, wie die zeitliche Bestimmung des Wirtschaftsjahres:
Die zeitliche Wahl des Wirtschaftsjahres erscheint auf den ersten Blick nicht geeignet, um den Abschluss in einer Form zu beeinflussen. Tatsächlich ist jedoch – je nach Branche – das Gegenteil der Fall. Vor allem bei Betrieben mit saisonalen Umsätzen kann es sinnvoll sein, den Bilanzstichtag abweichend vom Kalenderjahr zu gestalten. So ist es zum Beispiel für einen Ski-Lift nicht unbedingt sinnvoll, seinen Bilanzstichtag per 31.12. zu wählen. Ein Jahresabschluss per Mitte Jahr bildet, im Gegensatz zum Abschluss per Kalenderjahr, die gesamte Skisaison in einem Abschluss ab.
Weitere Instrumente zur Abschlussgestaltung
· Erfassung von Bilanzpositionen zu Marktwerten oder zu historischen Anschaffungskosten, sofern diese tiefer als der Marktwert sind
· Höhe und Zeitpunkt der Bildung von Rückstellungen bei Marktschwankungen für Positionen, die zu Marktwerten bewertet wurden
· Wahl der Bewertung von langfristigen Fertigungsaufträgen (Percentage of Completion Method versus Completed Contract Method)
· Sale and Lease-Back
· Factoring von Debitoren
· Gründung von speziellen Gesellschaften (z.B. Holding oder Immobilien-Gesellschaft)
· Gründung von Gesellschaften an speziellen Orten (Wahl des Sitzes einer Gesellschaft)
Fazit:
Die Abschlussgestaltung kann ein gutes Mittel zur Erreichung von spezifischen, den Umständen entsprechenden Zielen sein. Diese Ziele müssen von den Anspruchsgruppen des jeweiligen Unternehmens vorgegeben werden. Wichtig ist, dass bei der Jahresabschlusserstellung nur ein Teil der Abschlussgestaltungselemente kurzfristig angewendet werden kann. Der Grossteil der Instrumente muss geplant und zielgerichtet eingesetzt werden.
Aus steuerlicher Sicht ist festzuhalten, dass das effektive Ergebnis früher oder später zur Besteuerung herangezogen wird. Aufgrund der heutigen Fakten zur Fiskalpolitik ist auf Ebene des Unternehmers eher mit höheren Einkommenssteuersätzen und bei Unternehmen eher mit tieferen Gewinnsteuersätzen zu rechnen.