Elektronische Belegablage
Grundsätzlich sind die Geschäftsbücher, der Revisionsbericht sowie die Buchungsbelege gemäss Artikel 958f des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) während 10 Jahren aufbewahrungspflichtig. Eine elektronische Aufbewahrung der Dokumente ist gemäss Handelsrecht problemlos erlaubt. Zur Aufbewahrung der Geschäftskorrespondenz äussert sich das OR nicht. Falls die Geschäftskorrespondenz für eine Buchhaltungstransaktion entsprechend wichtig ist, gilt hierfür die Aufbewahrungsregel für Buchführungsbelege.
Frage
Sind digitale Belege physischen Belegen heute voraussetzungslos gleichgestellt?
Antwort
Mit Zunahme der Digitalisierung stellt sich immer häufiger die Frage, wie Belege, die – je nach Situation – physisch nicht mehr existieren, aufbewahrt werden können oder müssen und ob ein elektronischer Beleg einem physischen Beleg ohne Auflage gleichgestellt ist. Eine der Antworten könnte sein, dass elektronische Belege in jedem Fall wieder ausgedruckt und in Ordnern archiviert werden müssen, was sicherlich nicht im Sinne des Erfinders wäre.
Sind elektronische Belege den physischen Belegen in der Handhabung gleichgestellt?
Wie oben erläutert, kennt das Handelsrecht heute keine Vorgaben mehr bezüglich der Aufbewahrungsform von Buchungsbelegen. Daraus könnte man nun schliessen, dass beispielsweise eine elektronische Rechnung einer physischen (Papier-)Rechnung in Punkto Aufbewahrung gleichgestellt ist. Dies ist – leider – (noch nicht) ganz korrekt. Denn neben dem OR müssen noch weitere spezialrechtliche Vorgaben beachtet werden. Bis zum 31. Dezember 2017 mussten alle elektronischen Rechnungen mit einer – für KMU nur schwer zu befolgenden Verordnung des Eidgenössischen Finanzdepartements (ElDI-V: Verordnung des Eidgenössischen Finanzdepartements über elektronische Daten und Informationen) – konformen Signatur versehen werden. Dazu mussten diese Rechnungen mit einer teuren Software in einem aufwendigen Verfahren signiert werden. Rechnungen ohne diese Signatur waren beispielsweise nicht ohne Weiteres für den Vorsteuerabzug bei der Mehrwertsteuer berechtigt. Die Digitalisierung von Buchungsbelegen war in der Vergangenheit entsprechend risikobehaftet. Während im europäischen Ausland eine PDF-Rechnung der Papierrechnung seit Langem gleichgestellt ist, wurde die Digitalisierung der Buchhaltung mit der ElDI-V in der Schweiz praktisch verhindert (oder zumindest erheblich erschwert).
Per 1. Januar 2018 wurde die ElDI-V nun aufgehoben. Somit müssen in der Schweiz in Bezug auf die Digitalisierung nur noch die obligationenrechtlichen Vorgaben und die Geschäftsbücherverordnung (GeBüV) eingehalten werden.
Nachweis des Ursprungs und der Unveränderbarkeit
Mit dem Wegfall der ElDI-V gelten aber immer noch die Anforderungen der GeBüV. Diese fordert – zusammen mit Anforderungen des OR – den Nachweis des Ursprungs und der Unveränderbarkeit von elektronischen Rechnungen. Dieser Nachweis kann entweder durch eine digitale Signatur oder durch einen Beweis erfolgen. Eine digitale Signatur ist – auch nach der Abschaffung der hohen Anforderungen der ElDI-V – nach wie vor der beste Nachweis für einen Belegschutz gegen nicht feststellbare Veränderungen. Nicht zuletzt deshalb empfiehlt die ESTV auch nach der Abschaffung der ElDI-V den Einsatz einer qualifizierten digitalen Signatur und eines elektronischen Zeitstempels.
Grundsätzlich ist auch ein Nachweis des Ursprungs und der Unveränderbarkeit aufgrund eines Beweises möglich und denkbar. Die Anforderungen an die elektronische Rechnung sind mit der Abschaffung der ElDI-V denen der physischen Rechnung gleichgestellt. In diesem Sinne kann der Nachweis des Ursprungs und der Unveränderbarkeit auch erbracht werden, wenn
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die Grundsätze der ordnungsmässigen Buchführung nach Art. 957a OR eingehalten werden und
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ein stabiler Prozess innerhalb des Unternehmens in Bezug auf den Zugriff und die Handhabung von elektronischen Belegen existiert.
Wird auf eine digitale Signatur verzichtet, muss bei einer entsprechenden Kontrolle durch die ESTV allenfalls mit erhöhtem Aufwand für die Darlegung von Ursprung und Unveränderbarkeit bei elektronischen Belegen gerechnet werden. Umso mehr erstaunt es, dass gerade die Hauptabteilung MWST ihre Vorgaben bezüglich einer digitalen Signatur so schnell und vehement aufgegeben hat. Es bleibt zu hoffen, dass der Pragmatismus der MWST-Verwaltung schlussendlich auch Einzug in die MWST-Prüfungen von KMU-Unternehmen hält. Im Gegensatz zu früher wird einem elektronischen Beleg heute wenigstens nicht mehr automatisch eine potenzielle Fälschung unterstellt, die mit teuren Verfahren widerlegt werden muss.
Archivierung von Geschäftsbelegen
Auch bei der Aufbewahrung – wie oben dargestellt zumeist 10 Jahre – kommt die GeBüV zum Tragen. Diese bietet bereits seit geraumer Zeit die Möglichkeit, Belege ohne Probleme elektronisch über die gesetzliche Aufbewahrungsfrist hinweg zu archivieren. Dies gilt sowohl für die originär elektronischen Belege als auch für nachträglich digitalisierte physische Belege.
So weit so gut, aber ganz ohne Anforderungen geht es auch bei der elektronischen Archivierung nicht. Die digital archivierten Belege müssen gemäss GeBüV von einer berechtigten Person innerhalb «angemessener» Frist wieder lesbar gemacht werden können. Dies tönt auf den ersten Blick einfach und klar verständlich. In der Praxis bedeutet dies jedoch, dass über 10 Jahre hinweg die Hard und Software vorhanden sein muss, um die Belege jederzeit wieder ans Tageslicht holen zu können. Gerade bei der Anschaffung eines Dokumentenverwaltungsprogramms bedarf es daher einer gewissen Voraussicht. Gerade die elektronischen Hilfsmittel unterliegen bekanntlich einer immer kürzeren Nutzungsdauer. Zu den Anforderungen für die Hard- und Software kommt noch die Forderung nach einer Person hinzu, die die Kenntnisse der entsprechenden Programme aufweist und die gesuchten Belege wieder aufrufen kann. Auch dieses Know-how muss über die gesetzliche Aufbewahrungsfrist hinweg sichergestellt sein.
Können die physischen Rechnungen nun entsorgt werden?
Die Digitalisierung von Belegen und die digitale Aufbewahrung von Unterlagen wird weiterhin stark zunehmen. So ist die Rechnungsstellung an grössere Unternehmen oder an die Verwaltung teilweise bereits nur noch auf elektronischem Weg möglich. Wer Aufträge für diese Kundengruppen ausführen will, sollte nicht an den Vorgaben für die Rechnungsstellung scheitern. Auch KMU-Unternehmen sollten sich eine Strategie zur Umsetzung der Digitalisierung zurechtlegen, denn einen Weg ohne Digitalisierung wird es in Zukunft nicht mehr geben.
Aufgrund der vorgängig geschilderten Ausgangslage könnte man durchaus eine radikale Umsetzung der Digitalisierung ins Auge fassen: Vernichtung aller physischen Belege und die komplette Umstellung auf elektronische Dokumentation. Doch es ist noch nicht an der Zeit, die Schredder heisslaufen zu lassen und die guten alten Bundesordner auf den Müllhaufen der Geschichte zu befördern.
Aktuell ist es vor allem die Hauptabteilung MWST, die mehrfach verlauten liess, dass sie physische und elektronische Belege gleichsetzt. Leider hat bis heute keine andere Verwaltungsabteilung (z.B. aus dem Bereich der direkten Steuern) mit einer vergleichbar klaren Stellungnahme zu diesem Thema nachgezogen. Auch basieren die aktuellen Gerichtsentscheide verständlicherweise noch nicht auf dem neuen, liberalen Denken im Zusammenhang mit den elektronischen Belegen und der digitalen Archivierung. Diese Rechtssicherheit muss sicherlich noch abgewartet werden, bis die grosse Vernichtungsaktion für bereits archivierte Belege gestartet werden kann.