Verwirkung der Verrechnungssteuerrückerstattung
Wer fahrlässig Dividendenerträge nicht deklariert, verliert den Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer. Der Vorschlag des Bundesrates zur geplanten Praxisänderung liegt nun vor.
* Unter bestimmten Voraussetzungen soll der Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer bei Nichtdeklaration einer Dividende oder geldwerten Leistung nicht mehr verwirken.
© iStock.com/oatawa
Bundesgerichtsentscheide & Motion Schneeberger
Aufgrund zweier Bundesgerichtsentscheide sah sich die Eidgenössische Steuerverwaltung gezwungen, für die Rückerstattung der 35%-Verrechnungssteuer auf Dividenden und geldwerten Leistungen eine neue Praxis einzuführen (Kreisschreiben Nr. 40 vom 11. März 2014).
Wenn zum Beispiel ein Steuerpflichtiger seine Néstle-Aktien im Wertschriftenverzeichnis aufgeführt, die Dividende aber nicht korrekt deklariert hat, führte dies seither zu einer Verwirkung des Anspruchs auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer von 35%. Im Rahmen einer parlamentarischen Motion wurde deshalb verlangt, dass die alte Praxis wieder hergestellt wird: Bei fahrlässigem Nicht- oder Falschdeklarieren soll die Verrechnungssteuer zurückerstattet werden, sofern die Dividende trotzdem korrekt besteuert wird. Eine Korrektur oder Nachmeldung der Einkommen und Vermögen müsse im Rahmen des Veranlagungsverfahrens bis zum Eintritt der Rechtskraft der Veranlagungsverfügung jederzeit möglich sein.
Der Vorschlag des Bundesrates
Gemäss Vorschlag des Bundesrates soll der Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer bei Nichtdeklaration einer Dividende oder geldwerten Leistung nicht mehr verwirken, wenn eine Nachdeklaration erfolgt oder die Steuerbehörde die Leistung von sich aus aufrechnet. Die Voraussetzungen sind erfüllt, wenn
Es darf sich also nicht um eine vorsätzliche Nichtdeklaration handeln.
Gemäss ursprünglicher Vernehmlassungsvorlage sollte die neue Regelung auf Einkünfte angewendet werden, die im Kalenderjahr vor Inkrafttreten der Neuerung fällig werden. Aufgrund der Kritik diverser Vernehmlassungsteilnehmer ist im Vorschlag des Bundesrates nun vorgesehen, die Neuerung auf alle Einkommenssteuerveranlagungen anzuwenden, bei denen die Einsprachefrist bei Inkrafttreten der Neuerung noch nicht abgelaufen ist. Damit könnten bei noch laufender Veranlagung auch Leistungen, die mehrere Jahre vor Inkrafttreten entstanden sind, unter die Neuerung fallen. Das Inkrafttreten ist grundsätzlich auf den 1. Januar 2020 geplant. Ein Inkrafttreten per 1. Januar 2019 wäre aber dennoch möglich, wenn die Revision des Verrechnungssteuergesetzes in der Herbstsession 2018 verabschiedet und kein Referendum dagegen ergriffen wird.
Knackpunkt Veranlagungsverfügung
In der Praxis kann es vorkommen, dass die Veranlagungsverfügung des Aktionärs eintrifft, bevor die Veranlagung der Aktiengesellschaft oder der GmbH erstellt ist. Hier bleibt das Problem bestehen, dass bei einer Aufrechnung einer geldwerten Leistung bei der Aktiengesellschaft der Aktionär das Rückerstattungsrecht verwirkt hat. Deshalb muss vorsorglich angeordnet werden, dass die Veranlagungsverfügung des Aktionärs immer offenbleiben muss (wenn nötig mittels Einsprache). Denn wenn eine Dividende oder geldwerte Leistung erst im Nachsteuerverfahren besteuert wird, ist gemäss aktuellem Vorschlag des Bundesrates eine Rückerstattung immer ausgeschlossen. So oder so sollte der Steuerpflichtige der Deklaration von Dividenden nach wie vor höchste Aufmerksamkeit schenken. Bei Ermessensfragen (z.B. bei Verkauf eines Vermögenswertes mit unsicherer Wertbestimmung von der AG an den Aktionär) sind zudem vorgängige Rulings zwingend notwendig.