FABI – erwartete und unerwartete Steuerschlaglöcher
Am 9.2.2014 hat das Schweizer Stimmvolk den Bundesbeschluss über die Finanzierung und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur (FABI) angenommen. Darin inbegriffen ist die Beschränkung des steuerlichen Fahrkostenabzugs auf jährlich CHF 3‘000. Nun zeigt sich, dass davon nicht nur Steuerpflichtige betroffen sind, die einen tieferen Abzug als bisher geltend machen dürfen. Neueste Verlautbarungen der Steuerbehörden lassen befürchten, dass es auch bei Personen mit Geschäftsfahrzeug zu «FABI-bedingten» Steueraufrechnungen kommen wird.
* Mögliche (bürokratische) FABI-Folgen: Fahrtenbücher führen, Bescheinigungen des Arbeitgebers einholen, umfangreiche Kontrollen durch die Steuerbehörden ertragen usw.
Frage
Welche Fahrkosten kann ich ab 1. 1.2016 von der direkten Bundessteuer abziehen?
Antwort
Bisherige Praxis
Bislang sind Fahrtkosten bei der direkten Bundessteuer unbeschränkt abziehbar, sofern sie notwendig sind und ihre Höhe effektiv oder mittels Kilometerpauschale nachgewiesen wird. Einige Kantone haben bereits heute eine Abzugsbegrenzung oder beabsichtigen, eine solche im Rahmen der FABI-Umsetzung einzuführen (obwohl die FABI-Finanzierung Bundesaufgabe ist!).
Der Kanton Schwyz kennt bis heute keine Abzugslimite für effektive Fahrkosten (jedoch einen Maximalbetrag von CHF 10‘000 beim Anwenden der Kilometerpauschale). Stellt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmenden unentgeltlich ein Geschäftsfahrzeug zur Verfügung, muss der Mitarbeitende jährlich 9.6% des Kaufpreises als Lohn versteuern und mit den Sozialversicherungen abrechnen. Zudem darf er keinen Abzug für die Fahrkosten zwischen Wohn- und Arbeitsort geltend machen, da dieser nach Auffassung der Steuerbehörden nicht in der Pauschale enthalten sei (Kreuz F auf dem Lohnausweis: «Unentgeltliche Beförderung zwischen Wohnund Arbeitsort»).
Das ist neu ab 2016
Klar und unbestritten ist, dass ab 1.1.2016 der Abzug für Fahrtkosten zwischen Wohn- und Arbeitsort bei der direkten Bundessteuer auf jährlich CHF 3‘000 begrenzt wird.
Die Steuerbehörden werfen nun aber plötzlich die Frage auf, ob bei Geschäftsfahrzeugen nicht auch eine Korrektur erfolgen müsse. Schliesslich trage ja der Arbeitgeber die Kosten für den ganzen Weg des Arbeitnehmenden vom Wohn- zum Arbeitsort. Da dieser Aufwand neu nicht mehr unbegrenzt abgezogen werden darf, sei hier ein Ausgleich in Form einer steuerlichen Aufrechnung zu schaffen. Ansonsten bestehe eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen ohne Geschäftsfahrzeug. Die Berechnung sieht so aus (Annahme: 2 x 30 km Fahrweg pro Tag):
Effektive Fahrkosten mittels Pauschale:
30 km x 2 x 240 Arbeitstage = 14‘400 km x CHF 0.70: CHF 10‘080
Fahrkosten gemäss FABI- Abzugsbegrenzung: CHF 3‘000
Aufrechnung beim steuerbaren Einkommen: CHF 7‘080
Die Berechnungsbeispiele am Schluss dieses Artikels zeigen, wie sich die Aufrechnung auf die effektiven Steuerbeträge auswirkt.
Der Arbeitnehmende mit Geschäftsfahrzeug sieht sich nun also mit folgenden zwei Aufrechnungsbeträge als steuerbares Einkommen konfrontiert: a) 9.6% des Kaufpreises als Privat-anteil (z.B. Kaufpreis CHF 60‘000 / Privatanteil: CHF 5‘760) sowie b) die Aufrechnung der Fahrkosten (CHF 7‘080 gemäss obigem Beispiel). Dieser Steuerpflichtige muss ab 1.1.2016 neu also total CHF 12‘840 als Naturaleinkommen versteuern.
Dieselbe Frage stellt sich, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmenden ein Generalabonnement für den öffentlichen Verkehr zur Verfügung stellt. Auch der Abzug für die Kosten des öffentlichen Verkehrs sind ab 1.1.2016 auf CHF 3‘000 pro Jahr begrenzt. Ein Generalabonnement der 1. Klasse übersteigt diesen Betrag aber bei weitem!
Laut Steuerbehörden werde diese Aufrechnung nur beim Steuerpflichtigen im Rahmen seiner persönlichen Veranlagung vorgenommen. Der Betrag müsse nicht auf dem Lohnausweis aufgeführt werden und unterliege damit weder der Sozialversicherungsoder Mehrwertsteuerpflicht, noch der Quellensteuer. Die Aufrechnung führe – so die aktuellen Äusserungen – zu keinen Mehraufwendungen und -belastungen beim Arbeitgeber
Beurteilung
Das erste Problem stellt sich im Systembruch, weil künftig berufsnotwendige Gewinnungskosten vom Abzug ausgeschlossen sind. Der Staat will das Pendeln steuerlich sanktionieren und die Arbeitnehmenden dazu bewegen, näher beim Arbeitsort zu wohnen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob nicht die Flexibilität der Mitarbeitenden auf dem Arbeitsmarkt mehr Wertschätzung verdient hätte als eine steuerliche Bestrafung.
Nur: Das Stimmvolk hat diese Abzugsbegrenzung demokratisch gutgeheissen…Da nun von der grundsätzlich vollen Abzugsfähigkeit der Gewinnungskosten abgewichen wird, stellt sich eine Reihe neuer Abgrenzungsprobleme. Das Massenverfahren und die im Rahmen des Neuen Lohnausweises eingeführte Pauschale für den Privatanteil stossen hier an ihre Grenzen. Die Pauschale und die Regeln zum Neuen Lohnausweis können dem Einzelfall nur schlecht Rechnung tragen. Schon heute war die Pauschale für einige Steuerpflichtige zu hoch, für andere zu tief. Nun wird versucht, im Bereich der Pauschalierung wieder ein einzelnes effektives Element einzubauen.
Neben den Steuerfolgen für die betroffenen Steuerpflichtigen (siehe Berechnungsbeispiele) eröffnen sich weitere ungelöste Fragen:
Die Aussage, dass diese Aufrechnung nur beim Steuerpflichtigen erfolge, tönt zwar gut, muss aber angezweifelt werden. Die Aufrechnung stellt eine weitere Naturalleistung des Arbeitgebers dar (nämlich die Übernahme privater Fahrkosten des Mitarbeitenden vom Wohn- zum Arbeitsort). Warum dieser Naturallohn nicht der AHV-Beitragspflicht unterliegen soll, ist nicht nachvollziehbar. Es muss eher damit gerechnet werden, dass das Bundesamt für Sozialversicherung auch diese Naturalleistung mit der AHV abgerechnet haben möchte. Es kann also keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die vorgeschlagene Lösung am Ende nicht voll auf den Arbeitgeber und den Lohnausweis bzw. die damit verbundene Administration durchschlägt.
Bei Quellensteuerpflichtigen besteht eine klare gesetzliche Grundlage, auf welcher Bemessungsgrundlage der Arbeitgeber die Quellensteuer in Abzug bringen muss. Gemäss aktuellen Aussagen qualifiziere die «FABI-Aufrechnung» nicht als steuerbarer Lohnbestandteil; das Problem müsse über neue Tarife gelöst werden.
Weiter ist anzunehmen, dass die betroffenen Steuerpflichtigen vermehrt «Home-Office» geltend machen wollen. Je mehr Tage sie zu Hause arbeiten, desto niedriger darf die Aufrechnung der zurückgelegten Kilometer vom Wohn- zum Arbeitsort ausfallen. Auch alle, die nicht an den Firmensitz, sondern direkt zu den Kunden fahren, werden dies entsprechend einfordern wollen. Das Führen von Fahrtenbüchern, Bescheinigungen des Arbeitgebers und umfangreiche Kontrollen durch die Steuerbehörden werden die (bürokratischen) Folgen sein. Ob das im Sinne der Beteiligten ist…?
Fazit
Bleibt zu hoffen, dass sich für das dargestellte Problem eine praktikablere Lösung finden lässt. Es fragt sich z.B., ob es denn sakrosankt ist, dass der Privatanteil für Geschäftsfahrzeuge den Arbeitsweg nicht enthält. Dieser Punkt ist keineswegs so klar wie es die Steuerbehörden sehen. Wenn davon ausgegangen würde, dass dieser Weg ebenfalls mit dem Privatanteil abgegolten ist, könnten die Steuerpflichtigen mit Geschäftsfahrzeug neu auch einen Abzug für den Arbeitsweg vornehmen (beim Bund begrenzt auf CHF 3‘000). Damit wäre die gewünschte Gleichbehandlung ebenfalls wieder hergestellt. Weiter wäre auch eine moderate Erhöhung der Privatanteilpauschale auf z.B. 12% pro Jahr, jedoch mit Abzug der Fahrkosten, denkbar.
Steuerfolgen für Arbeitnehmer mit Geschäftsfahrzeug
Berechnungsbeispiel 1:
Alleinstehend / Wohnort Schwyz, Arbeitsort Luzern = 45 km / Steuerbares Einkommen bisher CHF 80‘000
Aufrechnungsbetrag: 45 km x 2 = 90 km x 240 Arbeitstage = 21‘600 km x CHF 0.70 = CHF 15‘120 ./. CHF 3‘0000 = CHF 12‘120 Steuerbares Einkommen neu: CHF 92‘120 / Steuererhöhung: CHF 800 pro Jahr
Berechnungsbeispiel 2:
Alleinstehend / Wohnort Schwyz, Arbeitsort Zürich = 60 km / Steuerbares Einkommen bisher CHF 120‘000
Aufrechnungsbetrag: 60 km x 2 = 120 km x 240 Arbeitstage = 28‘800 km x CHF 0.70 = CHF 20‘160 ./. CHF 3‘000 = CHF 17‘160
Steuerbares Einkommen neu: CHF 137‘160 / Steuererhöhung: CHF 1‘560 pro Jahr
Die beiden Berechnungsbeispiele zeigen nur die Steuererhöhung bei der direkten Bundessteuer. Sofern der jeweilige Wohnsitzkanton ebenfalls eine Begrenzung der Fahrtkosten einführt, werden die Steuererhöhungen markant höher ausfallen!