Vollgeld … eine Erklärung
In Kürze steht uns die Abstimmung zum Thema «Vollgeld» bevor. Die Initianten sprechen von einer einmaligen Chance zur Erhöhung von Stabilität und der Erschliessung einer neuen staatlichen Einkommensquelle, die Nationalbank und andere Kritiker verwehren sich dagegen, die Schweiz zu einem Labor für Experimente zu machen. Begriffe und damit die Entscheidungsbasis bleiben in den Argumenten oft unklar.
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Frage
Ist unser aktuell benutztes Geld «Nicht-Vollgeld», respektive was ist «Vollgeld»? Und was wären die Konsequenzen einer Änderung dieses Systems?
Antwort
Die Antwort erfordert zu verstehen, was eigentlich Geld ist, woher es kommt und wie Gewinne aus Geldschöpfung entstehen.
Obwohl wir alle täglich mit Geld in Berührung kommen, machen sich wenige Gedanken, was sie da in Form bunten Papiers – oder immer häufiger lediglich in Form elektronischer Zahlen – eigentlich nutzen. Die Vorstellung geht noch oft um, dass die Nationalbank zentral «Geld druckt».
Dies ist so nicht – respektive nur zu einem sehr kleinen Teil (dem Bargeldumlauf) – der Fall. Zum grössten Teil wird Geld aufgrund der (Kredit-)Nachfrage elektronisch geschaffen. Dies führt zum Kritikpunkt an den Banken und der «Seigniorage».
Unter Seigniorage werden die realen Erträge des Staates bzw. der Zentralbank verstanden, die aufgrund der Tatsache erzielt werden können, dass die Wirtschaftssubjekte freiwillig Zentralbankgeld halten.
Hinter dieser etwas umständlichen Formulierung steht folgender einfacher Mechanismus: Die Nationalbank «druckt» Geld heute nicht mehr parallel zu Goldreserven oder ähnlichen Anlagewerten, sondern schafft es quasi aus dem «Nichts» (per Verfassungsauftrag) als Kredit an Banken. Im Unterschied zu Geschäftsbanken muss dabei keine Anlage (wie früher das Gold) hinter diesen Werten stehen (daher der ab und zu gehörte Begriff «Fiat-Geld» – Geld aus dem «Nichts»). Im Unterschied zur weitläufigen Meinung kann die Nationalbank solche «ungesicherten Kredite» aus «dem Nichts» aber trotzdem nicht unbeschränkt vergeben. Faktisch sind die Kredite nämlich durch die Wirtschaftskraft des Landes (BIP Wachstum) beschränkt, denn schafft die Nationalbank mehr Geld als die Wirtschaft wächst, so entsteht Inflation.
Nun gehen Prognosen für das BIP in die Zukunft. Entsprechend kann es zu kleineren Abweichungen kommen, zwischen Geld, das heute von der Nationalbank gedruckt oder ausgegeben wird, und der erwarteten Wirtschaftskraft – ohne dass es dabei direkt zu Inflation kommt. Dieser Zustand herrscht z.B. gerade in dieser Zeit. Diese Abweichungen können toleriert werden, solange die Wirtschaftssubjekte der Nationalbank vertrauen, dass diese die Inflationsziele im Griff hat und die Geldmenge rechtzeitig wieder zurückfährt. Es kann hier also zu einer Differenz zwischen der «Deckung des Geldwertes und der aktuellen Wirtschaftskraft» kommen. Diese Differenz wird durch Vertrauen der Marktteilnehmer in die Nationalbank «getragen». Sie kann damit in Ländern mit grösserem Vertrauen in die Notenbank grösser ausfallen als in Ländern mit wenig Vertrauen in die Notenbank.
Solange dieses Vertrauen herrscht, geben die Marktteilnehmer einen «Vorschuss» an die Nationalbank. Dieser Vorschuss ist nötig, da damit das nötige Geld für das Wachstum einer Volkswirtschaft physisch bereitgestellt wird; dieser Vorschuss wird – solange das Vertrauen bestehen bleibt und keine Inflation entsteht – als «realer» Geldwert von der Bevölkerung ausgegeben, das heisst konsumiert oder investiert.
Idealerweise spiegelt der Vorschuss 1:1 das spätere Wachstum; faktisch kommt es aber immer zu kleineren Abweichungen, da das Wachstum einer Marktwirtschaft ja auch nicht 1:1 geplant werden kann (und soll). Technisch spricht man hier von der erwähnten «Seigniorage».
Die «Seigniorage» entspricht den realen Einnahmen des Staates durch Geldschöpfung. Sie hat dabei zwei Elemente: Finanzierung des realen Wachstums und eine «Schwankungsreserve» im Rahmen des Vertrauens in eine Zentralbank auf Basis der Erfahrungen aus der Vergangenheit.
Unsere Nationalbank, die SNB, hat am Markt einen relativ grossen Bonus und kann damit phasenweise grosse Geldwert-Gewinne realisieren.
Die «Logik» in der Steuerung der Geldmenge im Markt – Die Nachfrage bedingt das Angebot
Wie bestimmt die Nationalbank nun aber, wieviel Geld in Umlauf gebracht werden soll; denn ist dies weniger als die Wirtschaft nachfragt, so führt dies zu Liquiditätsengpässen und zur Rezession. Ist es aber zu viel, so entsteht Inflation oder Geldentwertung. Das Angebot ist grösser als die Nachfrage und der Wert des Gelds sinkt, damit entsteht eine Vernichtung von privaten Ersparnissen.
Die Nationalbank kann sich dazu auf Prognosen verlassen (was auch geschieht), aber auch auf den Markt setzen und ihr Angebot der effektiven Nachfrage anpassen.
Wie bereits vermerkt «druckt» die Nationalbank relativ wenig Geld, sondern verlässt sich darauf, dass, primär die Banken neues Geld schaffen, indem sie Kredite gewähren. Die Bank kann diese Kredite bündeln und sich bei der Nationalbank dafür refinanzieren – das heisst, die Nationalbank schafft vereinfacht gesagt Geld; nämlich so viel Geld, wie der Kunde bei der Bank nachfragt und die Bank ihrerseits bei der Nationalbank «bestellt». Im Rahmen dieses Prozesses fällt aber ein Teil des Gewinnes aus der Geldschöpfung bei den privaten Banken an. Dies entspricht ihrer Entschädigung für die Vermittlung zwischen Kreditnehmern und Sparern.
Die Möglichkeiten Geld zu schaffen, werden aber auch für Banken durch die gesetzlichen Vorschriften über die Mindestreserven und durch die Bereitschaft der Nationalbank, die Geldversorgung zu erhöhen oder zu verknappen, beeinflusst. Das heisst, obwohl es ein Bestell-System ist, «steuert» und vor allem kontrolliert die Nationalbank diesen Prozess. Heute zeigt sich dies daran, dass die Nationalbank ein starkes Augenmerk (und entsprechende Vorgaben) auf die Immobilienfinanzierungen der Banken legt. Dies da zwar die Nachfrage dort noch immer hoch ist, die Preise sich aber über die letzte Zeit im Gesamtmarkt stark erhöht haben.
Vollgeld als Alternative
Die Idee hinter dem «Vollgeld» ist, so nahe wie möglich an der alltäglichen Erwartung an Geld heranzukommen. Das bedeutet, dass das Geld zentral produziert und verteilt wird und gleichzeitig starr durch Anlagen gedeckt ist, damit entfällt auch die «Schwankungsreserve».
Dazu soll nur noch die Nationalbank direkt Geld zentral ausgeben dürfen und keine indirekte kreditbasierte Geldschöpfung durch die privaten Banken stattfinden.
Dies macht das System sicher stabiler, da das Kreditvolumen auf die Basis der Spareinlagen bei den Banken sinkt und nur real bereits vorhandene Anlagen kreditbasiert finanziert werden.
Jeder Unternehmer weiss jedoch, dass er Kredite eben genau mit Blick auf sein Vertrauen in die Zukunft aufnimmt. So baut er dieses Vertrauen in die Zukunft tatsächlich in Form von Häusern oder Produktionsanlagen. Nur in seltenen Fällen, wie bei einem Erbgang, sucht der Unternehmer bereits bestehende Anlagen für flüssige Mittel. Der negative Effekt eines Wechsels auf die Wirtschaftsleistung der Zukunft kann hier kaum eingeschätzt werden.
Wie würde die Vollgeld-Menge gesteuert – Zentrale Angebotsplanung durch den Staat
Die zweite grosse Änderung betrifft die Frage, wieviel von diesem neuen Geld dem Markt zur Verfügung gestellt wird und wer darüber entscheidet. Die Befürworter der Initiative setzen ihr Vertrauen hier vollständig in den Staat. Zentrale Messung und eine «faire» Zuteilung durch unbestechliche Beamte ist die Illusion, welche uns in eine bessere Zukunft führen soll – die Geldherstellung soll das alleinige Monopol des Staates sein. Auch wenn dies systematisch nachvollziehbar erscheint, hat doch die Erfahrung gezeigt, dass eine indirekte Steuerung über den Markt und die effektive Nachfrage präziser ist als eine zentrale Zuteilung. Denn der allwissende und selbstlose Staatsbeamte ist uns bis heute, zumindest im Kanton Schwyz, noch nicht erschienen.
Was sind die Konsequenzen?
Vor 10 Jahren startete eine grosse Bankenkrise, deren Aufräumarbeiten die Wirtschaft und vor allem das Vertrauen der Bürger in die Banken bis heute belastet. Dies mag das Interesse an Experimenten wie dem «Vollgeld» erklären. In konsequent umgesetzter Form hätte die Initiative wohl auch keine – oder zumindest sehr viel weniger Bankenkrisen zur Folge. Denn wir wissen, die nächste dieser Krisen kommt mit Sicherheit.
Ob in Folge eines Systemwechsels der Gewinn aus Geldschöpfung komplett beim Staat bleibt oder durch höhere Verwaltungskosten weggefressen würde bleibt offen. In jedem Fall wird aber bereits der potenziell erzielbare Gewinn deutlich sinken, da nur noch heutige effektive Anlagewerte und keine Erwartungen mehr finanziert werden. Die Initiative verspricht zwar, dass Gewinne, welche die Banken zurzeit «einstecken» an alle gehen sollen. Die Initiative führt aber nicht nur dazu, dass sich diese «Gewinne» bei der Umsetzung in Luft auflösen würden, sie führt auch zu stark negativen Effekten auf die Gesamtwirtschaft. Eine zentrale staatliche Steuerung wird zu ineffizienten Refinanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen führen, manchmal sogar zum Fehlen solcher Möglichkeiten. Dadurch wird Flexibilität im wirtschaftlichen Handeln eingeschränkt und die Zinskosten tendenziell erhöht.
Am Wichtigsten wären jedoch wohl die negativen Folgen auf die Gesamtwirtschaft, wenn Kredite nicht mehr auf Basis von unternehmerischen Entschädigungen und nur in reduziertem Volumen zur Verfügung stehen würden. Insofern macht es Sinn, auf dieses Experiment zu verzichten und stattdessen die Bankenaufsicht zu stärken. Anstelle von Krisenreduktion des Banken-Systems, würde durch die Initiative einfach das ganze Wirtschaftssystem über den Haufen geworfen.