MWST-Saldosteuersatz-Methode: Achtung Fallen!
Ende des Halbjahrs die Umsätze zusammenzählen, mit dem zugeteilten Saldosteuersatz multiplizieren, Steuerbetrag einzahlen, fertig! So einfach sollte die Mehrwertsteuerabrechnung sein. – Sollte, denn wie so oft klaffen auch hier Theorie und Praxis meilenweit auseinander. Darum darf die Wahl der Abrechnungsmethode nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
Steuerpflichtige mit einem massgebenden Umsatz aus steuerbaren Leistungen bis zu CHF 5.02 Mio. (inkl. MWST) und Steuern von unter CHF 109 000 pro Jahr, berechnet mit dem für sie massgebenden Saldosteuersatz, können mit der so genannten Saldosteuersatz-Methode abrechnen. Saldosteuersätze sind Branchensätze, die pauschal die gesamte Vorsteuer berücksichtigen, welche in den Bezügen von Waren, Dienstleistungen, Betriebsmitteln und Investitionsgütern sowie in den Gemeinkosten enthalten ist. Die Saldosteuersätze werden in der MWST-Abrechnung im Sinne von Multiplikatoren angewandt, d.h. das Total der steuerbaren Umsätze inkl. MWST wird deklariert und für die MWST-Berechnung mit dem Saldosteuersatz multipliziert.
Betriebsindividualität nicht möglich
Die Nettosteuerschuld sollte in der Theorie längerfristig von jener nach der effektiven Abrechnungsmethode (Berechnung der MWST auf dem Umsatz und Abzug der Vorsteuer) nicht oder nur minimal abweichen. In der Praxis hängt es aber sehr von der individuellen Betriebsorganisation ab, ob sich steuerlich ein ähnliches Resultat erzielen lässt. Werden z.B. im Branchenvergleich mehr Leistungen von Dritten eingekauft statt durch eigenes Personal erbracht, ist die Saldosteuersatz-Methode teurer als die effektive Methode. Betriebsindividuelle Saldosteuersätze werden aber nicht bewilligt. Das Dilemma zwischen Steuergerechtigkeit und Einfachheit der Steuererhebung lässt sich bei einer Pauschalmethode nie eliminieren.
Der korrekte Steuersatz – eine Wissenschaft für sich
In der Regel braucht der Steuerpflichtige zum Versteuern seiner Umsätze nur einen einzigen Saldosteuersatz. Steuerpflichtigen, deren Tätigkeiten verschiedenen Sätzen unterliegen, werden höchstens zwei bewilligt.
Normalerweise gelangt hier die so genannte 10%-Regel zur Anwendung: Beträgt der Anteil der zweiten Tätigkeit weniger als 10% des Gesamtumsatzes, wird nur ein einziger Saldosteuersatz bewilligt. Für gewisse Branchen (so genannte Mischbranchen) gilt aber die 50%-Regel: Stammen nicht mehr als 50% des Gesamtumsatzes aus branchenüblichen Nebentätigkeiten, wird nur der Saldosteuersatz der Haupttätigkeit bewilligt. Bei drei oder mehr Tätigkeiten kommt ein komplexes Auswahlverfahren zum Zug. Wer also das Pech hat in einer Branche tätig zu sein, die durch die Steuerverwaltung nicht als Mischbranche identifiziert wurde, wird mit relativ grosser Sicherheit mit zwei Steuersätzen abrechnen müssen!
Erschwerend kommt hinzu, dass die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung identifizierte Anzahl der Branchen seit 2001 von 333 (unterteilt in 7 verschiedene Steuersätze) auf heute 489 Branchen (davon 40 Mischbranchen, unterteilt in 10 verschiedene Steuersätze) fast inflationär angeschwollen ist.
Die korrekte Wahl, die Überwachung und allenfalls der Wechsel der Saldosteuersätze ist also Teil einer seriösen Mehrwertsteuerplanung; eine Aufgabe, die unter Umständen die administrativen Vorteile gegenüber der effektiven Abrechnungsmethode wieder vernichtet.
Risiken der falschen Steuersatzwahl
Die MWST ist und bleibt auch mit der Wahl der Saldosteuersatz-Methode eine so genannte Selbstveranlagungssteuer: Der Steuerpflichtige rechnet die MWST nach eigener Einschätzung der Rechtslage ab, und die Steuerverwaltung darf während der Verjährungsfrist bei Kontrollen Korrekturen vornehmen. Darum Achtung: Trotz Bewilligung der Saldosteuersätze gilt dies auch für falsch gewählte Steuersätze! So muss z.B. ein Bauunternehmer, der seinen gesamten Umsatz mit dem bewilligten Branchensatz für Baugeschäfte von 4.4% abrechnet – obwohl sein Gesamtumsatz zu mehr als 10% aus Lohnarbeiten (steuerbar zu 6.7%) besteht –, die Steuersatzdifferenz für die vergangenen fünf Geschäftsjahre sowie das laufende Jahr zuzüglich Verzugszins nachzahlen.
Die Wahl der Saldosteuersatz-Methode ist also nur in sehr einfachen Branchen mit vielen gleichartigen Produkten und Dienstleistungen sowie stabilen Verhältnissen eine sinnvolle Lösung und darf daher nicht leichtfertig vorgenommen werden.
Sollten Sie als Unternehmer zum Schluss gelangen, dass für Sie die effektive Methode sinnvoller ist, können Sie für das nächste Jahr noch bis Ende Februar 2014 wechseln.