Liegenschaftsverkauf: MWST Ja oder Nein?
Mit Einführung des neuen Mehrwertsteuergesetzes am 1.1.2010 wurde der steuerbare Tatbestand des «baugewerblichen Eigenverbrauchs» abgeschafft. Nichtsdestotrotz unterscheidet die Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) zwischen Verkäufen von Immobilien, die per Gesetz von der Steuer ausgenommen sind, und Werklieferungen, die der Mehrwertsteuer (MWST) unterliegen. Am 10.4.2013 hat die ESTV in einer Praxis-Info die Abgrenzungsregeln neu festgelegt. Wir zeigen Ihnen auf, wann Sie von einem ausgenommenen Immobilienverkauf bzw. einer steuerbaren Werklieferung ausgehen dürfen bzw. müssen.
Die neue Praxis
Um zu beurteilen, ob es sich um einen steuerbaren oder um einen von der Steuer ausgenommenen Liegenschaftsverkauf handelt, wird neu auf den Baubeginn abgestellt. Dieser entspricht übrigens dem Start der Aushub- oder Abbrucharbeiten.
Datiert die Beurkundung des Kauf- bzw. Vorkaufvertrags vor Baubeginn, stellt das betreffende Objekt eine steuerbare Werklieferung dar. Ergo muss der Verkäufer den Veräusserungserlös (ohne den Wert des Bodens) zum normalen MWST-Satz von 8% versteuern. Handkehrum darf er auf den bezogenen Leistungen die Vorsteuern geltend machen.
Erfolgt die Beurkundung des Kauf- bzw. Vorkaufvertrags hingegen nach Baubeginn, gilt das Objekt als Immobilienverkauf, der von der Steuer ausgenommenen ist. Da keine MWST abgeliefert werden muss, besteht auch kein Anrecht auf einen Vorsteuerabzug.
Handelt es sich also um eine steuerbare Werklieferung, unterliegen faktisch die Gewinnmarge auf dem Bauwerk, die erbrachten Eigenleistungen sowie die vorsteuerunbelasteten Baukosten (z.B. die Baukreditzinsen) der normalen MWST von 8%.
Vorverträge mit Reservierungszahlungen, die nicht öffentlich beurkundet sind, spielen für die Beurteilung, ob es sich um eine von der Steuer ausgenommene bzw. steuerbare Immobilienlieferung handelt, keine Rolle. Mit anderen Worten: Wurden die vor Baubeginn abgeschlossenen Vorverträge nicht öffentlich beurkundet, liegt weiterhin ein von der MWST ausgenommener Immobilienverkauf vor.
Das neue Vorgehen gilt für Bauwerke mit Baustart ab 1.7.2013. Für Objekte mit Baubeginn zwischen dem 1.1.2010 und dem 30.6.2013 kann wahlweise entweder die alte Abgrenzungspraxis oder das neue, hier dargestellte Regime angewendet werden.
Achtung: Die gleiche Praxis gilt bei Umbauten von Liegenschaften!
Nach der jüngsten Praxisänderung kann eine entsprechende Umqualifikation nicht nur beim Verkauf von Neubauten, sondern auch bei der Veräusserung von umgebauten Immobilien erfolgen. Ein Umbau im MWST-Sinn ist gegeben, wenn sich die Umbaukosten auf mehr als 50% des Gebäudeversicherungswerts vor dem Umbau belaufen.
Beurteilung und Ausblick
Grundsätzlich ist die Ablösung der alten (im Alltag oft untauglichen) Abgrenzungsregeln zu begrüssen. Die neue Handhabe führt bezüglich MWST-Pflicht meist zu einer klare(re)n Entscheidungsfindung.
Stossend ist jedoch nach wie vor, dass beim Verkauf von Immobilien nicht auf die zivilrechtliche Qualifikation des Geschäfts abgestellt wird. Sachgerecht für die Qualifikation wäre an sich einzig und allein die Beurteilung im Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen und Gefahr. Diese Meinung vertrat übrigens auch das MWST-Konsultativgremium. Zu diesem Thema wurde im Parlament am 22.3.2013 eine Motion eingereicht, welche genau diese Qualifikation verlangt.
Bleibt zu hoffen, dass die Abschaffung des baugewerblichen Eigenverbrauchs künftig konsequent umgesetzt wird. Bis dahin werden sich Immobilienverkäufer und -käufer (wohl oder übel) weiterhin mit der mehrwertsteuerlichen Qualifikation von neu erstellten oder umgebauten Liegenschaften herumschlagen müssen…