Das neue Rechnungslegungsrecht
Am 23. Dezember 2011 hat das eidg. Parlament dem neuen Rechnungslegungsrecht zugestimmt. Dieses betrifft alle juristischen Personen sowie Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit einem Jahresumsatz von mindestens CHF 500‘000. Das neue Recht gilt frühestens ab dem Geschäftsjahr 2015.
Frage
Warum braucht es ein neues Rechnungslegungsrecht und was enthalten die neuen Vorschriften?
Antwort
Entstehung des Rechnungslegungsrechts
Die aktuellen Bestimmungen im Obligationenrecht (OR) zur Rechnungslegung gelten erst seit 1992. Bereits 1998 wollte der Bundesrat diese modernisieren, was das eidg. Parlament damals jedoch verwarf. Am 21. Dezember 2007 startete die Landesregierung den nächsten Versuch. Aus diesem (zu) umfangreichen Paket wurden dann zwei Vorlagen herausgelöst:
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Aktienrechtliche Vorschriften: Im September 2010 sistierte der Nationalrat die Behandlung, dies insbesondere wegen der Diskussion um die Managerlöhne und der dazu eingereichten Volksinitiative «Gegen die Abzockerei» («Abzocker-Initiative»).
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Vorschriften der Rechnungslegung: Am 23. Dezember 2011 verabschiedete das eidg. Parlament das neue Recht zur kaufmännischen Buchführung und Rechnungslegung.
Bestimmungen für alle Unternehmen
Muss ich die neuen Bestimmungen in meiner Firma anwenden?
Die neuen Regeln bilden den 32. Titel des OR und gelten unabhängig von der Rechtsform. Betroffen sind alle juristischen Personen, Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit einem Jahresumsatz von mindestens CHF 500‘000. Unterhalb dieser Grenze genügt eine Aufstellung über die Einnahmen / Ausgaben und die Vermögenslage («MilchbüchleinRechnung»). Oberhalb dieser Grenze müssen Sie die neuen Bestimmungen in jedem Fall anwenden.
Was ist Sinn und Zweck der neuen Vorschriften?
Die wirtschaftliche Situation des Unternehmens soll so präsentiert werden, dass sich Dritte ein zuverlässiges Bild darüber machen können. Nicht zuletzt deshalb muss der Geschäftsbericht innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahrs vorliegen.
In welchen Währungen kann ich den Abschluss erstellen?
Die Buchführung erfolgt in der Landeswährung oder neu in einer für die Buchführung wesentlichen Währung. Im Anhang müssen diese Werte in der Landeswährung dargestellt und die Umrechnungskurse offen gelegt werden.
Muss ich die Jahresrechnung publizieren?
Hier bleibt alles beim Alten. Einzig Gesellschaften mit ausstehenden Anleihen oder kotierten Aktien müssen die Jahres- und Konzernrechnung im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) veröffentlichen bzw. allen Personen zustellen, die dies verlangen.
Muss ich die Jahresrechnung anders gliedern?
Ja, zum Teil: Die Mindestgliederung der Bilanz ist verfeinert worden, während jene der Erfolgsrechnung weitgehend unverändert bleibt.
Was muss ich neu im Anhang ausweisen?
Der Mindestinhalt des Anhangs wird umfangreicher. Unter anderem braucht es zusätzliche Angaben bzw. Erläuterungen zu den angewendeten Grundsätzen (soweit nicht vom Gesetz vorgeschrieben). So zur Anzahl der Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt, zu Anzahl und Wert von Beteiligungsrechten oder Optionen auf solchen Rechten für alle Leitungs- und Verwaltungsorgane und für die Mitarbeitenden, zu wesentlichen Ereignissen nach dem Bilanzstichtag sowie zu ausserordentlichen oder periodenfremden Positionen. Nicht mehr im Anhang auszuweisen sind die Brandversicherungswerte der Sachanlagen und die Risikobeurteilung.
Wie muss ich einzelne Positionen in der Bilanz bewerten?
Beim erstmaligen Erfassen wird am Anschaffungs- oder Herstellungskostenprinzip festgehalten. Explizit müssen bei Anzeichen einer Überbewertung von Aktiven oder einer zu geringen Rückstellungen die Werte überprüft und allenfalls angepasst werden. Schliesslich gilt neu der Grundsatz der Einzelbewertung.
Die Bewertung soll allgemein vorsichtig erfolgen, ohne das zuverlässige Beurteilen der wirtschaftlichen Lage zu verhindern. Diesem Ziel widerspricht allerdings die Tatsache, dass zu Wiederbeschaffungszwecken und zur Sicherung des nachhaltigen Unternehmenserfolgs weiterhin zusätzlich Abschreibungen und Wertberichtigungen vorgenommen werden dürfen. Ferner können auch Rückstellungen gebildet werden, die nicht aufzulösen sind, wenn sie nicht mehr benötigt werden.
Für die folgenden Positionen hält das Gesetz die Bewertungsgrundsätze ausdrücklich fest: Vorräte, nicht fakturierte Dienstleistungen, Anlagevermögen, Verbindlichkeiten.
Neu ist, dass Aktiven mit einem Börsenkurs oder einem anderen beobachtbaren Marktpreis in einem aktiven Markt bewertet werden können. Wertveränderungen sind in der Erfolgsrechnung zu erfassen. Um Schwankungen im Kursverlauf zu berücksichtigen, können Schwankungsreserven gebildet werden.
Bestimmungen für grössere Unternehmen
Wer gilt als «grösseres Unternehmen»?
«Grössere Unternehmen» sind gemäss neuem Rechnungslegungsrecht Unternehmen mit ordentlicher Revision.
Was muss ein «grösseres Unternehmen» zusätzlich erstellen bzw. offenlegen?
Ein «grösseres Unternehmen» muss einen Lagebericht verfassen, der Auskunft über die Zahl der Vollzeitstellen, die Durchführung einer Risikobeurteilung, die Bestellungs- und Auftragslage, die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit, aussergewöhnliche Ereignisse und die Zukunftsaussichten des Unternehmens gibt. Der Lagebericht und somit auch das Durchführen einer Risikobeurteilung unterliegen nicht der Prüfung durch die Revisionsstelle.
Ferner müssen im Anhang zur Jahresrechnung zusätzlich eine Geldflussrechnung, die Honorare der Revisionsstelle sowie die Fälligkeiten der langfristigen Verbindlichkeiten offen gelegt werden.
Gibt es «grössere Unternehmen», die von den ergänzenden Bestimmungen befreit sind?
Befreit sind Unternehmen, die einem Konzern angehören, der eine konsolidierte Rechnung nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung (u.a. Swiss GAAP FER, IFRS, US-GAAP) erstellt. Allerdings können Minderheitsaktionäre eine Rechnungslegung unter Einbezug der zusätzlichen Angaben verlangen.
Bestimmungen für Konzerne
Wer muss eine Konzernrechnung erstellen?
Eine Konzernrechnung muss erstellt werden, wenn eine rechnungslegungspflichtige juristische Person ein oder mehrere rechnungslegungspflichtige Unternehmen kontrolliert. Die Befreiung von dieser Pflicht ist in drei Fällen möglich:
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Zwei der drei Grössenkriterien Bilanzsumme CHF 20 Mio., Umsatzerlös CHF 40 Mio. oder 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt auf konsolidierter Basis werden in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht überschritten.
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Die kontrollierende Muttergesellschaft legt eine gleichwertige Konzernrechnung vor.
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Die Pflicht zum Erstellen der Konzernrechnung wird an ein kontrolliertes Unternehmen übertragen (möglich für Vereine, Stiftungen, Genossenschaften).
Eine Konzernrechnung ist trotzdem zu erstellen, wenn es für die zuverlässige Beurteilung der wirtschaftlichen Lage notwendig ist oder wenn dies Minderheiten bzw. die Aufsichtsbehörde verlangen.
Gibt es für Konzerne spezifische Rechnungslegungsvorschriften?
Die neuen Gesetzesbestimmungen enthalten ebenfalls keine spezifischen Vorschriften für Konzerne. Somit werden für die meisten Konzerne auch in Zukunft so genannte Buchwertkonsolidierungen möglich sein. Nur für kotierte Gesellschaften, Grossgenossenschaften und ordentlich zu revidierende Stiftungen ist die Anwendung eines anerkannten Standards zur Rechnungslegung gesetzlich verankert.
Handlungsbedarf besteht bei allen Unternehmen
Da das Gesetz frühestens 2015 in Kraft tritt, sollte die verbleibende Zeit für eine sorgfältige Analyse der Auswirkungen im Einzelfall genutzt werden. Mindestens diese Punkte sollte jeder Unternehmer gründlich abklären:
- Besteht wegen der neuen Rechtsformunabhängigkeit eine Konsolidierungspflicht oder entfällt diese aufgrund der neuen Grössenkriterien?
- Wie wirken sich die Einzelbewertungen anstelle der Gruppenbewertung aus?
- Welche Handlungsspielräume ergeben sich mit der Bewertung von Aktien zu Börsenkursen oder beobachtbaren Marktpreisen auf aktiven Märkten?
- Welche Folgen haben die Mindestgliederungsvorschriften (Bilanz) und die Mindestinhalte (Kontenplan, Anhang)?
- Soll die Rechnungslegung in einer für die Geschäftstätigkeit wesentlichen Währung erfolgen? Wenn ja, ist eine Umrechnung in die Landeswährung im Anhang nötig.