Die Jahresrechnung nach HRM2 – wie aus der Privatwirtschaft bekannt? (Teil 2/2)
Nach Verabschiedung des Harmonisierten Rechnungslegungsmodells 2 (HRM2) durch die Konferenz der Kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK) im Jahr 2008 geht es nun um dessen Umsetzung. Aufgrund der transparenteren Aufbereitung können Führungsgremien von Gemeinden oder Rechnungsprüfer/-innen mittels HRM 2 zwar auf einfachere Art zu relevanten Informationen gelangen, doch bleiben viele Eigenheiten der öffentlichen Rechnungslegung bestehen (siehe Teil 1 des Blogbeitrags). Fazit: Die Unterschiede zwischen privatwirtschaftlicher Rechnungslegung und jener der öffentlichen Hand bleiben bestehen, allerdings werden diese im Rahmen von HRM2 besser nachvollziehbar sein.

Neu: gestufter Erfolgsausweis
Neu ist hingegen der gestufte Erfolgsausweis. Er enthält das Ergebnis aus operativer Tätigkeit und aus Finanzierung sowie das ausserordentliche Ergebnis je separat. Dies ist eine deutliche Annäherung an privatwirtschaftliche Berichte und erleichtert das Erfassen der Gemeinderechnung – etwa indem finanzpolitisch motivierte Abschreibungen (als Teil des ausserordentlichen Aufwands) klar ausgewiesen sind.
Geldflussrechnung
Auch die neu eingeführte Geldflussrechnung ist ein Element der privatwirtschaftlichen Rechnungslegung. Ausgewiesen wird der Cash Flow aus operativer Tätigkeit (insbesondere Steuern und Gebühren), Investitionstätigkeit (Ausgaben für Investitionen sowie erhaltene Investitionsbeiträge) und Finanzierungstätigkeit (Darlehen, Hypotheken). So kann die Finanzkraft der Gemeinde an ihrem operativen Cash Flow abgelesen und etwa beurteilt werden, ob Investitionen aus eigenen Finanzmitteln realisiert wurden.
Anhang
Im Grossen und Ganzen in etwa gleich geblieben ist die Investitionsrechnung – auch dies ein Unikum der öffentlichen Rechnungslegung. Erklärt werden kann diese separate Gegenüberstellung der Ausgaben und Einnahmen für Investitionen ins Verwaltungsvermögen so, dass sich damit die durch demokratischen Entscheid bewilligten Ausgaben für öffentliche Bauten einfacher nachvollziehen lassen. Aussagekräftig für die Leser/-innen der Jahresrechnung werden die Angaben insbesondere im Zusammenhang mit der Geldflussrechnung und der Anlagebuchhaltung.
Letztere ist ein Element des im HRM2 neu vorgesehenen Anhangs. In der Anlagebuchhaltung ist der aktuelle Wert der mehrjährig genutzten Anlagen (aus Finanz- und Verwaltungsvermögen) aufgeführt. Klare Aktivierungsgrenzen und Abschreibungsregeln erleichtern hier die Nachvollziehbarkeit. Insbesondere die im HRM2 vorgesehene Trennung zwischen ordentlichen Abschreibungen nach Nutzungsdauer und zusätzlichen (finanzpolitischen) Abschreibungen macht die Anlagebuchhaltung zu einem aussagekräftigen Teil der Jahresrechnung.
Im erwähnten Anhang zur Jahresrechnung werden privatwirtschaftlich geschulte Gemeinderäte/-innen wohl die eindeutigsten Anleihen bei der Rechnungslegung von Unternehmen finden: Verlangt werden zunächst Informationen zu den Grundsätzen der Rechnungslegung (insbesondere Abweichungen von den HRM2-Fachempfehlungen); dies entspricht den Vorgaben des OR sowie der internationalen Rechnungslegungsstandards.
Im Ergebnis wird so dem Leser ein verbessertes Verständnis der Jahresrechnung ermöglicht. Zudem werden ein Anlagespiegel und ein Eigenkapitalnachweis (siehe oben) sowie Angaben über Rückstellungen, Beteiligungen oder Gewährleistungen verlangt. Diese Elemente erhöhen die Transparenz ebenfalls, greifen aber auch Elemente der Anhänge von Unternehmensrechnungen auf. Hintergrund ist das Bestreben, Kapitalausstattung und Risikoexponierung der Gemeinde sichtbar zu machen.
Gemischtes Zwischenfazit
Insgesamt zeigt sich ein gemischtes Bild: Einerseits werden viele Elemente und Darstellungsformen der privatwirtschaftlichen Rechnungslegung übernommen, so dass der Wissenstransfer für Miliz-Gemeinderäte/-innen und -Rechnungsprüfer/-innen einfacher ist. Anderseits bleiben viele Eigenheiten der öffentlichen Rechnungslegung bestehen, die immer noch eine gewisse Hürde für das Verständnis der Gemeinderechnung bilden. Sie sind teilweise schlicht durch die Natur des öffentlichen Finanzwesens bedingt.
Entscheidend für die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Gemeinderechnungen wird aber sein, in welchem Ausmass die im HRM2 angestrebten Grundsätze der Rechnungslegung (z.B. „true and fair view“) effektiv umgesetzt werden. Zu beachten ist hierbei vor allem, dass die Fachempfehlungen zum HRM2 nur Empfehlungen sind, die von den Kantonen in eigener Regie umgesetzt werden. So zeichnet sich bereits ab, dass gewisse finanzpolitische Instrumente wie etwa Vorfinanzierungen („Reservebildung“), die dem „true and fair view“-Prinzip widersprechen, weiterhin zugelassen sind. Falls diese aber (gemäss HRM2-Empfehlung) als ausserordentlicher Aufwand verbucht würden, bliebe immerhin noch die Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Rechnung erhalten. Darum könnte ein Zwischenfazit nach den ersten Umsetzungsjahren lauten: Die Vergleichbarkeit mit privatwirtschaftlichen
Rechnungen wurde erhöht; wo weiterhin Unterschiede bestehen, sind diese immerhin besser nachvollziehbar als im alten Modell.
Dieser Artikel ist auch auf www.accountingundcontrolling.ch, September 2015, erschienen