Rentenreform
Die Schweizer sorgen sich um die Finanzierung der Altersvorsorge, während der Bundesrat nach Lösungen sucht. Eine Revision ist sowohl bei der 1. als auch bei der 2. Säule notwendig.
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Notwendigkeit einer Revision der 1. Säule:
Die Annahme der AHV-Steuer-Vorlage (STAF) vom 19. Mai 2019 verschafft der AHV leider nur eine kurze Verschnaufpause. Ab 2025 werden erneute Defizite erwartet. Eine Revision muss daher dringend in Angriff genommen werden.
Der Vorschlag des Bundesrates vom Juli 2019: Der Bundesrat will das Finanzierungsproblem insbesondere auf der Einnahmenseite lösen (Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.7%). Zwar will er auch das Frauenrentenalter auf 65 Jahre erhöhen, aber nur mit einer Übergangslösung für die ersten 10 Jahrgänge. Ferner sind Ausgleichsmassnahem für CHF 700 Millionen vorgesehen, von denen Frauen mit tieferen und mittleren Einkommen profitieren sollen.
Reaktionen der Sozialpartner: Die Stossrichtung der Vorlage prallt auf der Arbeitgeberseite erwartungsgemäss auf Widerstand. Umgekehrt lehnt der Gewerkschaftsbund die Erhöhung des Frauenrentenalters weiterhin ab.
Politische Einschätzung: Die kategorische Ablehnung der bundesrätlichen Vorschläge von beiden Seiten der Sozialpartner lässt wenig Gutes erhoffen. Allenfalls müsste vorgängig ein Kompromiss mit den Sozialpartnern gefunden werden, um die Erfolgschancen eines neuen Vorschlages zu erhöhen; analog der 2. Säule.
Notwendigkeit einer Revision der 2. Säule:
Der BVG-Umwandlungssatz muss dringend auf eine technisch korrekte Grösse gesenkt werden (Zeithorizont: 2021/22), indem die systemfremde Umverteilung von den aktiven Versicherten hin zu den Rentnern reduziert wird (pro Jahr mehr als CHF 7 Milliarden). Eine BVG-Revision ist ebenso dringlich wie die AHV-Revision.
Vorschlag der Sozialpartner: Die drei nationalen Dachorganisationen SAV, TravailSuisse und SGB haben sich zu einem Kompromiss durchgerungen. Das heutige Leistungsniveau soll trotz umgehender Senkung des Mindestumwandlungssatzes gehalten werden. Die Massnahmen bestehen aus einer Reduzierung der Altersgutschriften älterer Arbeitskräfte, einem tieferen Koordinationsabzug sowie einem solidarisch finanzierten Rentenzuschlag.
Reaktionen: Der Bundesrat begrüsst den Vorschlag und will bereits im November 2019 eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage präsentieren. Auch der Pensionskassenverband begrüsst die vorgeschlagene Lösung. Der Schweizerische Gewerbeverband lehnt den Vorschlag der Sozialpartner hingegen ab (wegen der Erhöhung der Beiträge) und legt einen eigenen (und relativ einseitigen) Vorschlag vor.
Politische Einschätzung: In Anbetracht der Dringlichkeit einer Revision und der Geschichte der ergangenen Misserfolge müssen in der Altersvorsorge tragfähige Kompromisse gefunden werden. In der 2. Säule ist man diesbezüglich auf gutem Weg.