Die Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft
Die Entwicklung der Digitalisierung stellt das heute geltende Steuerrecht vor grosse Herausforderungen. Die bestehenden Besteuerungskonzepte sollen schon sehr bald erneuert werden.
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Ausgangslage
Bislang erfolgte die Besteuerung von international tätigen Unternehmen praktisch ausschliesslich auf Basis einer physischen Präsenz, sei es durch den Sitz der Gesellschaft, den Ort der tatsächlichen Verwaltung oder den Ort einer Betriebstätte. Durch die fortschreitende Digitalisierung sind heute aber viele Geschäftsmodelle (beispielsweise E-Commerce, Online-Werbung, Sharing Economy oder Internet of Things) nicht mehr auf feste Einrichtungen oder auf die Anwesenheit von Mitarbeitenden vor Ort angewiesen, um Umsätze zu erzielen. Daher gehen viele Staaten bei der Verteilung des Steuerkuchens leer aus. Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und die EU (Europäische Union) prüfen deshalb neue Besteuerungsmodelle für die digitalisierte Wirtschaft. Als Mitglied der OECD-Arbeitsgruppe beteiligt sich die Schweiz aktiv an dieser Prüfung. Bis Ende 2020 soll der Schlussbericht vorliegen.
Besteuerung ohne physische Präsenz
Bis heute war die Betriebstätte der wichtigste steuerliche Anknüpfungspunkt für die Besteuerung international tätiger Unternehmen im Produktions- oder Absatzmarkt. Eine Betriebstätte beinhaltet grundsätzlich eine feste Geschäftseinrichtung vor Ort sowie das verbindliche und ständige Tätigwerden einer Person für ein Unternehmen im Absatzmarkt (sogenannte Vertreterbetriebstätte). Eine mögliche Lösung sieht die OECD-Arbeitsgruppe darin, die Anknüpfungspunkte für die Besteuerung auszuweiten. Damit soll den Absatzmarktstaaten ein grösserer Anteil am Konzerngewinn zur Besteuerung zugewiesen werden. Die Besteuerungsrechte sollen also tendenziell vom Sitzstaat zu den lokalen Absatzmärkten, in denen sich die Kunden befinden, verschoben werden. Ungeklärt ist, mit welchen Anknüpfungspunkten die Steuerpflicht sichergestellt und nach welchen Kriterien die Gewinne aufgeteilt werden sollen.
Mindestbesteuerung
Die OECD will ausserdem eine Mindestbesteuerung für international tätige Unternehmen einführen. Vorgesehen sind Massnahmen wie
- die Hinzurechnungsbesteuerung,
- der Wechsel zur Anrechnungsmethode und
- Regeln zur Nichtabzugsfähigkeit von Zahlungen, die eine Gewinnreduktion beabsichtigen.
Sobald die technischen Details geklärt sind, soll über die Höhe dieser Mindestbesteuerung entschieden werden.
Die Position der Schweiz
Die Schweiz unterstützt und begrüsst die Erarbeitung von multilateralen Regelungen. So sollen Alleingänge und verwirrende Lösungen einzelner Staaten, welche Wachstum und Innovation gefährden würden, vermieden werden. Bereits heute haben Länder wie Frankreich, Italien oder Grossbritannien Digitalsteuern eingeführt oder planen, solche einzuführen. Die Schweiz möchte jedoch sicherstellen, dass die Besteuerung von internationalen Unternehmen im Wesentlichen am Ort der Wertschöpfung erfolgt. Die Besteuerung in den Absatzmarktstaaten soll moderat erfolgen, sodass die Staaten auch künftig einen Anreiz haben, Wertschöpfung, Innovation und Wachstum zu fördern. Auch soll weiterhin ein Steuerwettbewerb im fairen Rahmen möglich sein. Die anstehenden Änderungen werden in der Schweiz einen grossen Einfluss auf die Fiskaleinnahmen der öffentlichen Hand haben. Die Schätzungen der Einnahmenausfälle gehen in die Milliardenhöhe.
International tätige Unternehmen müssen sich bei der Steuerplanung und zu den Deklarationsvorschriften informieren und sich allenfalls neu ausrichten.