Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen der Schweiz und Deutschland
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Die Gewinne von Schweizer Tochtergesellschaften sowie Betriebsstätten von deutschen Unternehmen sind grundsätzlich ausschliesslich in der Schweiz steuerbar. Dieser Grundsatz erhält jedoch gewisse Ausnahmen, welche in der Praxis zu erheblich abweichenden Steuerbelastungen führen können. In diesem Aufsatz sollen die Grundlagen sowie die neueren Entwicklungen in Deutschland und der Schweiz konzis zusammengefasst werden.
Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland (DBA) nennt zwei Methoden, um die Besteuerung desselben Gewinns in beiden Ländern zu vermeiden.
Bei der Freistellungsmethode weist ein Staat das Besteuerungsrecht alleine dem anderen zu und verzichtet selbst vollständig auf eine Besteuerung. Bei der Anrechnungsmethode verfügen beide Länder über ein Besteuerungsrecht, wobei jeweils die im einen Land bezahlten Steuern auf die Steuern im anderen Land angerechnet werden. Im Effekt führt dies dazu, dass bei der Anrechnungsmethode für den Steuerzahler immer der jeweils höhere Steuersatz zur Anwendung kommt. Während die Schweiz mit wenigen Ausnahmen hauptsächlich die Freistellungsmethode anwendet, kommt auf deutscher Seite nur für einen explizit genannten Katalog die Freistellung zur Anwendung, während für alle anderen Einkommen die Anrechnungsmethode zur Anwendung kommt.
Die Frage, wo denn nun eine juristische Person besteuert wird, ist nicht immer leicht zu beantworten. Aufgrund des doch bemerkbaren Unterschieds zwischen den schweizerischen und deutschen Unternehmenssteuersätzen, lohnt es sich, grenzüberschreitende Sachverhalten genau zu durchleuchten.
Ansässigkeit im internationalen Kontext
Es scheint schlüssig, dass Gewinne einer Schweizer Kapitalgesellschaft auch in der Schweiz zu besteuern sind. Sowohl die Schweiz wie auch Deutschland knüpfen bei der Steuerpflicht einer Gesellschaft jedoch nach nationalem Recht alternativ an den Sitz oder den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung an. Liegt der Sitz im einen Staat und der Mittelpunkt ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung im anderen, so muss die Besteuerungshoheit geklärt werden. Die Schweiz und Deutschland haben sich im DBA darauf geeinigt, dass die Besteuerung primär dem Staat zusteht, in dem sich der Mittelpunkt ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Sollte der Sitz im anderen Land liegen, so können dort allenfalls Erträge einer Betriebsstätte besteuert werden.
In der Praxis hat sich ein Indizienkatalog herauskristallisiert, um ebendiesen Ort der tatsächlichen Geschäftsführung zu eruieren. Dieser ist grundsätzlich nach dem jeweiligen nationalen Recht auszulegen. Die Schweiz hat jedoch in der Botschaft zum Gesetz über die direkte Bundessteuer klargestellt, dass der schweizerische Begriff «Ort der tatsächlichen Verwaltung» mit demjenigen Begriff der OECD «Mittelpunkt der tatsächlichen Geschäftsleitung» deckungsgleich sei. Vereinfacht lässt sich aus Schweizer Sicht sagen, dass eine Gesellschaft dort ansässig ist, wo die Delegierten des Verwaltungsrates (üblicherweise C-Level Angestellte) sowie weitere Mitglieder der Geschäftsleitung ihre Funktionen wahrnehmen. Dabei wird auch berücksichtigt, was eine Gesellschaft in personeller und infrastruktureller Hinsicht an Substanz ausweist. Nicht entscheidend nach Schweizer Gerichtspraxis ist hingegen der Ort der Verwaltungsratssitzungen und Generalversammlungen sowie der Wohnsitz der Aktionäre.
Liegt der Mittelpunkt der tatsächlichen Geschäftsleitung nun in Deutschland und sind damit die Gewinne grundsätzlich in Deutschland zu versteuern, muss geprüft werden, ob am Schweizer Sitz allenfalls eine Betriebsstätte besteht.
Probleme beim Betriebsstättenbegriff
Im Gegensatz zum Ort der tatsächlichen Verwaltung wurde der Begriff der Betriebstätte in der Schweiz noch nicht an denjenigen der OECD angeglichen, wodurch Abweichungen zum deutschen Verständnis entstehen können. Stellen beispielsweise die deutschen Steuerbehörden eine Betriebsstätte in Deutschland fest, während die schweizerischen diese verneinen, so kommen die Gewinne unter Umständen in beiden Staaten zur Besteuerung.
Selbst wenn das Besteuerungsrecht einer schweizerischen Betriebstätte der Schweiz zugeordnet wird, so kann Deutschland in gewissen Fällen gleichwohl eine konkurrierende Besteuerung vornehmen, wobei von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode gewechselt wird, und zwar bei Vorliegen von sogenannt «passiver Tätigkeit» gemäss DBA. Festzuhalten für die Praxis ist, dass die Definition der passiven Tätigkeiten gemäss DBA nicht komplett mit derjenigen des Aussensteuergesetzes (nachfolgender Absatz) deckungsgleich ist.1
Hinzurechnungsbesteuerung
Sofern das Besteuerungsrecht für Gewinne einer Schweizer Kapitalgesellschaft nach dem DBA der Schweiz zusteht, kann gleichwohl die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung zu einer Besteuerung in Deutschland führen. Dabei wird der Hinzurechnungsbetrag in Deutschland im Folgejahr als voll steuerpflichtige fiktive Dividende besteuert wobei die Anrechnung der Schweizer Ertragsteuern nur bei der Körperschaftssteuer (Steuersatz 15%) vorgenommen wird. Keine Anrechnung erfolgt hingegen bei der Gewerbesteuer. Somit kann eine Doppelbesteuerung bei Kantonen mit einem Steuersatz von über 15% resultieren.
Voraussetzung für die Hinzurechnungsbesteuerung sind:
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Die Gesellschaft wird durch in Deutschland ansässige Personen beherrscht
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Die Ertragssteuerbelastung in der Schweiz beträgt weniger als 25% und
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Die Gesellschaft vereinnahmt Ertrag aus passiver Tätigkeit.
Die Beherrschung ist erfüllt, wenn mehr als 50% der Anteile bzw. Stimmrechte in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen zukommen. Die zweite Voraussetzung ist in allen Schweizer Kantonen erfüllt.
Bezüglich der Begrifflichkeit der passiven Erträge ist in erster Linie auf Dienstleistungs- und Handelstätigkeiten unter Mitwirkung der in Deutschland ansässigen Gesellschafter zu verweisen.2
Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dürfte die Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zur Schweiz ab 2011 nicht mehr anwendbar sein, sofern die Schweizer Kapitalgesellschaft den Substanztest des § 8 Abs. 2 AStG erfüllt.3
Laufende Reformbestrebungen in Deutschland
Im aktuellen Jahr 2020 laufen Bestrebungen zur Überarbeitung des Aussensteuergesetzes im Hinblick auf die Umsetzung der Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie («ATAD»). Es stand zur Diskussion, die Niedrigbesteuerungsschwelle von 25% auf 15% zu senken, um analog der Nachbarländer eine 1:1 Umsetzung der ATAD Mindestvorgaben zu erreichen. Das Bundesministerium für Finanzen hat die Senkung der Niedrigbesteuerungsschwelle jedoch im überarbeiteten Referentenentwurf (vom 24.03.2020) zur Umsetzung der ATAD Richtlinie wieder verworfen und den Steuersatz bei 25% belassen. Ebendiese 25% Schwelle scheint allerdings im Hinblick auf die jüngsten Entwicklungen noch nicht in Stein gemeisselt zu sein. In der Empfehlung der Ausschüsse des Bundesrats vom 28.09.2020 zum Jahressteuergesetz 2020 wird eine Senkung der Niedrigbesteuerungsschwelle auf die ursprünglich diskutierten 15% empfohlen. Dies aufgrund der nachvollziehbaren Begründung, dass die ATAD als Mindestvorgabe die Niedrigbesteuerung bei der hälftigen Unternehmenssteuer des anderen Landes sieht. Für Deutschland wäre dies bei 1:1 Umsetzung 50% des momentanen durchschnittlichen Unternehmenssteuersatzes von rund 30%, wodurch wir nach Adam Riese bei 15% landen. Nun hat jedoch der Bundesrat in seiner Stellungnahme die Empfehlungen der Ausschüsse zur 1:1 Umsetzung der ATAD vollständig fallengelassen. Der Ball liegt nun beim Bundestag. Am Montag dem 26. Oktober 2020 fand die Anhörung des Finanzausschusses statt. Diverse Fachvertreter haben die Wiederaufnahme der ATAD Umsetzung ins Jahressteuergesetz 2020 gefordert. Zur Debatte steht auch noch, ob eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer in Zukunft ebenfalls möglich sein soll.
Reaktion der Schweiz auf die Hinzurechnungsbesteuerung
Auf Bundesebene wurden keine Massnahmen ergriffen. Hingegen haben diverse Kantone bereits gesetzliche Grundlagen für einen flexiblen Steuersatz eingeführt, um eine mit ausländischen Hinzurechnungsregeln konforme Besteuerung in der Schweiz zu ermöglichen.4
Ob Deutschland diese Erhöhung des Steuersatzes akzeptiert, wird sich in der Praxis erst noch zeigen. Der Bundesfinanzhof hat in einem Fall aus dem Jahr 2006 entschieden, dass keine Niedrigbesteuerung vorliegt, wenn der effektiv über der Schwelle liegende Steuersatz in einem behördlichen Verfahren, auf gesetzlicher Grundlage und unter Mitwirkung des Steuerpflichtigen festgesetzt wurde. Im betreffenden Fall wurde einer irischen Gesellschaft der Steuersatz erhöht auf Anweisung der Behörde (jedoch unter aktiver Mithilfe der Gesellschaft), um eine Hinzurechnung in Deutschland zu vermeiden. Zwar handelte es sich hierbei nicht um eine Aufrechnung auf Antrag des Steuerpflichtigen, ansonsten ist der Fall allerdings ähnlich.5 Die Beurteilung fusste auf dem Grundsatz, dass bei Fehlen einer Niedrigbesteuerung formal gesehen keine Zwischengesellschaft im Sinne des Aussensteuergesetzes vorliegen kann.
Auf Schweizer Seite bestehen sodann noch beträchtliche Unklarheiten zur Umsetzung der Steuersatzerhöhung. Ist die Erhöhung auf den gesamten Reingewinn anzuwenden, oder nur denjenigen, welcher der Hinzurechnung unterliegt? In welchem Verfahren wird der Steuersatz festgelegt? Was passiert bei abweichenden Berechnungen des Hinzurechnungsbetrages zwischen der deutschen und der Schweizer Steuerverwaltung? Kann die Satzerhöhung im Revisionsverfahren aufgehoben werden?6 Des Weiteren stellen sich bei allfälligen Erhöhungen des Steuersatzes von Amtes wegen Fragen der rechtlichen Zulässigkeit, auf welche hier jedoch nicht eingegangen werden soll.7
Text erschienen im CH-D Wirtschaft 2020
1 Kubaile/Sutter, Der Steuer und Investitionsstandort Schweiz, XVI.1.2., S. 405 f.
2 Ruh/Schmidig, Unionsrechtswidrigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zur Schweiz?, CH-D Wirtschaft 3/2017; Ruh, Hinzurechnungsbesteuerung: Unionsrechtswidrigkeit im Verhältnis zur Schweiz, EXPERT FOCUS 2017, 440.
3 BFH-Urteil v. 18.12.2019, I R 59/17, DStR 2020, 2182 sowie hierzu Böhmer, FR 2020, 1007 und Ruh, Blogbeitrag .
4 Per 1.1.2020 in Kraft in den Kantonen Zug, Waadt, Graubünden, Luzern, Schwyz, Tessin, Thurgau, Uri, Nidwalden, Genf, Jura. Während einige Kantone den Steuersatz auf Antrag erhöhen, nehmen andere die Erhöhung zumindest dem Wortlaut der Bestimmung nach automatisch vor.
5 Als Randbemerkung sei erwähnt, dass der BFH im entsprechenden Entscheid auch gleich festgestellt hat, dass die freiwillige Erhöhung des Steuersatzes aus deutscher Sicht keine geldwerte Leistung darstellt. Aus Schweizer Sicht könnte dies je nach Sachverhalt anders aussehen.
6 Für weitere Hinweise hierzu in Opel/Hongler, Flexible Gewinnsteuersätze, StR 75/2020 S. 254.
7 Für interessierte: Matteotti: Gezielte Steuersatzerhöhungen aufgrund ausländischer Hinzurechnungsbesteuerungsregelungen, ASA 88, 10, 20192020, S. 761