Berücksichtigung von Wirtschaftskriminalität im Rahmen von Prüfungen nach dem Schweizer Standard zur Eingeschränkten Revision
Die Revisionsquote befindet sich in der Schweiz seit Jahren konstant in einem Sinkflug. Nur noch knapp jede fünfte potentiell prüfungspflichtige Gesellschaft unterzieht sich aktuell noch einer Revision ihrer Jahresrechnung.
Ein Grossteil dieser Prüfungen erfolgt nach dem Schweizer Standard zur Eingeschränkten Revision (SER). Im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben sieht dieser Standard eine Revision vor, welche deutlich weniger weit geht als eine ordentliche Revision. Ein Unterscheidungskriterium der eingeschränkten Revision zur ordentlichen Revision besteht darin, die Wirtschaftskriminalität aus dem Prüfungsauftrag einer eingeschränkten Revision komplett auszuklammern. Genau dieser Umstand führte denn auch zur Forschungsfrage der Master‐Arbeit zum MAS Economic Crime Investigation von Marc Arnet: Ist der strikt formulierte Ausschluss von Überlegungen zu deliktischen Handlungen im Rahmen des SER mit den vorhandenen Erkenntnissen zur Wirtschaftskriminalität im KMU‐Umfeld vereinbar und gerechtfertigt?
Marc Arnet ist diplomierter Wirtschaftsprüfer und hat rund 25 Jahre Erfahrung in der Prüfung von nationalen und internationalen Unternehmen. Neben der beruflichen Tätigkeit in der Revision veröffentlicht er regelmässig Artikel und Buchbeiträge und ist als Dozent für Fragen der Rechnungslegung, der Wirtschaftsprüfung und Themen im Bereich der Corporate Governance tätig. Zudem ist er langjähriges Mitglied der Subkommission «Eingeschränkte Revision» von EXPERTsuisse.
Der methodologische Ansatz zur Klärung dieser Frage verfolgte die nachfolgenden vier Schritte. Block eins befasst sich mit der Thematik, ob Wirtschaftskriminalität in der Schweiz überhaupt ein Thema ist und ob diese Form der Kriminalität überhaupt ein Problem für die Wirtschaft darstellt. Im nächsten Block fand eine Auseinandersetzung mit der Frage statt, ob und allenfalls wie KMU‐Unternehmen mit dem Phänomen der Wirtschaftskriminalität konfrontiert werden. Der dritte Block setzt sich mit der Frage auseinander, ob und welche Erwartungen die Stakeholder einer Revisionsstelle (also Kunden, der Staat und weitere) an diese im Zusammenhang mit der Prüfung von deliktischen Vorgängen stellen. Schlussendlich fasst der vierte Block die gewonnenen Erkenntnisse zusammen und beantwortet mit den Erkenntnissen der vorangegangenen Blöcke die Forschungsfrage.
Die vier Blöcke zur Abklärung der Forschungsfrage wurden einerseits mit der Revisionsaufsichtsbehörde RAB und den beiden Berufsverbänden der Wirtschaftsprüfungsbranche (EXPERTsuisse sowie Treuhand Suisse) mittels eines Interviews erörtert.
Daneben wurden mittels 95 Antworten einer Online‐Umfrage unter Mitgliedern des Berufsstandes die Meinung der Revisor*innen abgeholt.
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Wie erwartet werden durfte, weichen die Ergebnisse der drei geführten Interviews voneinander ab. Während die Aufsichtsbehörde eher skeptisch mit dem vollumfänglichen Ausschluss von deliktischen Handlungen im Zusammenhang mit der eingeschränkten Revision umgeht, stehen die Berufsverbände hinter dieser notabene von ihnen als berufsständische Regel formulierten Einschränkung im SER. Interessant ist jedoch, dass nicht beide Berufsstände diesen Ausschluss gleich vehement vertreten und dass sie dies auch nicht mit denselben Argumenten tun. Als Resultat der Online‐Umfrage kann festgehalten werden, dass grundsätzlich eine höhere Offenheit für den Einbezug von deliktischen Handlungen im Rahmen der eingeschränkten Revision erkennbar ist. Der Berufsstand anerkennt, wie im übrigen die Aufsichtsbehörde und die Berufsverbände auch, dass Wirtschafskriminalität in der Schweiz ein Problem darstellt und dass von diesem Problem auch KMU‐Gesellschaften betroffen sind. Und auch Erwartungen von Stakeholdern im Bereich der Prüfung von Wirtschaftskriminalität werden bejaht. Für den Berufsstand ist jedoch auch klar, dass wohl die Haftung mit dem Einbezug der Wirtschaftskriminalität in die eingeschränkte Revision tendenziell steigen dürfte und dass es schwierig sein könnte, zusätzliche Aufwendungen zu verrechnen.
In Bezug auf die Forschungsfrage ist eine wenn auch knappe Mehrheit der Befragten der Meinung, dass ein Ausschluss, wie er heute im Standard verankert ist, nicht gerechtfertigt ist. In diesem Sinne muss sich die Branche der Wirtschaftsprüfer*innen die Frage stellen lassen, ob sie in Zukunft einen Beitrag an die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität bei einer volkswirtschaftlich wichtigen Gruppe von Unternehmen leisten will. Aktuell tut sie dies zumindest bei der eingeschränkten Revision nicht.
In der Sammlung der HSLU sind die besten studentischen Arbeiten des MAS Economic Crime Investigation eines jeden Jahrs aufgeschaltet.