Rückzahlung von verdeckten Kapitaleinlagen
Die Rückzahlung von Einlagen, Aufgeldern und Zuschüssen, die von den Inhabern der Beteiligungsrechte nach dem 31.12.1996 geleistet worden sind, ist steuerfrei. Dies gilt gemäss neuerem Bundesgerichtsentscheid selbst dann, wenn sie bei der zahlenden Gesellschaft nicht offen verbucht worden sind.
© iStock.com/Waxwaxwax
Bisherige Praxis
Das seit dem 1.1.2011 geltende Kapitaleinlageprinzip soll die Auswirkungen des reinen Nennwertprinzips korrigieren. Rückzahlungen von Einlagen werden dabei der Rückzahlung von Aktien- oder Stammkapital gleichgestellt (d.h. diese sind steuerfrei möglich). Das Kapitaleinlageprinzip wurde sowohl im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) als auch im Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer (VStG) geregelt. Im VStG wurde zusätzlich zum Wortlaut des DBG festgeschrieben, dass die Kapitaleinlagen in der Handelsbilanz auf einem gesonderten Konto auszuweisen sind und dass die die Gesellschaft oder Genossenschaft jede Veränderung auf diesem Konto der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) zu melden hat.
Nach Ansicht der ESTV war dieses Verbuchungserfordernis nicht nur für die Belange der Verrechnungssteuer relevant, sondern auch für die direkte Bundessteuer (Einkommenssteuer). Ohne eine offene, separate Verbuchung war eine steuerfreie Rückzahlung für den Aktionär bislang nicht steuerfrei möglich.
Der Bundesgerichtsentscheid
Das Bundesgericht hatte in einem am 17.3.2023 gefällten Urteil die Gelegenheit, diese Auslegung der Steuerbehörden zu überprüfen. In diesem Urteil kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die bisherige Praxis mit einer grammatikalischen, systematischen und historischen Auslegung der Gesetzesbestimmung nicht vereinbar sei. Der Gesetzgeber habe für die Belange der Einkommenssteuer bewusst einen anderen Wortlaut als für die Verrechnungssteuer beschlossen. Die Besteuerung beim Aktionär solle nicht davon abhängig sein, ob und wie die empfangende Gesellschaft die Kapitaleinlage verbuche. Es gäbe aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise keinen Grund, verdeckte und offene Kapitaleinlagen beim Anteilsinhaber unterschiedlich zu behandeln.
Das Bundesgericht weist zudem darauf hin, dass der ursprüngliche Gesetzestext, welcher ebenfalls für die Einkommenssteuer eine separate Verbuchung vorgesehen hatte, durch die behandelnde Kommission (WAK-Ständerat) gestrichen wurde.
Offene Fragen in der Praxis
Das einschlägige Kreisschreiben der ESTV wird mit dem Bundesgerichtsentscheid obsolet. Man darf gespannt sein, wie die Steuerbehörden auf dieses Urteil reagieren werden.
Die nun fehlende Kongruenz zwischen Verrechnungssteuer und Einkommenssteuer wird die Steuerbehörden und die Steuerpflichtigen weiter beschäftigen. Wichtig zu wissen ist, dass der Nachweis, dass eine Ausschüttung eine Rückzahlung einer Kapitaleinlage darstellt, Sache des Anteilsinhabers ist. Bei einer nicht auf einem gesonderten Konto verbuchten Kapitaleinlage dürfte es nicht immer einfach sein, diesen Nachweis zu erbringen.
In der Praxis kommen verdeckte Kapitaleinlagen meistens im Zusammenhang mit der unterpreisigen Einbringung von Vermögenswerten aller Art (z.B. Patente, Mobilien oder Immobilien) sowie in Form von Forderungsverzichten, bei welchen die Verluste ausgebucht werden, vor.
Wir empfehlen, verdeckte Kapitaleinlagen lückenlos und vollständig zu dokumentieren. Im Einzelfall kann es sich empfehlen, sowohl bei der Vornahme einer verdeckten Kapitaleinlage als auch bei einer geplanten Ausschüttung den Sachverhalt und die Steuerfolgen vorgängig im Rahmen eines verbindlichen Vorabbescheids (so genanntes Ruling) von den zuständigen Steuerbehörden bestätigen zulassen.