Verwandtenunterstützungspflicht
Gestützt auf Art. 328f ZGB können Verwandte nach pflichtgemässem Ermessen der zuständigen Behörde zur wirtschaftlichen Unterstützung herangezogen werden, wenn die zu unterstützende Person aus eigenen Mitteln für ihren Lebensunterhalt nicht mehr aufkommen kann. Dieser Pflicht gehen allerdings die eheliche und/oder elterliche Unterhaltspflicht (letztere in der Regel nur bis zur Mündigkeit) vor.
In Betracht kommen vor allem Langzeitarbeitslose, Drogensüchtige, alte oder invalide Verwandte.
Betroffen sind die Verwandten in gerader auf- und absteigender Linie, also Grosseltern, Eltern, Kinder, Enkel etc., nicht aber Geschwister, Tanten und Onkel, Stiefeltern oder Verschwägerte. Belastet werden die Unterstützungspflichtigen in der Reihenfolge der Erbberechtigung, primär die Nachkommen. Verwandte gleichen Grades sind nach ihren Verhältnissen anteilsmässig verpflichtet. Die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Verwandten ist, dass diese in günstigen Verhältnissen leben, d.h. wenn ihnen dank Einkommen und Vermögen eine wohlhabende Lebensführung möglich ist und die allfällige Unterstützung diese Lebensführung nicht schon in naher Zukunft gefährdet. Massgebend ist das steuerbare Einkommen gemäss Bundessteuer ohne Einkommen und Vermögen des Ehegatten des pflichtigen Verwandten.
Eine individuelle Prüfung des Einzelfalls soll eine angemessene Lösung für alle Seiten sicherstellen.
Als Faustregel kann zur Zeit gelten:
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Einkommen Alleinstehende über CHF 120'000
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Einkommen Verheiratete über CHF 180'000
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Zuschlag pro minderjähriges Kind in Ausbildung CHF 20'000
Das Vermögen wird wie folgt herangezogen:
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Freibetrag Alleinstehende CHF 250'000
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Freibetrag Verheiratete CHF 500'000
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Freibetrag pro minderjähriges Kind in Ausbildung CHF 40'000
Dieses «Netto»-Vermögen wird gemäss der Lebenserwartung auf einen Jahresbetrag umgerechnet und dieser dem Einkommen zugerechnet.
Das Gericht kann die Unterstützungspflicht ermässigen oder gar aufheben, wenn schwere Verletzungen der familienrechtlichen Pflichten durch den zu Unterstützenden vorliegen. Unerheblich ist allerdings nach herrschender Lehre, ob die Bedürftigkeit des zu Unterstützenden selbst verschuldet ist oder nicht.
Leben unterstützungspflichtige Verwandte im Ausland, hängt es davon ab, ob mit jenem Staat ein Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsbeiträgen besteht und gestützt darauf diese zur Unterstützung herangezogen werden können.
Im interkantonalen Verhältnis ist der Wohnsitzkanton zuständig.
Für den zu Unterstützenden muss ohne Unterstützung eine Notlage vorliegen, d.h. wenn das zum Lebensunterhalt Notwendige (Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung inkl. Heilmittel, evtl. auch einschliesslich eingesetzte Mittel für Suchtabhängige) nicht mehr beschafft werden kann.
In der Regel wird die Unterstützung in bar abgegolten, kann aber auch z.B. durch Kost- und Logisgewährung erbracht werden.
Kommt es betreffend Unterstützung zu einem Streitfall, kann das unterstützende Gemeinwesen seinen Anspruch ausschliesslich in einem Zivilverfahren durchzusetzen versuchen, nicht aber durch Beschluss der Sozialbehörde.