Notfallplan für Unternehmer und Unternehmerinnen
Eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) hat herausgefunden, dass in Deutschland allein wegen Unfall, Krankheit und Tod rund 24‘000 kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) pro Jahr plötzlich ohne Chef oder Chefin dastehen. Dieses Bild dürfte in der Schweiz ähnlich ausfallen.
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Frage
Wie kann bei einem plötzlichen Ausfall des Chefs / der Chefin die ordentliche Fortführung des Unternehmens sichergestellt werden?
Antwort
Hier empfiehlt sich die Notfallplanung. Mit dieser kann sichergestellt werden, dass das Unternehmen auch dann fortgeführt werden kann, wenn das Management oder wesentliche Leistungsträger kurzfristig ausfallen. Ein Unternehmer / eine Unternehmerin, die sein / ihr Unternehmen oft über Jahrzehnte führt, kennt alle Abläufe – auch ohne grosse Dokumentation. Aber was passiert, wenn diese zentrale Person im Unternehmen plötzlich ausfällt?
Die Ausgestaltung der Notfallplanung hängt sehr stark von den individuellen Gegebenheiten im Unternehmen und von der Unternehmensgrösse ab. In kleinen Unternehmen kann beispielsweise das Fehlen von Bankvollmachten, von Zeichnungsberechtigten sowie von Produkt- und Produktions-Know-how, das einzig dem Chef bekannt ist, zu Schwierigkeiten führen und im schlimmsten Fall sogar den Ruin des Unternehmens bedeuten.
Grundsätzlich gilt: Praktische Anweisungen sind wichtig, um im Krankheits- oder Todesfall das Weiterbestehen des Betriebes zu sichern. Zudem sollten u.a. Schlüssel, PINs, Passwörter und wichtige Rezepturen auffindbar sein. Vollmachten ermöglichen den entsprechenden Personen, die Führung auch tatsächlich in die Hand zu nehmen. Ohne Einsicht in wesentliche Verträge, Versicherungspolicen und vor allem in strategische und betriebswirtschaftliche Kerninformationen können Vertreter oder kurzfristig eingesetzte Nachfolger nicht handeln. Die Folgen betreffen das Alltagsgeschäft: Die Beziehung zu Geschäfts- und Finanzpartnern leidet, Kontokorrentlimiten werden möglicherweise gekürzt und die Konkurrenz schläft in solchen Situationen auch nicht.
Es leiden aber nicht nur das Unternehmen und seine Mitarbeitenden, letztlich steht im KMU Bereich auch das Wohl der Unternehmerfamilie auf dem Spiel. Dabei geht es nicht nur um die Weiterführung des Tagesgeschäftes, sondern hauptsächlich um strategische Entscheidungen. Hilfreich ist, wenn eine starke, verantwortungsvolle zweite Führungsebene vorhanden ist, die sowohl Kompetenz als auch klare Vorstellungen davon hat, wer welche zusätzlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu übernehmen hat.
Der Beirat
Bei der Erstellung eines Notfallplanes sollte darauf geachtet werden, dass die Vertretung im Notfall nicht ausschliesslich dem Partner oder den Kindern überlassen wird. Gerade in Extremsituationen wie Tod, schwere Erkrankung oder Unfall des Unternehmers bzw. der Unternehmerin sind die Angehörigen psychisch oft nicht mehr in der Lage, sich umfassend mit zentralen Unternehmensentscheidungen zu befassen. Für solche Fälle kann die Einsetzung eines Beirates eine gute Option sein.
Dieser übernimmt im Notfall das Management oder gar die Eigentümerfunktion. Wichtig ist, dass dem Beirat Personen angehören, bei denen kein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Ist dieser Beirat für den Notfall mit Entscheidungskompetenzen ausgestattet, kann nicht nur das Tagesgeschäft geführt, sondern es können auch strategische Entscheidungen getroffen werden. Wichtig ist, dass der Beirat schon frühzeitig ins Unternehmen eingeführt wird, damit er im Notfall schnell und schlagkräftig handeln kann.
Checkliste Notfallregelung für Unternehmen
Eine einfache Art, sich selbst, die Familie und das Unternehmen vor den Folgen eines Notfalls zu schützen, ist die Erstellung einer Notfalldokumentation. Diese Dokumentation ist sowohl für den Betrieb als auch für den privaten Bereich unverzichtbar. In der Notfallmappe befinden sich Antworten auf alle entscheidenden Fragestellungen. Entscheidend ist immer, dass Zuständigkeiten und Vertretungen klar geregelt und dokumentiert sind. Vor allem in KMU-Betrieben gibt es viele «ungeschriebene Gesetze und Vereinbarungen» wie z.B. Zahlungskonditionen, Liefermengen, Absatzkanäle.
Mögliche Fragen für die Notfallmappe:
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Was fällt allein in die Zuständigkeit des Unternehmers / der Unternehmerin?
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Wer kann diese Tätigkeiten im Notfall personell übernehmen?
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Existieren die geforderten Vollmachten?
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Wer ist Ansprechpartner bei den verschiedenen Lieferanten / Kunden / sonstigen Vertragspartnern?
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Existieren mündlich abgesprochene Regelungen zu Abnahmemengen, Liefer- und Zahlungskonditionen?
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Sind den Stellvertretern Nachlässe und Rabatte bei den Hauptlieferanten bekannt?
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Wo sind wichtige Unterlagen aufbewahrt (Verträge, Patente, Buchhaltungsunterlagen, Jahresabschlüsse, Passwörter etc.)?
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Wer hat Bankvollmachten und wer sind die Ansprechpartner bei der Hausbank?
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Wie lauten die Passwörter für den IT-Zugang?
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Existiert ein Schlüsselverzeichnis? Wo werden die Schlüssel aufbewahrt?
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Existieren betriebsindividuelle Regelungen, die für das Tagesgeschäft wichtig sind?
Der Vorsorgeauftrag als Instrument zur Unternehmensfortführung im Fall der Handlungsunfähigkeit des Unternehmers / der Unternehmerin
Mit dem Vorsorgeauftrag kann der Unternehmer / die Unternehmerin Vertrauenspersonen damit beauftragen, im Falle der Urteilsunfähigkeit für ihn / sie die Personensorge oder die Vermögenssorge zu übernehmen oder ihn / sie im Rechtsverkehr zu vertreten.
Im Rahmen des Vorsorgeauftrages können verschiedene Personen für spezifische Aufgaben eingesetzt werden. Beispielsweise kann die Personensorge und die private Vermögenssorge dem Partner oder den Kindern übertragen werden, während die geschäftliche Vermögenssorge fachlich qualifizierten Drittpersonen zugewiesen werden kann. Der Unternehmer kann im Vorsorgeauftrag auch ganz explizite Anweisungen festhalten.
Der Vorsorgeauftrag muss vom Auftraggeber entweder eigenhändig errichtet oder öffentlich beurkundet werden. Der eigenhändige Vorsorgeauftrag muss von der auftraggebenden Person von Anfang bis Ende von Hand niedergeschrieben, datiert und unterzeichnet werden.
Das Testament als Instrument der Unternehmensfortführung im Todesfall des Unternehmers / der Unternehmerin
Mit dem Testament (Verfügung von Todes wegen) kann ein Unternehmer / eine Unternehmerin rechtsverbindliche Anordnungen über sein / ihr Vermögen mit Wirkung auf den Todeszeitpunkt treffen. Die Verfügung wird also erst nach dem Tod wirksam. Der Unternehmer / die Unternehmerin kann in seinem / ihrem Testament u.a. einen oder mehrere Willensvollstrecker einsetzen.
Befindet sich im Nachlass ein Unternehmen, muss der Willensvollstrecker dieses grundsätzlich erhalten und vorläufig verwalten bis feststeht, was mit dem Unternehmen im Rahmen der Erbteilung geschieht. Häufig wird der Willensvollstrecker dazu Drittpersonen beiziehen.
Der Bestand einer juristischen Person wird durch den Tod des Erblassers nicht beeinträchtigt. Die Erbenden erhalten das Eigentum gemäss den Anteilen des Erblassers, der Willensvollstrecker beteiligt sich an der Willensbildung der juristischen Person und übt insbesondere die Stimmrechte der Erbenden aus. Der Willensvollstrecker muss bei der Stimmabgabe allfällige letztwillige Anordnungen des Erblassers befolgen.
Im Gegensatz zu einer juristischen Person wird die Personengesellschaft nur weitergeführt, wenn die Fortsetzung im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist oder dies nachträglich vereinbart wird. Der Willensvollstrecker muss sich um eine Fortführungsvereinbarung bemühen, wenn die Erben dies wünschen.
Weitere Vorkehrungen für den Todesfall kann der Unternehmer in einem Organisationsreglement, durch Stellvertreterlösungen sowie durch Zeichnungsberechtigungen und Zweitunterschriften auf Bankkonten treffen. Die Aufgabe des Unternehmers / der Unternehmerin ist es, auch für diese schwierige und nicht planbare Lebensphase qualifizierte und umfassende Vorkehrungen zu treffen. Der Entscheid, dies rechtzeitig in die Wege zu leiten, ist nie zu früh.