Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes per 1. Januar 2018
Per Anfang nächsten Jahres tritt eine Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG) in Kraft. Sie umfasst eine Vielzahl von Sachverhalten, die nachfolgend vorgestellt werden.
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Frage
Was ändert sich mit der Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG) bei der Mehrwertsteuer (MWST)?
Antwort
Definition «eng verbundene Personen»
Leistungen an eng verbundene und nahestehende Personen, die nicht im Betrieb mitarbeiten, müssen zu denselben Ansätzen wie unter unabhängigen Dritten deklariert werden. Im Gegensatz dazu müssen Leistungen an Lohnausweisempfänger zu den Ansätzen deklariert werden, die auch für den Lohnausweis gelten. Massgebend sind dort die Wegleitungsbestimmungen zum neuen Lohnausweis, die durch die Schweizerische Steuerkonferenz und die ESTV herausgegeben werden.
Als eng verbundene Personen gelten neu ...
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Inhaber von mindestens 20% des Unternehmenskapitals (bisher 10% oder Beteiligung von CHF 1 Mio.) oder von einer entsprechenden Beteiligung an einer Personengesellschaft und
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Stiftungen und Vereine, zu denen eine besonders enge wirtschaftliche, vertragliche oder personelle Beziehung besteht, nicht aber Vorsorgeeinrichtungen.
Steuerpflicht von Gemeinwesen
Die Dienststelle eines Gemeinwesens ist von der Steuerpflicht befreit, wenn weniger als CHF 100’000 Umsatz pro Jahr aus steuerbaren Leistungen von Nichtgemeinwesen stammen.
Die Umsätze mit anderen Gemeinwesen müssen zur Bestimmung der Steuerpflicht neu nicht mehr berücksichtigt werden. Weiter sind folgende Leistungen im öffentlichen Sektor von der MWST ausgenommen:
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Leistungen zwischen privat- und öffentlich-rechtlichen Gesellschaften, an denen ausschliesslich Gemeinwesen beteiligt sind, und den an der Gesellschaft beteiligten Gemeinwesen und deren Organisationseinheiten;
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Leistungen zwischen Anstalten oder Stiftungen, die ausschliesslich von Gemeinwesen gegründet wurden, und den an der Gründung beteiligten Gemeinwesen und deren Organisationseinheiten; und
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Zurverfügungstellen von Personal durch Gemeinwesen an andere Gemeinwesen, nicht aber wenn die Arbeitskräfte aufgrund eines Werkvertrages oder Auftrages eingesetzt werden.
Von diesen Neuerungen können insbesondere Outsourcing-Projekte im öffentlichen Sektor profitieren.
Leistungen im Bereich der Sozialversicherungen
Die Leistungen von Durchführungsorganen aufgrund gesetzlich vorgeschriebener Präventionsaufgaben sowie die Leistungen im Sozialversicherungsbereich, die der beruflichen Aus- und Weiterbildung dienen, sind neu von der MWST ausgenommen.
Freiwillige Versteuerung von ausgenommenen Leistungen (Option) Heute kann eine von der MWST ausgenommene Leistung durch den offenen Ausweis der MWST in der Rechnung freiwillig versteuert werden. Optional ist dies nun auch durch die Deklaration im Abrechnungsformular möglich.
Fiktiver Vorsteuerabzug bei einem individualisierbaren beweglichen Gegenstand
Eine steuerpflichtige Person, die im Rahmen ihrer zum Vorsteuerabzug berechtigenden unternehmerischen Tätigkeit einen gebrauchten, individualisierbaren, beweglichen Gegenstand bezieht, kann auf dem von ihr entrichteten Betrag einen fiktiven Vorsteuerabzug vornehmen, sofern dieser Gegenstand zum Wiederverkauf an Kunden im Inland bestimmt ist.
Neu ist der Abzug fiktiver Vorsteuern auch in folgenden Fällen zulässig:
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beim Bezug von individualisierbaren, beweglichen Gegenständen, die exportiert werden; und
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beim Bezug von individualisierbaren, beweglichen Gegenständen, die als Betriebsmittel verwendet werden.
Ist ein solcher Gegenstand in den Vorjahren erworben worden, kann der fiktive Vorsteuerabzug als sogenannte Einlageentsteuerung per 1. Januar 2018 anteilig mit einer Abschreibung von 20% pro Jahr geltend gemacht werden.
Margenbesteuerung auf Kunstgegenstände
Per 1. Januar 2018 können beim Bezug von Sammlerstücken (Kunstgegenstände, Antiquitäten und dgl.) keine fiktiven Vorsteuern mehr abgezogen werden, wohingegen beim Verkauf die sogenannte Margenbesteuerung angewendet werden kann. Bei der MargenbBei der Margenbesteuerung muss der Verkaufspreis unter Ziffer 200 der MWST-Abrechnung aufgeführt und der Ankaufspreis unter Ziffer 280 (mit dem Vermerk «Margenbesteuerung») abgezogen werden. Wird die Margenbesteuerung angewendet, darf in Verträgen, Rechnungen und Quittungen nicht auf die Steuer hingewiesen werden. Zudem muss über die Sammlerstücke eine Bezugs- und Verkaufskontrolle geführt werden. Wurde beim Einkauf bis 31. Dezember 2017 der fiktive Vorsteuerabzug bereits vorgenommen, ist die Margenbesteuerung nicht anwendbar. Erfolgte der Verkauf eines Sammlerstücks nicht im Inland und/oder wurde die MWST nicht auf dem gesamten Verkaufspreis entrichtet, muss ein allfälliger, bis 31. Dezember 2017 geltend gemachter Abzug fiktiver Vorsteuern rückgängig gemacht werden.
Elektronische Zeitungen und Zeitschriften
Elektronische Publikationen ohne Reklamecharakter wie Bücher, Zeitungen und Zeitschriften werden den gedruckten Publikationen gleichgestellt und neu zum reduzierten Steuersatz von derzeit 2.5% besteuert.
Steuerpflicht ausländischer Unternehmen in der Schweiz
Bisher mussten sich ausländische Unternehmen in der Schweiz nur dann obligatorisch im MWST-Register eintragen lassen, wenn ihre Lieferungen in der Schweiz (z.B. werkvertragliche Lieferungen) den Betrag von CHF 100’000 pro Jahr überstieg. Neu wird diese Umsatzlimite auf die weltweiten Umsätze ausgedehnt. Die von der MWST ausgenommenen Umsätze werden nicht zu dieser Umsatzlimite gezählt.
Nicht obligatorisch im MWST-Register eintragen lassen müssen sich ...
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Unternehmen mit Sitz im Ausland, die ausschliesslich von der MWST befreite Leistungen (z. B. Exporte ab einem Warenlager im Inland) oder nach dem sogenannten Empfängerortsprinzip in der Schweiz steuerbare Dienstleistungen (z. B. Beratungsdienstleistungen) erbringen (Ausnahme: Telekommunikations- oder elektronische Dienstleistungen an nicht steuerpflichtige Empfängerinnen oder Empfänger) und
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ausländische Lieferanten von Elektrizität in Leitungen, Gas über das Erdgasverteilnetz oder Fernwärme von steuerpflichtigen Personen im Inland.
Die Steuerpflicht beginnt bei ausländischen Unternehmen ohne Sitz oder Betriebsstätte in der Schweiz neu mit dem erstmaligen Erbringen einer Leistung im Inland und endet am Ende des Kalenderjahres, in dem letztmals eine Leistung im Inland erbracht wird.
Bezugssteuer auf werkvertraglichen Leistungen
Ist ein ausländisches Unternehmen, das in der Schweiz werkvertragliche Leistungen erbringt, nicht als steuerpflichtige Person im MWST-Register eingetragen, so muss der Empfänger dieser Arbeiten bis heute die Bezugssteuer deklarieren, wenn er
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selber im MWST-Register eingetragen ist oder
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nicht im MWST-Register eingetragen ist, Leistungen von mehr als CHF 10’000 pro Jahr bezieht und vorgängig durch die ESTV schriftlich über die Bezugssteuerpflicht informiert wurde.
Neu unterliegt nur noch die Lieferung von unbeweglichen Gegenständen (z.B. Reinigungsarbeiten; ohne
die Vermietung von Grundstücken), nicht aber die Lieferung von beweglichen Gegenständen (z.B. Montage einer Maschine) der Bezugsteuer. Auch die Informationspflicht der ESTV entfällt. In den meisten Fällen muss sich der ausländische Leistungserbringer aber neu ohnehin im MWST-Register eintragen lassen.
Steuersätze
Aktuell gelten der Normalsteuersatz von 8%, der Beherbergungssatz von 3.8% und der reduzierte Steuersatz von 2.5%. Lehnt das Stimmvolk am 24. September 2017 die Altersvorsorge 2020 ab, was bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt war, dann gelten ab 1. Januar 2018 ein Normalsteuersatz von 7.7%, ein Beherbergungssatz von 3.7% und ein reduzierter Satz von 2.5%.
Neue Steuerpflicht für den Versandhandel ab 1. Januar 2019
Liefern ausländische Versandhändler Waren in die Schweiz, fällt bei der Einfuhr grundsätzlich die Einfuhrsteuer an. Aus erhebungswirtschaftlichen Gründen verzichtet die Eidgenössische Zollverwaltung bei Sendungen mit einem Steuerbetrag von CHF 5 oder weniger auf die Erhebung der Einfuhrsteuer. Dies entspricht einem Warenwert (inkl. Versandkosten) von CHF 62.50 beim Normalsatz von 8% resp. CHF 200.00 beim reduzierten Satz von 2.5%.
Erzielt ein Versandhändler ab 1. Januar 2019 pro Jahr mindestens CHF 100’000 Umsatz aus Kleinsendungen, gelten seine Lieferungen als Inlandlieferungen und er wird in der Folge in der Schweiz steuerpflichtig. Die Steuerpflicht entsteht mit dem Erreichen der Umsatzgrenze.