Starker Schweizer Franken – was tun . . . ?
Die überraschende Aufhebung des Franken-Mindestkurses vom 15. Januar 2015 und der damit verbundene nachhaltige Eurokurszerfall zwingt hiesige Unternehmen (vor allem im Export und Tourismus) zu Massnahmen, um drohende Ertragsausfälle schnellstmöglich auszugleichen.
* Der starke Franken ruft bei zahlreihen Schweizer Unternehmen nach kurz-, mittel- und langfristigen Massnahmen.
Frage
Was kann ich als Schweizer Unternehmer/-in angesichts des starken Frankens im Sinne von Sofortmassnahmen tun?
Antwort
Die grössten kurzfristigen Herausforderungen sind Liquiditätsengpässe (z.B. durch kurzfristige Bestellrückgänge und Stornierungen), Margenverlust durch Umrechnen der Euroerträge in Schweizer Franken sowie die potenziell schlechteren Einkaufsbedingungen aufgrund anderer Lieferantenzusammensetzung als bei der Konkurrenz.
Bilanztechnische Massnahmen
Neben Schritten zur Ertrags- und Liquiditätssteigerung tut häufig auch eine Bilanzgenesung not. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine qualifizierte Unterbilanz (d.h. die Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserve ist ungedeckt) oder Überschuldung vorliegt. Eine Unterbilanz kann rasch entstehen, wenn infolge des Kurszerfalls z.B. Wertberichtigungen vorgenommen oder wenn wegen Ertragsausfalls die Bilanzwerte auf Liquidationswerte umgestellt werden müssen.
Einer qualifizierten Unterbilanz bzw. Überschuldung kann durch Aufwertungen begegnet werden: z.B. Bewertungsreserven (Warendrittel) und stille Reserven auflösen sowie Immobilien und Beteiligungen auf den wirklichen Wert anheben (hier ist wichtig, den Aufwertungsbetrag gesondert als Aufwertungsreserve auszuweisen). Reicht dies nicht, müssen Gläubiger motiviert werden, auf Forderungen zu verzichten oder diese mindestens nachrangig erklären zu lassen, um der Bilanzdeponierungspflicht zu entgehen.
Liquiditätssichernde Massnahmen
Zentral beim Bewältigen der Frankenstärke ist die Liquiditätssicherung. Einerseits können die Preise bei Kunden im Ausland erhöht oder an Kursentwicklungen gekoppelt werden. Anderseits werden Preisnachlässe bei Schweizer Lieferanten durchgesetzt. Unverzichtbar ist auch das Optimieren des Umlaufvermögens. Laut einer Untersuchung der Handelszeitung bei 150 SPI-Unternehmen sind durchschnittlich 25% des Umsatzes im Umlaufvermögen (Forderungen plus Bestände minus Lieferantenverbindlichkeiten) gebunden. Dieses kann der Einkauf durch Senken der Vorratsbestände und durch Erhöhen der Lieferantenverbindlichkeiten (längere Zahlungsfristen) reduzieren und so Liquidität freisetzen. Doch Achtung: Diese Liquidität ist teuer, da die Marge leidet! Ein Verlängern des Zahlungsziels reduziert das Skonto typischerweise um 2 bis 3%.
Selbstverständlich dämmen auch Aufschub bzw. Verzicht auf nichtdringliche Investitionen den Liquiditätsabfluss ein.
Betriebliche Massnahmen
Währungsrisiko reduzieren
Eine weitere Sofortmassnahme sind Sicherungsgeschäfte («Hedging»). Mittels Termingeschäft (d.h. gegen eine entsprechende Prämie) wird der künftige Wechselkurs bereits heute festgelegt. Das Währungsrisiko lässt sich auch durch Kaufpreismechanismen (bei einer Wechselkursänderung passt sich der Kaufpreis an) mindern, die mit dem Besteller vereinbart werden. Dies setzt jedoch eine gewisse Verhandlungsstärke/-härte voraus.
Personalkosten reduzieren
In den meisten Unternehmen sind die Personalkosten ein zentraler Kostenfaktor.
Lohnreduktion versus längere Arbeitszeiten
Lohnkürzung und Arbeitszeitverlängerung senken Kosten. Für eine Arbeitszeitverlängerung braucht es allerdings ausreichend Arbeit. Unternehmer/-innen dürfen zudem nicht davon ausgehen, dass ihre Mitarbeitenden Lohnsenkung und Arbeitszeiterhöhung gleich bewerten. Für sie ist es wesentlich, ob sie mehr arbeiten müssen oder weniger Geld erhalten – selbst wenn der Stundenlohn in beiden Fällen identisch ist. Ferner ist es umstritten, den Lohn an die Kursentwicklung anzupassen, da damit das unternehmerische Risiko grundsätzlich auf die Arbeitnehmenden abgewälzt wird.
Diese Kostensenkungsvarianten können sofort greifen, wenn sie auf einer gegeseitigen Übereinkunft beruhen. Die Mitarbeitenden werden umso leichter darauf eingehen, wenn der Verzicht auf Lohn oder Lohnbestandteil zeitlich befristet ist und/oder wenn nach Überwinden der schwierigen Phase eine Nachzahlung in Aussicht gestellt wird.
Kurzarbeit
Eine weitere Möglichkeit zur kurzfristigen Einsparungen von Personalkosten ohne Entlassungen präsentierte der Bundesrat: Kurzarbeit. Zwar gehören Devisenschwankungen zum normalen Betriebsrisiko, die Folgen der Mindestkursaufhebung gelten aber als ausserordentlich. Deshalb dürfen Betriebe seit dem 27. Januar 2015 (mit Einverständnis der zuständigen kantonalen Arbeitsmarktbehörde) Kurzarbeit einführen.
Kurzarbeit bedeutet Verkürzung der normalen Arbeitszeit oder vollständige Arbeitseinstellung. Sie wird bewilligt, wenn gefährdete Arbeitsplätze erhalten bleiben und der Arbeitsausfall voraussichtlich nur vorübergehend ist.
Arbeitgeber können für Mitarbeitende, die von Kurzarbeit betroffen sind und der Arbeitslosenversicherung unterstehen, Kurzarbeitsentschädigung geltend machen. Voraussetzung ist, dass der Arbeitsausfall wirtschaftlich bedingt, unvermeidbar sowie vor- übergehend ist und mindestens 10% der normalen Arbeitszeit ausmacht. Die Kurzarbeitsentschädigung wird längstens während zwei Jahren ausbezahlt; in Zeiten einer grossen Krise kann der Bundesrat die Maximalfrist verlängern.
Verkauf von Betriebsteilen/ Betriebsübernahme
Eine weitere Variante, evtl. Kurzarbeit oder Massenentlassung zu vermeiden, ist das ganze oder teilweise Übertragen eines Betriebs an Dritte. Bei einer Betriebsübernahme gehen die Arbeitsverhältnisse automatisch mit allen Rechten und Pflichten an das neue Unternehmen. Dieser Automatismus greift für alle Arbeitsverhältnisse; dem Übernehmer ist ein so genanntes «cherry picking» untersagt (ausser im gerichtlichen Nachlassverfahren oder im Konkurs des übertragenden Unternehmens). Will sich die übernehmende Firma von Mitarbeitenden trennen, muss sie dies per ordentliche Kündigung und unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfristen tun.
Entlassung/Massenentlassung
Können die erwähnten Wege nicht begangen werden oder sind sie unzureichend, müssen Arbeitsplätze abgebaut werden. Ab einer bestimmten Betriebsgrösse sind die Bestimmungen über die Massenentlassung zu beachten (z.B. bei einer Betriebsgrösse von 20–99 Arbeitnehmenden liegt eine Massenentlassung vor, wenn 10 oder mehr Kündigungen innerhalb von 30 Tagen ausgesprochen werden). Bei einer Massenentlassung hat der Arbeitgeber die Mitarbeitenden direkt zu konsultieren und sie über Gründe und Details der geplanten Massenentlassung zu informieren. In der Folge muss der Arbeitnehmerschaft die Gelegenheit eingeräumt werden, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kündigungen vermieden oder ihre Zahl beschränkt sowie ihre Folgen gemildert werden können.
Optimierung der Wertschöpfungskette (Outsourcing im Euroraum)
Eine weitere Kosteneinsparungsmöglichkeit ist das Verlagern der Produktion ins europäische Ausland. Allenfalls werden nur einzelne Produktionsschritte verschoben oder Zwischenprodukte in Lohnarbeit ausserhalb der Schweiz hergestellt. Wichtig: Für traditionelles Outsourcing eignen sich vor allem unkritische NichtKernprozesse. Vor einem Entscheid sollte das rechtliche, sozialversicherungsrechtliche und steuerliche Umfeld am möglichen neuen Standort genau geprüft werden. Ebenfalls einzubeziehen sind die mit der Verlagerung verbundenen Kosten.
Langfristige Massnahmen
Hat sich die wirtschaftliche Lage durch kurzfristige Liquiditätssicherung und erste Kostenoptimierungen stabilisiert, muss das Unternehmen langfristig am Markt positioniert werden. Beispielhaft seien folgende strategische Handlungsfelder erwähnt, die miteinander interagieren:
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Branchenführende Fähigkeiten aufbauen: Innovation stärken, Leistungsdifferenzierung (finanziert durch Kosteneinsparungen) forcieren
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Kostenstruktur anpassen: Portfolio bereinigen, auf nachhaltige Geschäftsfelder mit guten Margen fokussieren
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Flexibilität schaffen: Produktion oder einzelne Produktionsschritte ins Ausland verlagern, Lieferkette internationalisieren, Geschäftsmodell überprüfen.