Von der damaligen Eintritts- zur heutigen Übergangsgeneration im BVG
Kapitaldeckungsverfahren und gleichbleibende Leistung bei sinkenden Umwandlungssätzen – wie geht das?
Die Eintrittsgeneration ins BVG 1985 sollte nach den ersten Vorstellungen eine vollwertige Rente erhalten. Im Abstimmungskampf zur Altersvorsorge 2020 wurde wieder versprochen, die Leistungen für ältere Versicherte (Übergangsgeneration) trotz sinkenden Umwandlungssätzen beibehalten zu wollen. Aber wie?
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1. VORGESCHICHTE
Nach langem Ringen gelang es in der Schweiz erst nach dem zweiten Weltkrieg, eine obligatorische Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) einzuführen. In grösseren Betrieben wurden jedoch schon früher Pensionskassen eingeführt. Eine Initiative des christlich nationalen Gewerkschaftsbunds von 1966 forderte die Einführung des Obligatoriums der 2. Säule. Dies lehnte der Bundesrat damals noch ab. Am 18. März 1970 reichten SP und der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) ein «Volksbegehren für die Einführung der Volkspension» ein. Dadurch sollte die AHV stark ausgebaut werden. Die Rente sollte gemäss diesem Begehren zwei Fünftel des durchschnittlichen schweizerischen Erwerbseinkommens betragen. Die bürgerliche Seite wollte einen derart starken Ausbau der staatlichen AHV mit allen Mitteln verhindern.
Hauptmotivation zur Lancierung eines Verfassungsartikels, der die Einführung der obligatorischen beruflichen Vorsorge (2. Säule) vorsah, war demnach die Verhinderung der Volkspension in der 1. Säule. Am 3. Dezember 1972 hat das Schweizervolk der Neufassung von Art. 34quater der Bundesverfassung (BV) mit grosser Mehrheit zugestimmt. Damit wurde das Drei-Säulen-Konzept für die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge in der BV verankert. Bis zur Gesetzgebung der beruflichen Vorsorge war es jedoch noch ein steiniger Weg. Das Gesetz trat erst per 1. Januar 1985 in Kraft. Seither wurde es mehrmals revidiert.
2. ABLEHNUNG 2017
Nach Ablehnung des Bundesgesetzes über die Reform der Altersvorsorge 2020 (AV 2020) im September 2017 wird nun spekuliert, wann und in welcher Form das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) revidiert wird. Der Reformbedarf ist grundsätzlich unbestritten. Der Bundesrat hat im Dezember 2017 entschieden, die beiden Vorlagen AHV und berufliche Vorsorge getrennt und in zwei Etappen anzugehen. Priorität soll nun die AHV haben. Angestrebt wird ein Inkrafttreten der nächsten AHV-Reform im Jahr 2021. Auch die Dringlichkeit in Sachen BVG-Revision ist in Fachkreisen unbestritten. Realistisch ist, dass es bis zur Inkraftsetzung noch mindestens fünf Jahre dauern wird. Ein kurzer Blick zurück auf einige Punkte betreffend die Übergangsgeneration in Entstehung und Entwicklung des BVG ist sinnvoll, um zu erahnen, wohin die Reise gehen könnte. Denn dies ist für eine solide und langfristige Planung – auch der eigenen Vorsorge – hilfreich.
3. DAMALIGE MOTIVATION FÜR DAS KAPITALDECKUNGSVERFAHREN
Die im Jahre 1948 eingeführte AHV betraf sofort die gesamte Bevölkerung. Die Erwerbstätigen finanzierten laufend die Renten. Dieses System des Umlageverfahrens besteht in der AHV bis heute. Die berufliche Vorsorge BVG unterscheidet sich fundamental vom AHV-System. Jede erwerbstätige Person soll mittels Zwangssparbeiträgen, finanziert durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sukzessive ihr eigenes Pensionskassenkapital aufbauen. Dieses soll später zur Finanzierung einer Altersrente verwendet werden. Die persönliche Rente wird demnach während der Erwerbstätigkeit selbst aufgebaut. Bei Rentenbeginn ist das Kapital bereits vorfinanziert (Kapitaldeckungsverfahren).
Mit diesem Vorgehen sollen die staatlichen Ausgaben für die Altersvorsorge bescheidener ausfallen als bei einer eigentlichen Volkspension, vollständig finanziert mittels Umlageverfahren. Auch die private Verantwortung soll gestärkt werden [1].
4. SONDERPROBLEM BETREFFEND DIE EINTRITTSGENERATION
Ein wichtiger Unterschied zwischen dem Kapitaldeckungsverfahren in der beruflichen Vorsorge und dem Umlageverfahren der AHV zeigte sich bei den Auswirkungen von Gesetzesrevisionen auf die Rentenentwicklung und bei Personen, die kurz nach Annahme des Gesetzes in Rente gingen. Geht eine Person direkt nach Annahme eines Gesetzes mit Kapitaldeckungsverfahren in Rente, ergibt dies eine Rente von Franken Null, denn das Kapital ist noch nicht angespart.
Beim Umlageverfahren wirken sich beschlossene Rentenerhöhungen grundsätzlich für alle im selben Zeitraum genau gleich aus. Wenn beispielsweise die AHV-Renten durch eine Gesetzesänderung oder teuerungsbedingt angepasst werden, betrifft dies Rentner und Personen, die nächstens in Rente gehen, im genau gleichen Ausmass wie ältere Rentner [2].
Dies ist in einem System des Kapitaldeckungsverfahrens, wie oben aufgezeigt, jedoch anders. Denn die Altersrente ist von zwei Parametern abhängig, nämlich von der Höhe des angesparten Kapitals und dem angewandten Umwandlungssatz. Wenn sich nun einer dieser beiden Faktoren verändert, ergibt es eine andere Rente. Sinkt der Umwandlungssatz, muss zwingend ein höheres Kapital zur Verfügung stehen, wenn trotzdem eine gleich hohe Rente resultieren soll.
5. DAMALIGE ANSÄTZE FÜR DIE EINTRITTSGENERATION
Dieser Problematik war man sich schon damals bewusst. Trotzdem war es zu Beginn des Gesetzgebungsprozesses ein Hauptanliegen, geeignete Instrumente zu finden. Diese Massnahmen sollten Personen, die kurz nach Annahme des Gesetzes in Rente gingen, eine Mindestrente garantieren. In einem reinen Kapitaldeckungsverfahren war dies jedoch nur mit zwei Lösungsansätzen möglich; mit Sondereinschüssen auf die persönlichen Konti dieser Personengruppen und/oder höheren Altersgutschriften (resp. höheres Zwangssparen) für die restlichen Jahre des Sparprozesses.
Rasch zeigte sich, dass der Kapitalbedarf für dieses Ziel sehr hoch und dementsprechend kaum finanzierbar ist. Deshalb blieb am Schluss von den zahlreich angedachten Massnahmen nicht mehr viel übrig. Eine damals ergriffene Massnahme ist im heutigen BVG noch ersichtlich, nämlich die altersgestaffelten Minimalgutschriften [3].
6. LÖSUNGSANSATZ DER AV 2020 FÜR DIE ÜBERGANGSGENERATION
Aufgrund der beiden Tatsachen, dass die Vermögenserträge gegenüber den Vorjahren gesunken sind und die Personen immer älter werden, war eine Reduktion des Umwandlungssatzes gegeben. Trotzdem wurde als Ziel definiert, dass die Leistungen auf demselben Niveau bleiben sollen. Ausgehend von diesen Gegebenheiten blieben nur noch zwei Lösungsansätze für die Beibehaltung des Rentenniveaus: Den Sparprozess so zu gestalten, dass im Zeitpunkt der Pensionierung mehr Kapital vorhanden ist und/oder den Pensionierungszeitpunkt später anzusetzen, damit der Sparprozess länger dauert und die Rente für einen kürzeren Zeitraum finanziert werden muss.
«Das beim Start des Revisionsprozesses gemachte Versprechen, das Rentenniveau trotz sofortiger Reduktion des Umwandlungssatzes zu halten, zeigte sich als eigentliche Knacknuss.»
Aufgrund der bereits bestehenden Altersgutschriftenstaffelung [4], deren Grund bekanntlich bei der Übergangsgeneration 1985 zu suchen ist, wurden zwei Lösungsansätze diskutiert, nämlich die Vorverlegung des Beginns des Sparprozesses von Alter 25 auf Alter 20 oder früher sowie die Erhöhung der Altersgutschriften in jüngeren Jahren. Eine Heraufsetzung des ordentlichen Pensionierungszeitpunkts über Alter 65 wurde als zu grosse Hürde im Abstimmungskampf beurteilt. Als ein Ansatz wurde vielfach die Einführung einer linearen Altersgutschriftenskala ins Feld geführt. Als Teillösung war in der Vorlage vorgesehen, dass die Altersgutschriften zwischen Alter 34 und 54 um 1% erhöht werden [5]. All diese Lösungsansätze hätten zwar dazu geführt, dass für jüngere Versicherte das Sparziel erhöht wird. Für Personen über dem Alter 55 hätte es jedoch, bezogen auf den Restsparprozess, keinerlei Auswirkung mehr gehabt. Zusätzlich war eine Bestimmung vorgesehen, die im Abstimmungskampf kaum Beachtung fand. Für Pensionskassen, die trotz sinkenden Umwandlungssätzen das Leistungsniveau für Rentner garantieren mussten, sollte der «Honigtopf» Sicherheitsfonds herhalten [6]. Was das für finanzielle Auswirkungen für den Sicherheitsfonds selber gehabt hätte und wer Hauptprofiteur gewesen wäre, muss nach dem «Nein» nicht näher untersucht werden.
Das beim Start des Revisionsprozesses gemachte Versprechen, das Rentenniveau trotz sofortiger Reduktion des Umwandlungssatzes zu halten, zeigte sich als eigentliche Knacknuss. Für die Übergangsgeneration gab es innerhalb des Kapitaldeckungsverfahrens im BVG keine realistischen Lösungsmöglichkeiten. Die beiden Varianten, mehr Mittel einzuschiessen oder den Pensionierungszeitpunkt nach hinten zu schieben, waren finanziell und politisch nicht möglich. Es musste deshalb ein anderer Weg gesucht werden; und er wurde gefunden, mittels Querfinanzierung aus dem Topf des Umlageverfahrens. Die Erhöhung der AHV-Renten um CHF 70 für die Übergangsgeneration sollte hier einen Teilausgleich schaffen [7].
7. MOMENTAN PROPAGIERTE LÖSUNGSANSÄTZE
Schon im Abstimmungskampf und auch noch danach haben die beiden bürgerlichen Parteien SVP und FDP immer wieder dargelegt, das Versprechen «Beibehaltung des Rentenniveaus» aufrecht erhalten zu wollen. Die Antwort, wie das innerhalb der beruflichen Vorsorge im Kapitaldeckungsverfahren trotz sinkenden Umwandlungssätzen konkret geschehen soll, sind sie aber bis heute schuldig geblieben.
Als Lösungsansätze wurden zwar immer wieder die Reduktion oder sogar die Abschaffung des Koordinationsabzugs sowie die Erhöhung der Altersgutschriften genannt. Auf den ersten Blick leuchten beide Massnahmen ein. Denn beide Massnahmen haben zur Folge, dass sie das Sparziel, auf den ganzen Sparprozess betrachtet, erhöhen. Wie bereits im 5. Kapitel dargestellt, sind sie aber für ältere Personen praktisch wirkungslos: Denn diese Altersgruppe profitiert kaum noch von diesen vorgeschlagenen Massnahmen. Wird beispielsweise der Umwandlungssatz von 6,8% auf 6% reduziert, entspricht dies einer Rentensenkung von über 10%. Eine 60-jährige Person hat 35 Jahre des Sparprozesses hinter sich. Ein Rentenverlust von 10% kann nicht mehr in den restlichen fünf Jahren mit höheren Altersgutschriften aufgefangen werden.
Weiter ist zu bemerken, dass die heute diskutierten Massnahmen Folgen nach sich ziehen, die im Abstimmungskampf bewusst oder unbewusst übersehen oder verharmlost wurden. Sie führen aber zu merklich höheren Kosten für die Unternehmen. Insbesondere die Reduktion oder sogar Abschaffung des Koordinationsabzugs führt in Branchen im Tieflohnbereich zu massiven Erhöhungen des Pensionskassenaufwands für die Unternehmen. Deshalb werden solche Massnahmen auch in einem künftigen Abstimmungskampf zur Schicksalsfrage.
Zusammenfassend kann es mit zwei Aussagen auf den Punkt gebracht werden. Erstens werden diese Massnahmen schon aus Kostenründen für die Unternehmen mit Widerständen zu kämpfen haben. Zweitens bleiben sie für ältere Personen fast wirkungslos. Massnahmen für die Übergangsgeneration wird es im besten Fall für Löhne im Bereich des BVG-Obligatoriums geben; dies evtl. finanziert aus dem Sicherheitsfonds. Rentenreduktionen für Löhne darüber sind von den Versicherten selbst zu finanzieren.
Abbildung: REALWERTENTWICKLUNGSVERGLEICH
1991–1995
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Realverzinsung alle Jahre 4,0%
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Nominelle Zunahme (Zinseszins)
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121,6%
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(von Basis 100)
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Teuerungsbedingter Realwertverlust 1
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–13,2%
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108,4%
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Realwertzuwachs in 5 Jahren
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8,4%
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2013–2017
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Realverzinsung 2013 1,5%, 2014 1,75%, 2015 1,75%, 2016 1,25%, 2017 1,0%
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Nominelle Zunahme (Zinseszins)
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107,5%
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(von Basis 100)
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negative Teuerung (=Realwertgewinn)1
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+ 0,5%
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108,0%
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Realwertzuwachs in 5 Jahren
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8,0%
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1 Quelle: Bundesamt für Statistik, Neuchâtel, Landesindex der Konsumentenpreise
8. STAND HEUTE
Ausgehend von den Bundesratszielen, veröffentlicht im Dezember 2017, kann realistischerweise frühestens in fünf Jahren mit einer Inkraftsetzung einer BVG-Revision gerechnet werden. Das heisst konkret, dass der Mindestumwandlungssatz von 6,8% [8] für die Löhne im Bereich des BVG-Obligatoriums bis zur nächsten Gesetzesrevision bestehen bleibt. Die Mindestverzinsung des Kapitals für die Löhne im obligatorischen Bereich wird weiterhin jährlich durch den Bundesrat festgelegt [9].
Das heisst auch, dass sich die Probleme vor allem für Pensionskassen mit vielen Destinatären im BVG-Obligatorium verschärfen, solange die Tiefzinsphase anhält. Momentan ist nicht davon auszugehen, dass sich dies kurzfristig massiv ändert. Dieser gesetzesbedingte Umverteilungsmechanismus zulasten der Erwerbstätigen sollte jedoch gestoppt werden; aber wie? Pensionskassen mit Lohnbestandteilen im überobligatorischen Bereich können dies mit der Senkung der Umwandlungssätze für diesen Teil abfedern.
9. ZWEI ARGUMENTE ZUR SENKUNG DES UMWANDLUNGSSATZES
9.1 Vorübergehendes Phänomen: tiefe Verzinsung.
Die Notwendigkeit, den Mindestumwandlungssatz zu senken, wird teilweise mit der momentan tiefen Verzinsung der Vermögensanlagen begründet. Das leuchtet ein. Ungewiss ist jedoch, wie lange diese Phase noch anhält. Diese momentan tiefe Verzinsung des vorhandenen Kapitals für die Sparergeneration wird immer wieder angeprangert. Daraus wird geschlossen, dass der Sparprozess der Erwerbstätigen leidet. Dies ist jedoch in einem weiteren Rahmen zu beurteilen. Die rein nominelle Betrachtung der tiefen Verzinsung der Vermögensanlagen zeigt nur die halbe Wahrheit. Richtig ist, die reale Verzinsung, das heisst unter Mitberücksichtigung der Inflation, zu messen. Denn mit einer Inflation erleidet das angesparte Kapital einen Realverlust (vgl. Abbildung).
Die beiden Fünf-Jahres-Vergleiche zeigen ein interessantes Bild. In den Jahren 1991–1995 vermehrte sich das Vermögen dank der Verzinsung von jährlich 4% zwar auf 121,6%. Teuerungsbedingt wurde diese hohe Verzinsung zu einem grossen Teil wieder weggefressen. Die Realrendite betrug pro Jahr noch ca. 1,6% oder auf die ganzen fünf Jahre gerechnet 8,4%.
In den Jahren 2013–2017 war die Verzinsung zwar massiv tiefer; logischerweise vermehrte sich das Vermögen nominell «nur» auf 107,6%. Wegen der negativen Teuerung von 0,5% stieg das Vermögen real fast im selben Umfang wie in den Jahren 1991 bis 1995.
9.2 Anhaltendes Phänomen: Anstieg der Lebenserwartung
Anders als das Phänomen der momentan tiefen Verzinsung und sehr tiefen Teuerung ist die steigende Lebenserwartung zu beurteilen. Dieser Anstieg ist für alle augenfällig und ändert sich in den nächsten Jahren kaum. Gewisse Prognosen tendieren zwar dahin, dass dieser Anstieg in ferner Zukunft stagniert oder sogar wieder rückläufig wird. Auf eine solche Tendenz zu «hoffen», ist jedoch ein schlechter Ratgeber. Deshalb werden die mathematisch richtigen Umwandlungssätze auch sinken, wenn das Phänomen der tiefen Verzinsung irgendwann wieder wegfällt.
10. AUSWIRKUNGEN DER INFLATION AUF DIE RENTEN
Das BVG enthält keine zwingenden Vorschriften in Sachen Teuerungsausgleich von Altersrenten analog der AHV [10]. Eine teuerungsbedingte Anpassung ist nur für Risikorenten vorgesehen [11].
Das führt dazu, dass bei einer künftigen Inflation die Altersrenten nicht angehoben werden müssen. Im Klartext heisst dies, dass in einer Inflationsphase die Altersrenten real betrachtet sinken. Die Teuerung frisst so quasi einen Teil der Rente weg. Im Umkehrschluss heisst dies, dass der Realwert erhalten bleibt, wenn die Inflation Null beträgt.
11. ZWISCHENFAZIT
Nach Ablehnung der Vorlage AV 2020 wird der im Gesetz niedergeschriebene Mindestumwandlungssatz für Löhne im obligatorischen Bereich von 6,8% bestehen bleiben. Solange die Tiefzinsphase anhält, wird in Pensionskassen mit vielen Destinatären im Bereich des BVG-Obligatoriums der Umverteilungsprozess weitergehen.
Aufgrund der politischen Landschaft ist weiter der Schluss zu ziehen, dass für Renten über dem BVG-Obligatorium die Umwandlungssätze sinken. Sondermassnahmen für diesen Bereich wird es im Rahmen einer nächsten BVG-Revision nicht geben. Dies wäre reines Wunschdenken. Das bestehende BVG enthält zwar noch Bestimmungen betreffend diese frühere Eintrittsgeneration (heute Übergangsgeneration) [12]. Diese gelten jedoch bevorzugt für kleine Einkommen und finden für Löhne über dem BVG-Obligatorium keine Anwendung.
«Das heisst, dass sich die Probleme vor allem für Pensionskassen mit vielen Destinatären im BVG-Obligatorium verschärfen, solange die Tiefzinsphase anhält.»
Personen über Alter 50 tun deshalb gut daran, bereits heute bestehende Möglichkeiten der Vorsorgeoptimierung auszuloten und soweit finanziell machbar umzusetzen. Aber auch die Arbeitgeber sind gefordert, die bestehenden Reglemente dieser Situation anzupassen.
12. «CHANCEN» EINES ALLFÄLLIGEN ZINSANSTIEGS
Sollte in einigen Jahren die Zins- und Inflationskurve wieder nach oben zeigen, entstehen neue Perspektiven für die Pensionskassen oder die Destinatäre. Drei Szenarien sind denkbar:
→ Szenario 1: Beibehaltung des Status quo für die Verzinsung der Altersguthaben und Verzicht auf inflationsbedingte Rentenerhöhungen;
→ Szenario 2: höhere Verzinsung der Altersguthaben für die aktive Generation;
→ Szenario 3: inflationsbedingte Rentenerhöhungen für die Rentner.
Es darf spekuliert werden, was, wann und in welchem Umfang eintrifft. Im Folgenden soll die wahrscheinlichste Entwicklung dargestellt werden.
12.1 Beibehaltung des Status quo.
Wird bei einem späteren Zinsanstieg die Verzinsung der Altersgutschriften nicht adäquat erhöht, profitiert die Pensionskasse. Sie ist somit in der Lage, sich zu sanieren. Wenn dieser Zinsanstieg durch einen Anstieg der Inflation begleitet wird, stellt sich weiter die Frage, ob bei Rentnern eine Rentenanpassung angesagt ist. Bekanntlich besteht hier, wie bereits erwähnt, keine gesetzliche Notwendigkeit. Wenn auch dies unterlassen wird, bildet dies ein weiteres Feld, die Kapitalbasis für die Pensionskasse zu verbessern. Vor allem bei Pensionskassen mit einem tiefen Deckungsgrad oder Vollversicherungskassen muss vermutet werden, dass ein solcher Zinsanstieg zu Beginn dazu genutzt würde, die Situation der Pensionskasse zu konsolidieren.
«Teuerungsbedingt wurde die hohe Verzinsung zu einem grossen Teil wieder weggefressen.»
12.2 Höhere Verzinsung der Altersgutschriften.
Bei steigenden Zinsen wird schnell der Ruf nach höherer Verzinsung der Altersgutschriften der Erwerbstätigen laut. Soweit die Pensionskassen aufgrund ihrer Vermögenssituation in der Lage sind, wird dies eventuell verzögert gemäss Abschnitt 12.1 einsetzen.
Insbesondere in Pensionskassen, bei denen in den letzten Jahren der Tiefzinsphase eine Umverteilung von den Aktiven zu den Rentnern stattgefunden hat, wäre dies angezeigt. Mit diesem Schritt könnte ein Teil dieser Umverteilung über die Jahre wieder ausgeglichen werden. Es ist zu vermuten, dass dies in einem zweiten Schritt umgesetzt würde.
12.3 Inflationsbedingte Rentenerhöhungen.
Wenn parallel zur Zinssteigerung auch die Inflation steigt, wird auch der Druck von Rentnerseite kommen, hier Massnahmen zu ergreifen. Realistischerweise wird dies jedoch erst zeitlich verzögert und eher defensiv erfolgen. Dies hat zwei Gründe:
→ Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung;
→ aufgrund der bestehenden Umverteilungstendenzen in der jetzigen Tiefzinsphase haben die Massnahmen gemäss den Abschnitten 12.1 und 12.2 Vorrang.
Daraus ist zu schliessen, dass inflationsbedingte Rentenerhöhungen spät einsetzen und kaum den ganzen Realverlust ausgleichen werden.
13. FAZIT
Für Personen, die in den nächsten Jahren in Rente gehen, ist das Fazit relativ einfach aber hart: Sondermassnahmen wegen sinkenden Umwandlungssätzen wird es in einer nächsten BVG-Revision nicht geben. Deshalb werden die Renten mit der Senkung der Umwandlungssätze schon zu Rentenbeginn tiefer sein. Sollte eine grössere Inflation einsetzen, werden diese bereits zu Beginn tieferen Renten zusätzlich noch jährlich einen Realverlust erleiden, da inflationsbedingte Rentenerhöhungen in den nächsten Jahren nicht erwartet werden dürfen.
Die Generation im Alter 50 bis 65 ist gefordert, Massnahmen im eigenen Interesse einzuleiten, die ihre persönliche Vorsorge verbessern. Dazu gehören Massnahmen wie Nutzen von bereits bestehendem Nachzahlungspotenzial (Einkäufe ins BVG), freiwillig höhere Arbeitnehmerbeiträge oder längeres Verbleiben im Arbeitsprozess. Viele dieser Massnahmen sind aber auch abhängig vom geltenden Modell des Arbeitgebers und der allgemeinen Wirtschafts- und Beschäftigungslage. Deshalb wird der Druck auf die Arbeitgeber, möglichst massgeschneiderte Pensionskassenlösungen anzubieten in den nächsten Jahren noch zunehmen. Hier ist eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern der Pensionskasseneinrichtungen gefragt.
Text erschienen im EXPERT FOCUS 6-7/2018
Anmerkungen:
1) Bundesblatt 2. Febr. 1976 128. Jahrgang, Band 1.
2) Art. 33ter AHVG.
3) Art. 16 BVG.
4) Art. 16 BVG.
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5) Art. 16 E-BVG, Vorlage AV 2020.
6) Art. 56 Abs. 1 i E-BVG gemäss AV 2020.
7) AV 2020, Änderung Art. 23 a AHVG.
8) Art. 14 Abs. 2 BVG.
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9) Art. 15 Abs. 2 BVG.
10) Art. 33ter AHV.
11) Art. 36 BVG.
12) Art. 32 BVG.
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