So ist die Aktionärs-GV kein Buch mit sieben Siegeln
Auch wenn kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die als Aktiengesellschaft firmieren, ihre Generalversammlungen (GV) relativ unkompliziert durchführen können, müssen sie doch einige wichtige Punkte beherzigen. Tatsache ist: Wer seine GV gemäss den gesetzlichen Vorgaben einberuft und abwickelt, erspart sich viele Probleme. Wir weisen Sie in diesem Fachforum auf zentrale GV-Themen hin.
Frage
Worauf muss ein KMU beim Durchführen seiner jährlichen GV achten?
Antwort
Bei KMU werden die ordentlichen (= die einmal jährliche, spätestens sechs Monate nach Geschäftsabschluss stattfindenden) und die ausserordentlichen (= je nach Bedürfnis einberufenen) Generalversammlungen meistens als Universalversammlung durchgeführt. Dies bedeutet, dass an der GV sämtliche Aktionäre anwesend oder vertreten sind und – sofern kein Aktionär Widerspruch gegen die Durchführung als Universalversammlung oder gegen einzelne Traktanden erhebt – die GV ohne Einhaltung der gesetzlichen und statutarischen Einberufungsformalitäten über alle Gegenstände gültig entscheiden kann. Die Universalversammlung erlaubt es den Aktionären somit, kurzfristig und ohne Einhalten der für die Einberufung vorgeschriebenen Formvorschriften eine beschlussfähige GV abzuwickeln.
Natürlich kann es vorkommen, dass zwischen den Aktionären Uneinigkeit herrscht. Damit sie in solchen Fällen an den Generalversammlungen weiterhin rechtsgültige Beschlüsse fassen können, muss die GV ordnungsgemäss einberufen und durchgeführt werden. Ansonsten wird die Anfechtung oder die Nichtigkeit der GV-Beschlüsse riskiert. Die folgenden Ausführungen informieren über das ordnungsgemässe Einberufen der Generalversammlung einer Aktiengesellschaft sowie das rechtsgültige Durchführen der GV einer Aktiengesellschaft.
Wie wird die GV einer Aktiengesellschaft ordnungsgemäss einberufen?
Einberufungsrecht: Das Einberufen der GV erfolgt grundsätzlich und meistens durch den Verwaltungsrat. Das Einberufungsrecht steht jedoch unter bestimmten Voraussetzungen auch der Revisionsstelle, dem Liquidator, dem Vertreter der Anleihensgläubiger oder den Aktionären, die mindestens 10% des Aktienkapitals vertreten, zu.
Einberufungsfrist: Die Aktionäre werden spätestens 20 Tage vor der GV-Durchführung eingeladen. Der Tag der Bekanntgabe und der Versammlungstag zählen bei der Fristberechnung nicht mit, d.h. die Einberufungsfrist beginnt am ersten auf den Publikationstag bzw. das Datum des Empfangs der Einladung folgenden Tag zu laufen. Die Statuten können eine längere Frist vorsehen, eine statutarische Verkürzung ist jedoch nicht zulässig.
Einberufungsform: Die Einberufung muss in der durch die Statuten vorgeschriebenen Form erfolgen. Zusätzlich ist gesetzlich vorgeschrieben, dass die Namenaktionäre durch schriftliche Mitteilung und die Inhaberaktionäre durch Bekanntgabe im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) sowie in der von den Statuten vorgeschriebenen Form informiert werden, dass der Geschäftsbericht und der Revisionsbericht am Gesellschaftssitz zur Einsicht aufgelegt sind und dass die Aktionäre unverzüglich die Zustellung dieser Unterlagen verlangen können.
Einberufungsadressaten: Zur GV sind sämtliche Aktionäre, die Mitglieder des Verwaltungsrats sowie – falls die Aktiengesellschaft der ordentlichen Revision untersteht und Beschluss bezüglich Genehmigung der Jahresrechnung und der Gewinnverwendung gefasst wird – die Revisionsstelle einzuladen. Die GV kann jedoch durch einstimmigen Beschluss auf die Anwesenheit der Revisionsstelle verzichten.
Einberufungsinhalt: Die Einladung zur GV enthält die örtlichen und zeitlichen Angaben, die Verhandlungsgegenstände (Traktandenliste), die Anträge sowie allenfalls den Hinweis auf die Auflage des Geschäfts- und Revisionsberichts sowie Anordnungen des Verwaltungsrats betreffend der ordnungsgemässen Kontrolle und Abwicklung der Stimmrechtsausübung (je nach Grösse und Organisation der Gesellschaft). Aktionäre, die alleine oder zusammen Aktien mit einem Nennwert über CHF 1 Million halten, können einzelne Gegenstände traktandieren lassen.
Wie wird die GV einer Aktiengesellschaft rechtsgültig durchgeführt?
Zulassungsprüfung: Die Zulassungsprüfung obliegt dem Verwaltungsrat. Sie dient dem Feststellen der Stimmrechte sowie dem Berechnen und Ermitteln von Beschluss- und Präsenzquoren. Die Legitimation der Namenaktionäre erfolgt über den Eintrag im Aktienbuch, jene der Inhaberaktionäre durch den Ausweis über den Besitz der Aktien. Daher ist es unerlässlich, das Aktienbuch sorgfältig und vollständig zu führen.
Vertretung: Jeder Aktionär kann seine Aktien an der GV selbst vertreten oder durch einen Dritten vertreten lassen, der – unter Vorbehalt abweichender statutarischer Bestimmungen – nicht Aktionär zu sein braucht. Die Statuten können jedoch vorsehen, dass nur Aktionäre als Vertreter zugelassen werden. Demgegenüber kann statutarisch die gesetzliche Vertretung (Organvertreter bei juristischen Personen als Aktionär, Inhaber der elterlichen Gewalt, Beistand) nicht beschränkt werden. Bei Namenaktien hat sich der Vertreter eines Aktionärs durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen.
Protokoll: Über die GV muss der Verwaltungsrat schriftlich Protokoll führen. Jeder GV-Beschluss über die Änderung der Statuten ist zusätzlich öffentlich zu beurkunden. Der Mindestinhalt ist gesetzlich vorgeschrieben. Er enthält (neben der Benennung des Dokuments als Protokoll, dem Namen der Gesellschaft, dem Datum, Ort und der Art der GV) die Anzahl, Art, Nennwert und Kategorie der Aktien, die von den Aktionären, den Organen, von unabhängigen Stimmrechtsvertretern und von Depotvertreter vertreten werden, die Beschlüsse und die Wahlergebnisse, die Begehren um Auskunft und die darauf erteilten Antworten sowie die von den Aktionären zu Protokoll gegebenen Erklärungen. Es wird nicht verlangt, dass der Verlauf der Debatte wortwörtlich protokolliert wird; vielmehr ist ein Beschlussprotokoll zu verfassen. Die Angabe des Abstimmungsergebnisses zu jedem Beschluss ist obligatorisch. Schliesslich müssen der Vorsitzende und der Protokollführer das Protokoll unterzeichnen. Wie die weiteren Gesellschaftsakten sind auch die Protokolle während zehn Jahren aufzubewahren.
Wahl Versammlungsleiter: Das Gesetz äussert sich nicht zur Wahl des Versammlungsvorsitzenden, weshalb oft die Statuten vorsehen, dass der Präsident des Verwaltungsrats den GV-Vorsitz übernimmt. Ist der Präsident verhindert, bestimmt der Verwaltungsrat ein anderes Mitglied zum Vorsitzenden.
Bezeichnung Protokollführer und Stimmenzähler: Wie beim Versammlungsleiter äussert sich das Gesetz auch nicht zur Wahl des Protokollführers und Stimmenzählers, weshalb auch hier oft statutarisch bestimmt wird, dass der Vorsitzende den Protokollführer und den Stimmenzähler, die nicht Aktionäre zu sein brauchen, bezeichnet.
Verhandlung und Anträge im Rahmen des Verhandlungsgegenstands: Jeder Aktionär hat Anspruch darauf, sich zu den traktandierten Geschäften während der Generalversammlung zu äussern und zu allen Verhandlungsgegenständen Anträge zu stellen.
Beschlussfassung
Die GV fasst grundsätzlich – soweit das Gesetz oder die Statuten nichts Anderes bestimmen – Beschlüsse (Abstimmungen und Wahlen) mit der absoluten Mehrheit der vertretenen Aktienstimmen. Es handelt sich dabei um ein Beschlussquorum, das nicht von der Anwesenheit einer bestimmten Anzahl von Aktienstimmen, eines bestimmten Anteils am Aktienkapital oder einer bestimmten Anzahl von Aktionären abhängt. Für die Annahme eines Antrags braucht es somit die Zustimmung von mehr als der Hälfte der massgebenden Stimmen. Bei gerader Zahl ist die absolute Mehrheit die Hälfte plus eine Stimme, bei ungerader Zahl die Hälfte plus eine halbe Stimme. Stimmenthaltungen und ungültig abgegebene Stimmen wirken sich wie Nein-Stimmen aus.
Für wichtige Beschlüsse (z.B. Änderung des Gesellschaftszwecks, Verlegung des Sitzes, Auflösung der Gesellschaft) sieht das Gesetz ein qualifiziertes Mehr vor: erforderlich sind mindestens zwei Drittel der vertretenen Stimmen und die absolute Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte. Da es sich ebenfalls um ein Präsenzquorum handelt, kann unter Umständen ein einziger Aktionär mit seiner Stimmabgabe das qualifizierte Mehr erreichen. Stimmenthaltungen und ungültig abgegebene Stimmen wirken ebenfalls wie Nein-Stimmen. Eine Erschwerung des qualifizierten Mehrs darf in den Statuten grundsätzlich vorgesehen werden, eine Erleichterung des qualifizierten Mehrs hingegen nicht. Vorbehalten bleiben anderslautende statutarische Bestimmungen.
Zirkularbeschluss: Die Beschlussfassung durch die GV auf dem Zirkularweg ist bei der Aktiengesellschaft – im Gegensatz zu Beschlüssen des Verwaltungsrats – unzulässig, auch dann, wenn sämtliche Aktionäre zugestimmt haben.