Die Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten der geltenden BVG-Bestimmungen
Die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter sind für die Pensionskassenlösung in KMU zuständig. Unterschiedliche Auffassungen betreffend Kosten für das Unternehmen, oder die Ausbau- und Nutzungsmöglichkeiten für die einzelnen Destinatäre sind ernst zu nehmen. Lösungen mit einer hohen Flexibilität für die einzelnen Destinatäre sind jedoch meist auch im Interesse der Arbeitgeber.
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1. EINLEITUNG
Das Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge (BVG) legt für Pensionskassen lediglich Mindeststandards fest, hält aber einen grossen Gestaltungsspielraum offen und lässt grosszügige Lösungen zu. Der Handlungsspielraum ist für KMU bereits heute erstaunlich gross. Aus Arbeitgebersicht werden Pensionskassenlösungen in vielen Fällen in erster Linie betreffend Kostenfolgen für das Unternehmen beurteilt. Nach Ablehnung des Bundesgesetzes über die Reform der Altersvorsorge 2020 (AV 2020) im September 2017 durch das Schweizervolk muss in KMU ein Umdenken stattfinden. Denn eine gut ausgebaute Pensionskassenlösung mit individuellen Optimierungsmöglichkeiten für die Destinatäre kann zum entscheidenden Kriterium bei Personalanstellungen werden und zum Erfolg des Unternehmens beitragen.
Dabei muss die Rollenverteilung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern richtig verstanden werden. Für die Gestaltung sind rechtlich die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter zuständig. Ob die den Arbeitnehmern zusätzlich zur Verfügung gestellten Instrumentarien auch genutzt werden, ist eine private Angelegenheit der Destinatäre. Auch KMU-Inhabern kann es weiteren privaten Handlungsspielraum in der eigenen Vorsorge oder in der Planung der Unternehmensnachfolge bieten. Dieser Handlungsspielraum wird heute vor allem den Mitarbeitern von Grosskonzernen in der Finanzbranche wie Banken und Versicherungen geboten. Bei KMU wird die Thematik noch zu wenig erkannt.
2. GRUNDSÄTZE
Das Obligatorium fusst auf dem Beitragsprimat [1]. Bezogen auf die Altersleistung ist dies das transparenteste Vorgehen. Die Grundlage bildet das bisher angesparte und verzinste Vermögen gemäss Vorsorgeausweis. Bei einer Rentenauszahlung wird das vorhandene Kapital mithilfe eines Umwandlungssatzes in eine Jahresrente umgerechnet.
Heikler in Sachen Berechnung, Transparenz und Leistungshöhe ist das Festlegen von Versicherungsleistungen im Schadenfall (Invalidität, Todesfall) während der Aktivphase. Grundlage bildet auch hier das bereits vorhandene Vorsorgevermögen [2]. Zusätzlich werden für die noch fehlenden Jahre die Altersgutschriften bis zum ordentlichen Rentenalter addiert. Diese werden allerdings nicht verzinst. Dies führt vor allem für jüngere Destinatäre im Versicherungsfall zu tiefen Renten.
Wichtige Grundsätze in der Vorsorge sind die Kollektivität, die Angemessenheit und die Planmässigkeit. Auf 1. Januar 2006 wurde die Angemessenheit auf Verordnungsstufe näher definiert respektive die Ausbaumöglichkeiten nach oben normiert [3]. Hier herrscht heute eine höhere Rechtssicherheit.
3. GRUPPENBILDUNG ALS VORBEREITUNG FÜR AUSBAUTEN
Die Erwartungshaltung an eine Pensionskassenlösung ist bei den betroffenen Personen je nach Alter, Einkommenshöhe und/oder Privatsituation völlig unterschiedlich. Während für jüngere Personen die Versicherungsdeckung im Schadenfall erstrangig ist, gewinnt das Vorsorgesparen mit zunehmendem Alter an Bedeutung. Ob zusätzliches Vorsorgesparen für die Einzelperson sinnvoll ist, hängt zusätzlich von der Einkommenshöhe und den privaten Gegebenheiten ab. Unternehmensinhaber haben ab einem gewissen Alter meist völlig andere Ansprüche an die Pensionskasse. War es früher vorwiegend die Versicherungsdeckung im Schadenfall, rückt mit zunehmendem Alter die Flexibilität und das steueroptimierte Vorsorgesparen in den Vordergrund.
Diesen unterschiedlichen Interessen kann das Unternehmen am besten gerecht werden, wenn verschiedene Pensionskassengruppen gebildet und gruppenspezifische Prioritäten gesetzt werden. Sollen die unterschiedlichen Bedürfnisse optimal erfüllt werden, sind heute in einem Unternehmen meist zwei bis drei Pensionskassengruppen zu bilden [4]. Die Praxis zeigt, dass vor allem mit den beiden in der Verordnung spezifisch genannten Kriterien Lohnhöhe und Alter bedürfnisgerechte Gruppen gebildet werden können. Bezogen auf das Kriterium Alter ist aber Vorsicht geboten. Wenn die Altershürde bewusst so angesetzt ist, dass die Aufnahme von weiteren Destinatären als fast ausgeschlossen erscheint, kann das eine Verletzung der Kollektivität sein [5]. In solchen Fällen kann eine À-la-carte-Lösung vorliegen, die das Kollektivitätsprinzip verletzt.
In den meisten Fällen kann so sachgerecht eine Gruppe gebildet werden, der nur die Inhaber von KMU (Aktiengesellschaft oder GmbH) angehören [6]. Insbesondere bei gewünschten Steueroptimierungsmassnahmen in Kombination mit Vorsorgebestimmungen vor einer anstehenden Nachfolgeregelung kann eine spezifische Gruppenbildung wertvoll sein. Diese virtuelle Kollektivität ist für selbstständig Erwerbende ausgeschlossen [7]. Dies bedeutet für diese meist eine Einschränkung, soweit nicht grosszügige Branchenlösungen vorhanden sind.
Die Zugehörigkeit zur entsprechenden Gruppe ist kein Wunschkonzert der Destinatäre. Denn die Definition ist für die Destinatäre verbindlich. Ein Wahlrecht, insbesondere den Verzicht auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit höheren Altersgutschriften ist nicht möglich. Ein solches Wahlrecht verletzt den Grundsatz der Kollektivität [8]. Nach dem Gruppenbildungsprozess sind die einzelnen Elemente wie Altersgutschriften, Versicherungsleistungen, Begünstigung usw. gruppenspezifisch zu definieren. Dies kann nach den Bedürfnissen dieser Gruppenangehörigen erfolgen, was dem Zweck der unterschiedlichen Gruppen entspricht.
4. DEFINITION DER ALTERSGUTSCHRIFTEN
4.1 Ausgangslage. Das BVG gibt in Sachen Altersgutschriften lediglich ein Minimum vor. Ein Pensionskassenmodell muss, über den ganzen Sparprozess gerechnet, diesen unteren Rahmen einhalten. Dem Maximum sind ebenfalls Schranken gesetzt [9]. Zwischen Minimum und Maximum besteht ein hoher Gestaltungsrahmen. Diesen gilt es pro Gruppe aufgrund der Bedürfnisse dieses Kollektivs auszuloten und zu nutzen. Die Definition der Altersgutschriftenskala ist die wichtigste Komponente in der Ausgestaltung der einzelnen Gruppe für beide Parteien. Für die Arbeitgeber werden hier die meisten Kosten generiert. Für die Arbeitnehmer wird hier das maximal mögliche Sparpotenzial definiert und somit auch ein wichtiger Teil der Grundlage für individuelle Nachzahlungsmöglichkeiten gelegt.
4.2 Zulässige Höhe für Löhne im obligatorischen Bereich. Das BVG sieht als Minimum eine im Alter steigende Skala mit minimalen Altersgutschriften ab Alter 25 vor [10]. In der Ausgestaltung einer Skala ist es möglich, statt einer im Alter steigenden Skala lineare Altersgutschriften zu definieren. Die richtige Ausgestaltung dieser Skala bildet das Herzstück des Pensionskassenplanes. Denn je nach avisiertem Ziel ist die Skala unterschiedlich zu gestalten.
→ Soll ein hohes Nachzahlungspotenzial erschlossen werden, sind die Altersgutschriften der ersten Sparjahre (konkret Alter 25–45) höher anzusetzen. → Sollen hohe ordentliche Altersgutschriften erreicht werden, sind die Altersgutschriften der «Gegenwart» möglichst hoch anzusetzen. → Will man ein hohes Potenzial zur Finanzierung eines vorzeitigen Altersrücktritts schaffen, sind die Altersgutschriften vor der ordentlichen Pensionierung (in der Regel Alter 55–65) möglichst hoch anzusetzen.
Die Möglichkeiten nach oben sind begrenzt [11]. Es ist zu beachten, dass es sich hier um eine Oder-Regel handelt. Eine der beiden Bedingungen muss eingehalten sein. Deshalb ist es möglich, eine Skala mit über 25% Altersgutschriften zu definieren, wenn die Leistungsobergrenze von 70% des letzten versicherbaren AHV-pflichtigen Lohns nicht überschritten wird [12]. Abbildung 1 verdeutlicht dies.
Abbildung 1: ANGEMESSENHEITSBERECHUNGEN IM OBLIGATORISCHEN BEREICH
Annahmen: AHV-Lohn CHF 80'000/Verzinsung PK-Kapital 1,5% jährlich
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Altersgutschriften |
Theoretisches Alterskapital mit 65 Jahren in CHF |
Theoretische PK-Rente (Umwandlungssatz 6,8%) in CHF |
Angemessenheitsschranke gem. Art. 1 BVV2 |
A |
gestaffelt 7%/10%/15%/18% (BVG-Minimum) |
396'000 |
26'290 |
eingehalten (Minimum) |
B |
linear 20% |
910'000 |
61'880 |
Beitragsmaximum gemäss Art. 1 Abs. 2 Ziff. b BVV 2 eingehalten |
C |
linear 25% |
1'138'000 |
77'380 |
Beitragsmaximum gemäss Art. 1 Abs. 2 Ziff. b BVV 2 eingehalten |
D |
gestaffelt
– 10% bis Alter 34
– 15% bis Alter 54
– 30% bis Alter 65
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755'000 |
51'340
(64% von AHV-Lohn)
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Leistungsmaximum von 70% gemäss Art. 1 Abs. 2 Ziff. a eingehalten |
4.3 Andere Kontrollrechnung im überobligatorischen Bereich. Bei Löhnen über dem oberen Grenzbetrag von momentan CHF 84600 [13] ist eine andere Hürde zu beachten. Die beiden Altersrenten aus Pensionskasse und AHV zusammen dürfen nicht mehr als 85% des letzten versicherbaren AHV-pflichtigen Lohns betragen [14]. Diese Hürde führt vor allem bei Löhnen zwischen CHF 84'600 und ca. CHF 150'000 zu ungeliebten Einschränkungen. In Abbildung 2 ist bei einer Altersgutschrift von linear 20% und einem AHV-Lohn von CHF 150'000 beim Fall B die Obergrenze verletzt, da die Leistung gesamthaft 87% ergibt. Wird nun die Lohnlatte auf CHF 170'000 angehoben, ergibt sich noch eine Gesamtleistung von 84,8% und ist somit eingehalten (Fall D).
Diese Problematik kann meist umschifft werden, indem die Eintrittshürde betreffend die Lohnhöhe für die Gruppenzugehörigkeit hinaufgesetzt wird. Deshalb sind praktisch in jedem KMU im Minimum zwei Gruppen zu bilden.
Abbildung 2: ANGEMESSENHEITSBERECHUNGEN IM OBLIGATORISCHEN BEREICH
Verzinsung 1,5%
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in CHF |
Altersgutschriften |
Theoretisches Alterskapital mit 65 Jahren in CHF |
Theoretische Rente (Umwandlungssatz 6%) (Säule 2) in CHF |
Max. AHV-Rente (Säule 1) in CHF |
Total Leistungen gem. Art. 1 Abs. 3 BVV2 in CHF |
A |
Lohn 150'000 |
gestaffelt
-10% bis Alter 34
-20% bis Alter 54
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1'629'000 |
97'740 |
28'200 |
125'940
84% (eingehalten)
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B |
linear 20% |
1'707'000 |
102'420 |
28'200 |
130'620
87% (verletzt)
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C |
linear 25% |
2'134'600 |
128'160 |
28'200 |
156'360
104% (verletzt)
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D |
Lohn 170'000 |
linear 20% |
1'935'286 |
116'100 |
28'200 |
144'300
84,8% (eingehalten)
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4.4 Auswirkungen sinkender Umwandlungssätze. Aufgrund der oben aufgezeigten Obergrenzen ist immer eine Kontrollrechnung anzustellen, ob mit den definierten Altersgutschriften die Angemessenheitsbestimmungen eingehalten sind. Die heutigen Berechnungen im Rahmen des BVG-Obligatoriums betreffend maximale Leistungshöhe von 70% sind noch mit einem Umwandlungssatz von 6,8% unterlegt. Die AV 2020 sah eine Reduktion auf 6% vor [15]. Rechnerisch hätte sich eine Leistungseinbusse von ca. 12% ergeben. Folgerichtig hätte dies dazu geführt, dass in vielen Plänen höhere Altersgutschriften möglich gewesen wären, ohne die Leistungsobergrenze zu verletzen. Denn die drei massgebenden Pfeiler für die Berechnung einer Altersrente sind die laufenden Altersgutschriften, die jährliche Verzinsung sowie der Umwandlungssatz.
Bei Pensionskassen mit Lohnbestandteilen über dem obligatorischen Bereich wurden (oder werden) die Umwandlungssätze massiv gesenkt. Eine Senkung des Umwandlungssatzes ist für die Betroffenen zwar nicht erfreulich. Es kann aber neuen Spielraum bei Altersgutschriftskalen geben. Bei einer Senkung des Umwandlungssatzes erhöht sich die Latte betreffend die Angemessenheitsbestimmungen. Bezogen auf Abbildung 2 ist die maximale Leistungshöhe in den Beispielen B und C verletzt. In der Abbildung 3 ist dargestellt, wie sich eine Reduktion des Umwandlungssatzes auf diese beiden Fälle auswirkt.
Abbildung 3: SINKENDE UMWANDLUNGSSÄTZE UND ANGEMESSENHEITSSCHRANKE
Verzinsung 1,5%
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Altersgutschriften |
Theoretisches Alterskapital mit 65 Jahren in CHF |
Umwandlungssatz |
Max. AHV-Rente
in CHF
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Total Leistungen gem. Art. 1 Abs. 3 BVV2 |
Lohn
CHF 100'500
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B |
linear 20% |
1'707'000 |
Umwandlungssatz 6%
CHF 102'420
|
28'200 |
CHF 130'620
87% (verletzt)
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Umwandlungssatz 5%
CHF 85'350
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28'200 |
CHF 113'550
75,7% vom AHV-Lohn (neu eingehalten)
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C |
linear 25% |
2'134'600 |
Umwandlungssatz 6%
CHF 128'160
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28'200 |
CHF 156'360
104% (verletzt)
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Umwandlungssatz 5%
CHF 106'700
|
28'200 |
CHF 134'900
89,9% (immer noch verletzt)
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4.5 Freiwillig höhere Arbeitnehmerbeiträge
4.5.1 Grundlagen. Seit 2006 dürfen innerhalb einer definierten Gruppe bis zu drei unterschiedliche Vorsorgepläne angeboten werden. Damit will man den Arbeitnehmern ermöglichen, ihren Sparanteil in einer gewissen Bandbreite selbst zu bestimmen [16]. Der Arbeitgeberanteil muss jedoch in allen innerhalb einer Gruppe angebotenen Plänen gleich hoch sein [17]. Hier ist Kollektivität gefordert. Zweitens darf die Bandbreite im Total nicht mehr als ein Drittel ausmachen [18].
Die Wahl von höheren Arbeitnehmerbeiträgen wirkt sich auf das Nachzahlungspotenzial in beiden Zeitrichtungen aus, nämlich für Deckungslücken aufgrund der Vergangenheitsberechnung sowie für die Finanzierung des vorzeitigen Altersrücktritts. Das Auffüllen einer so entstandenen Deckungslücke in der Vergangenheit sollte unproblematisch sein, wenn der Plan für eine gewisse Zeit beibehalten wird. Die Wahl zwischen verschiedenen Sparplänen gibt den Destinatären neu ein Instrument in die Hand, die Möglichkeiten des anzusparenden Alterskapitals in einem gewissen Rahmen selbst zu bestimmen. Es erstaunt, dass diese Möglichkeit in KMU sehr selten angeboten wird. Denn für die Arbeitgeberseite entstehen daraus keine Mehrkosten.
4.5.2 Finanzierungsparität. Allerdings ist zu beachten, dass bei einem solchen Modell die Einhaltung der Finanzierungsparität in der Praxis zu Problemen führen kann [19]. Deshalb erstellen einzelne Anbieter nur Pläne, bei denen die Finanzierungsparität auch bei der Variante mit den höchsten Altersgutschriften der Destinatäre eingehalten ist. Diese Haltung ist nach Meinung des Autors nicht haltbar. Denn gemäss dem zitierten Artikel müssen die Arbeitgeberbeiträge mindestens gleich hoch sein wie die gesamten Beiträge aller seiner Arbeitnehmer. Es findet hier keine Einzelbetrachtung statt. Im Rahmen der kollektiven Parität ist es beispielsweise möglich, dass die Arbeitnehmerbeiträge der jüngeren Versicherten höher sind als die Arbeitgeberbeiträge, welche ihnen gutgeschrieben werden, während es bei älteren Versicherten genau umgekehrt sein kann [20].
Die Finanzierungsparität für Unternehmen, die den Arbeitnehmern verschiedene Pläne anbieten, muss grundsätzlich nach demselben Prinzip bemessen werden. Wenn beispielsweise drei Pläne angeboten werden, die in der Gesamtbetrachtung die Finanzierungsparität einhalten, ist nichts dagegen einzuwenden. Denn das Angebot von drei Plänen ist ja vor allem für die Arbeitnehmer gedacht. Massgebend ist, dass die Arbeitgeberin bei allen Plänen dieselben Arbeitgeberbeträge entrichtet und in einer Gesamtbetrachtung die Finanzierungsparität eingehalten ist.
5. VERSICHERUNGSPRINZIP
Das BVG-Obligatorium fusst in Sachen Versicherungsanknüpfung auf dem Beitragsprimat [21]. Um bessere Leistungen in einem Versicherungsfall für jüngere Arbeitnehmer zu erreichen, werden heute vielfach die Leistungen an den aktuellen Lohn geknüpft; das heisst, es wird im Versicherungsfall das Leistungsprimat angewendet. Dies kann dazu führen, dass vorher getätigte ausserordentliche Nachzahlungen im Versicherungsfall wertlos werden; respektive erst wieder bei Beginn der Altersrente aufleben. Um diesen Negativpunkt zu beseitigen, werden Lösungen angeboten, bei denen Nachzahlungen separat verbucht und verzinst werden. Im Schadenfall werden diese Beträge dann als zusätzliche Kapitalleistung ausbezahlt. Damit wird dem Wunsch Rechnung getragen, dass ausserordentliche Einzahlungen im Schadenfall nicht teilweise oder gänzlich wertlos werden. Bei näherer Betrachtung muss jedoch festgestellt werden, dass diese Lösungen sehr stark am Grundprinzip der Kollektivität kratzen. Dazu gibt es noch keine Rechtsprechung.
Reine Sparversicherungen ohne Versicherungskomponente wurden vom Bundesgericht als nicht vorsorgekonform beurteilt [22]. Mit der ersten BVG-Revision wurde das Versicherungsprinzip im Gesetz verankert [23]. In der Folge wurde auf Verordnungsstufe ein Mindestanteil von 6% der Gesamtprämie für Versicherungsprämien vorgeschrieben [24]. Es gilt zu beachten, dass diese Mindestquote pro Plan eingehalten werden muss.
Diese Mindestvorschrift ist heute wegen der sinkenden Umwandlungssätze massiv zu hoch angesetzt. Deshalb war in der Vorlage 2020 vorgesehen, diese auf 4% zu reduzieren. Wenn eine Pensionskasse den Umwandlungssatz um 20% senkt (beispielsweise von 6% auf 4,8%) muss das Sparziel auf die gesamte Dauer gerechnet um diese 20% erhöht werden. Dies kann dazu führen, dass die Versicherungsprämie in ihrer Höhe zwar unverändert bleibt, im Verhältnis zur Gesamtheit aller Beiträge nun unter diese 6% sinkt. Es ist zu hoffen, dass dies in nächster Zeit korrigiert wird. Diese Anpassung auf Verordnungsstufe könnte der Bundesrat schnell umsetzen.
6. HÖHERE FINANZIERUNG DURCH ARBEITGEBER
Das Gesetz hält fest, dass Arbeitgeber in einer Gesamtbetrachtung immer mindestens 50% der Beiträge mitfinanzieren müssen [25]. Ein höherer Finanzierungsanteil durch die Arbeitgeberin ist jedoch möglich. Somit kann theoretisch die Finanzierung je nach Gruppe unterschiedlich sein. In der Praxis werden häufig Pensionskassenmodelle mit höheren Löhnen zusätzlich bei der Finanzierung bevorzugt, indem die Arbeitgeberin mehr als 50% der Prämien übernimmt. Die spezielle Problematik bei verschiedenen Sparplänen wurde in Abschnitt 4.5.2 bereits behandelt.
Vorsicht ist geboten, wenn ein höherer Finanzierungsanteil für Geschäftsleitungsgruppen definiert wird und in der Gruppe (per Zufall) nur Personen sind, die auch gleichzeitig Anteilsinhaber dieser Gesellschaft sind. Hier besteht die Gefahr, dass die Steuerbehörde darin eine Steuerumgehung respektive Gewinnvorwegnahme erblickt. In diesen Fällen sind zwei Lösungsansätze möglich: dieselbe Finanzierung wie in den übrigen Gruppen oder vorgängiges Einholen eines Steuerrulings.
7. MITSPRACHE BEI DER ANLAGESTRATEGIE (1E-PLÄNE)
Die Kollektivität ist einer der wichtigsten Pfeiler der beruflichen Vorsorge. Sie verbietet spezifisch auf Personen zugeschnittene Lösungen. Zudem schreibt sie vor, dass das Vermögen für eine Gruppe nach den gleichen Kriterien anzulegen ist. Eine Mitwirkung des Einzelnen ist hier grundsätzlich nicht möglich. Für hohe Einkommen lässt das Gesetz eine gewisse Aufweichung dieses Grundsatzes zu. Modelle, in denen ausschliesslich Lohnbestandteile über dem 1,5-fachen oberen Grenzbetrag von momentan CHF 126'900 (2018) angeboten werden, haben hier in einer gewissen Bandbreite Individualisierungsmöglichkeiten. Wenn davon Gebrauch gemacht wird, ist es unerlässlich, für diese Personengruppen zwei Gefässe auszugestalten; eines für den Lohn bis CHF 126'900, das zweite für den Lohn über dieser Höhe als 1e-Gefäss.
Ein grosses Hindernis, solche Modelle anzubieten, war in der Vergangenheit eine Bestimmung im Freizügigkeitsgesetz [26]. Diese Bestimmung führte dazu, dass bei risikoreichen Anlagen, beschlossen durch die Destinatäre dieser Gruppe, die Stiftung trotzdem das Risiko von Negativrenditen trug. Diese Unschönheit wurde auf 1. Oktober 2017 hin korrigiert [27]. Neu wird bei solchen 1e-Plänen das Maximum auf zehn Modelle begrenzt. Eines dieser zehn Modelle muss risikoarm ausgestaltet sein. Ob ein solcher Plan angemessen ist, wird nach den gleichen Kriterien berechnet wie übrige Pläne [28].
Für Nachzahlungen wurde jedoch eine neue Einschränkung geschaffen, die das Nachzahlungspotenzial gegenüber konventionellen Plänen massiv einschränken kann. Solchen Berechnungen für 1e-Pläne darf neu höchstens ein Sparanteil von 25% des Lohnes mit einer Nullverzinsung für die Vergangenheit hinterlegt werden. Dies macht 1e-Pläne vor allem für ältere Destinatäre eher unattraktiv. Das Nachzahlungspotenzial ergibt im Vergleich zu konventionellen Modellen wegen der fehlenden Zinskomponente meist eine tiefere Summe.
8. FINANZIERUNG DES VORZEITIGEN ALTERSRÜCKTRITTS
Das Reglement kann vorsehen, dass die versicherte Person über zusätzliche Einkäufe die vollen reglementarischen Leistungen auch für eine vorzeitige Pensionierung vorfinanzieren kann [29]. Hier handelt es sich vorsorgetechnisch um die Ausfinanzierung der Zukunftslücke zwischen vorzeitiger Pensionierung und ordentlichem Pensionierungstermin. Es ist empfehlenswert, eine solche Bestimmung vorzusehen. Die Destinatäre können dieses Instrument aufgrund ihrer privaten Überlegungen nutzen oder darauf verzichten. Für die Arbeitgeber entstehen keinerlei Kosten, da diese Einzahlungen nur die Arbeitnehmer finanzieren.
Die Inanspruchnahme dieser Bestimmung ist meist nur für Gruppen im oberen Lohnsegment interessant. Denn hier ist meist die notwendige Liquidität vorhanden. Weiter gilt es zu beachten, dass Verluste drohen, wenn in der Folge auf die vorzeitige Pensionierung verzichtet wird [30]. Die grossen Pensionskassen bieten zwar Lösungen an, die diese Problematik scheinbar lösen. Bei näherer Betrachtung bleibt aber für die Versicherten das Restrisiko eines Verlusts, wenn sie dies vorfinanzieren, in der Folge aber auf die vorzeitige Pensionierung verzichten.
Wenn bei einem Stellenwechsel die neue Pensionskasse die vorzeitige Finanzierungsmöglichkeit nicht vorsieht, wird sie auch dieses Kapital dem «normalen» Alterskapital gutschreiben, soweit dies für die Ausfinanzierung benötigt wird. Steuerplanerisch interessant wird es, wenn bei einem Wechsel in ein Modell ohne diese Möglichkeit daraus überschüssiges Kapital entsteht, das nun auf einer Freizügigkeitseinrichtung parkiert werden kann.
9. FAKULTATIVE BEGÜNSTIGUNGSAUSDEHNUNG
Die Begünstigungsordnung wurde mit der ersten BVG-Revision erweitert und aufgrund der veränderten Familienstrukturen liberalisiert [31]. Die aktuelle Bestimmung kennt vier Stufen. Die erste Stufe gibt das Gesetz vor und bildet das BVG-Minimum. Die übrigen drei Stufen können fakultativ eingebaut werden. Wenn vom Recht der Ausdehnung Gebrauch gemacht wird, sind diese drei in der vorgegebenen Reihenfolge einzuhalten und es darf keine vorherige Stufe weggelassen werden. Die Ausdehnung der Begünstigung auf die fakultativen Stufen eins, zwei oder drei ist im Reglement zu definieren. Sie ist auch prämienrelevant, d.h. sie führt für die Versicherten (und die Arbeitgeber) zu höheren Beiträgen. Hier kann sich ein Interessenskonflikt auftun. Verheiratete Personen (evtl. noch mit Kindern) messen dieser Ausdehnung keine hohe Priorität zu. Sie empfinden die dadurch verursachten höheren Prämien als unnötig. Alleinstehende Personen können ein fundamentales Interesse an einer Ausweitung haben; insbesondere in einem Konkubinat kann es existenziell sein. Die Ausdehnung auf die erste fakultative Stufe sollte deshalb heute Standard sein.
10. ÜBERSCHÜSSIGES KAPITAL
10.1 Stellenwechsel. Es können Fälle eintreten, in denen während der aktiven Phase aufgrund eines Ereignisses, gemessen am aktuell gültigen Plan zu viel Kapital auf dem Vorsorgekonto ist. Der klassische Fall ist ein Stellenwechsel, verbunden mit einem Wechsel in ein neues Pensionskassenmodell mit tieferen definierten Altersgutschriften und/oder tieferem Lohn. Dieses so entstandene überschüssige Alterskapital darf auf eine Freizügigkeitspolice bzw. ein Freizügigkeitskonto überwiesen werden [32]. Ein solches Vorgehen kann sinnvoll sein, wenn beispielsweise im Schadenfall die Versicherungsleistung am neuen Lohn angeknüpft ist oder die Begünstigung eng ausgestaltet ist. In diesen Fällen führt das überschüssige Alterskapital zu keiner Leistungsverbesserung im Schadenfall oder ist ganz verloren. Steuerplanerisch besteht der Vorteil darin, dass dieses Vorsorgekapital nun, völlig unabhängig von der Erwerbstätigkeit bezogen werden kann. Gemäss den heutigen Bestimmungen kann der Bezug, unabhängig von der Erwerbstätigkeit bis Alter 70, aufgeschoben werden [33]. Der Entscheid ist im Konkreten nach Abwägung der Vor- und Nachteile zu fällen. Es muss erwähnt werden, dass bei der Vorlage AV 2020 vorgesehen war, diesen Aufschub bis 70 nur zu gewähren, wenn auch die Erwerbstätigkeit aufrechterhalten wird [34]. Da dies auf Verordnungsstufe geregelt ist, hätte der Bundesrat grundsätzlich die Kompetenz, dies trotz Ablehnung der Vorlage 2020 einzuführen.
10.2 Reduktion des Pensums. Überschüssiges Kapital kann auch infolge Änderung des Beschäftigungsgrads entstehen. Deshalb darf die versicherte Person diesen überschüssigen Teil auf eine Freizügigkeitseinrichtung übertragen [35]. Viele Reglemente sehen günstige Regelungen vor, wenn dieses Kapital in der Pensionskasse verbleibt. In einem solchen Fall kann die Abrechnung unterbleiben [36]. Wer das Wahlrecht hat, wurde von der Rechtsprechnung noch nie beurteilt. Die betroffene Person oder die Stiftung? Bei vernünftiger Auslegung muss der Schluss gezogen werden, dass die betroffene Person entscheiden darf. Es gilt aber festzuhalten, dass diese Aussagen nur für Fälle gelten, in denen noch kein Tatbestand für eine Altersleistung eingetreten ist.
11. ZEITFENSTER ALTERSJAHRE 58–70
Das BVG ist auf dem klassischen Rollenverständnis aufgebaut. Während der Erwerbstätigkeit erfolgt der Vermögensaufbau mittels laufender Altersgutschriften und Verzinsung des vorhandenen Vorsorgevermögens. Erst wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, folgt die Phase des Konsums in Form von Renten- oder Kapitalbezügen. Solange eine Person in der Vermögensaufbauphase ist, sollen die Vorsorgegelder als Austrittsleistung aus der bisherigen Pensionskasse auf neue Gefässe übertragen werden. Diese Übertragung soll solange möglich sein, bis der Zeitpunkt des Konsums einsetzt. Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich nicht mehr um eine Austritts-, sondern um eine Altersleistung. Heute geben viele Personen die Erwerbstätigkeit sukzessive auf und folgen so nicht mehr dem klassischen Rollenverständnis. Dieser Prozess von mehreren Teilschritten ist gesetzlich nicht geregelt. Dementsprechend heikel ist deren Auslegung. Denn hier überlappen die beiden Elemente Vermögensaufbau (Austrittsleistung resp. Freizügigkeit) und Konsum (Altersleistung).
11.1 Weiterversicherung des bisherigen Verdienstes. Oft besteht das Bedürfnis, das Pensum zu reduzieren, jedoch die Vorsorge unverändert auf dem heute bestehenden Lohn zu belassen. Diesen Wunsch respektiert der Gesetzgeber teilweise [37]. Demnach kann in einem Reglement vorgesehen werden, dass für versicherte Personen, deren Lohn sich nach dem 58. Altersjahr um höchstens die Hälfte reduziert, auf Verlangen der versicherten Person die Vorsorge – basierend auf dem jetzigen Lohn – weiter geführt werden kann. Wird diese Möglichkeit angeboten, muss die Beitragsparität nicht mehr zwingend eingehalten werden [38]. Denn für diese Weiterversicherung kann das Reglement Beiträge des Arbeitgebers nur mit dessen Zustimmung vorsehen. Wenn eine Person von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, entsteht kein überschüssiges Kapital. Denn vorsorgemässig ist keine Änderung eingetreten. Bei richtiger Ausgestaltung führt die Aufnahme einer solchen Bestimmung zu keinerlei Mehrkosten für die Arbeitgeber. Deshalb ist es empfehlenswert, diese Bestimmung in den Reglementen vorzusehen.
11.2 Reduktion des Pensums oder Teilpensionierungsschritt? Das Gesetz sieht eine Pensionierung in Raten (noch) nicht vor. In der AV 2020 waren solche Bestimmungen enthalten [39]. Trotzdem ist die schrittweise Teilpensionierung in vielen Reglementen schon heute vorgesehen. Dabei kann im Reglement bestimmt werden, dass das Vorsorgekapital im Ausmass der Teilpensionierung in Form einer Rente oder als Alterskapital bezogen werden kann. Diese Vorgehensweise wird grundsätzlich akzeptiert. Es gilt aber, die entwickelte Praxis in steuer- und vorsorgerechtlicher Hinsicht zu beachten. Vor allem vorsorgerechtlich ergeben sich heikle Abgrenzungsprobleme zwischen einer Austritts- und einer Altersleistung.
11.2.1 Ohne reglementarische Teilpensionierungsmöglichkeit. Reduziert eine Person ihr Pensum, ist im Normalfall damit eine adäquate Reduktion des Lohns verbunden. Wenn die Weiterversicherung auf dem bisherigen Lohn gemäss Abschnitt 11.1 nicht vorgesehen ist, reduzieren sich zwangsweise auch die BVG-Beiträge respektive die Altersgutschriften. Wenn betrieblich weiterhin dasselbe Reglement zum Tragen kommt, findet auch pensionskassenmässig kein Übertritt in eine andere Kasse statt. Durch diesen Schritt entsteht aber überschüssiges Kapital. Die Thematik wurde in Abschnitt 10.2 abgehandelt. Bestehen in einem Unternehmen mehrere Pensionskassengruppen, kann eine Pensums- und Lohnreduktion zusätzlich dazu führen, dass ein Austritt aus der jetzigen respektive ein Eintritt in eine neue Pensionskassengruppe erfolgt, soweit nicht auf der Weiterversicherung des bisherigen Lohns gemäss Abschnitt 11.1 beharrt wird. Dieser Gruppenwechsel kann zusammen mit der Lohnreduktion sehr hohes überschüssiges Kapital ergeben. Ist im entsprechenden Reglement die Möglichkeit der Teilpensionierung nicht vorgesehen, ist dies vorsorgerechtlich der Zeitphase des Vermögensaufbaus zuzurechnen. Das überschüssige Kapital darf auf Freizügigkeitseinrichtungen übertragen werden.
11.2.2 Reglementarische Teilpensionierungsmöglichkeit. Wenn im massgebenden Reglement Möglichkeiten von Teilpensionierungsschritten ab Alter 58 eingebaut sind, entsteht für einen gewissen Zeitraum auch reglementarisch eine Überlappung der Bestimmungen betreffend Freizügigkeit und Altersleistung. Vor allem in vorsorgerechtlicher Hinsicht stellen sich hier heikle Abgrenzungsfragen. Im Grundsatz ist immer die Frage zu beantworten, ob dies ein Akt der Ansparphase sein kann und dementsprechend als Austrittsleistung und somit Freizügigkeitsfall beurteilt werden kann oder ob schon zwingend der Vorsorgefall eingetreten ist. In diesem Falle würde es sich um eine Altersleistung handeln. Das freigewordene Vermögen verlässt in diesem Fall den Kreis des Vorsorgevermögens.
11.2.3 Vorsorgerechtliche Beurteilung. Wenn in einem Reglement Teilpensionierungsschritte ab beispielsweise Alter 58 vorgesehen sind, ist als erstes zu klären, ob die Weiterversicherung auf dem bisherigen Niveau gemäss Ziffer 11.1 noch möglich ist. Dies ist zu bejahen. Denn hier hat die versicherte Person das Wahlrecht. Wenn auf dieses Recht verzichtet wird, stellt sich die weitere Frage, ob zwingend eine Altersleistung ausgelöst oder das gesamte bisher angesparte Kapital in steuerprivilegierten Vorsorgegefässen verbleiben darf. Auch dies ist zu bejahen, wenn dieser Schritt lediglich eine Möglichkeit und nicht den reglementarisch festgesetzten Pensionierungstermin darstellt. Bis zum reglementarischen Termin handelt es sich lediglich um eine Option des Arbeitnehmers. Unter der Annahme, dass trotz der reglementarischen Möglichkeit eines Teilpensionierungsschrittes auf diese Option verzichtet wird, ist weiter die Frage zu beantworten, welche Möglichkeiten betreffend Verwendung des überschüssigen Kapitals noch bestehen. Da der Altersbezug reglementarisch nun möglich wäre, wird die Pensionskasse der Bitte, diesen Teil auf eine Freizügigkeitseinrichtung zu übertragen, nicht mehr zustimmen. Sie wird sich darauf stützen, dass hier der Fall einer möglichen Altersleitung theoretisch eingetreten ist [40]. Die versicherte Person kann nicht zwischen einer Alters- und einer Austrittsleistung wählen [41].
11.2.4 Steuerliche Beurteilung. Teilpensionierungsschritte können aus Sicht der Steuerbehörden den Tatbestand der Steuerumgehung erfüllen. Zahlreiche Kantone haben für Fälle von gestaffelten Kapitalbezügen deshalb teilweise interne Richtlinien erlassen. Damit sollen eine rein steuermotivierte Staffelung und somit eine unangebrachte Brechung der Progression verhindert werden. Teilpensionierungsschritte mit Teilrenten sind unproblematisch. Teilpensionierungsmodelle sind vor allem für Gruppen mit eher tieferen Löhnen sinnvoll. Dadurch kann die Reduktion der Arbeitszeit, verbunden mit einer entsprechenden Lohnkürzung abgefedert werden. Werden Pensum und Lohn z.B. um 30% reduziert, wird 30% des vorhandenen Kapitals frei. Diese 30% können in eine Rente umgewandelt oder als Kapitalauszahlung bezogen werden. Heute werden solche Modelle aber auch für Gruppen mit hohen Löhnen mit dem Argument angepriesen, dass dank dieser Möglichkeit (Progressionsbrechung) zusätzliches Steuerplanungspotenzial entsteht. Diesen Versprechen muss ein grosser Vorbehalt entgegengesetzt werden. Erstens besteht heute ein Trend zu linearer Besteuerung von Vorsorgegeldern in den Kantonen. In diesen Fällen ergibt sich keine Steuerersparnis. Zweitens gilt es zu beurteilen, ob dadurch nicht vorsorgerechtliche Nachteile entstehen. Denn mit diesen Bestimmungen werden Varianten, überschüssiges Kapital auf Freizügigkeitseinrichtungen auszulagern, verunmöglicht.
12. BESCHÄFTIGUNG ÜBER DAS PENSIONSALTER HINAUS
Das Bedürfnis nach gleitender Pensionierung drückt sich darin aus, dass vermehrt Personen über das 65. Altersjahr hinaus einer Voll- oder Teilbeschäftigung nachgehen und die Vorsorge weiter alimentieren möchten. Auch diesem Anliegen kommt der Gesetzgeber entgegen [42]. Grundsätzlich sollte eine solche Bestimmung in jedes Reglement aufgenommen werden. Allerdings ist dies für den Arbeitgeber mit Kosten verbunden. Denn die Beitragsparität ist in diesen Fällen beizubehalten, was auch zu Kosten für die Arbeitgeber führt. Ab diesem Zeitpunkt ist das Auffüllen von Vergangenheitslücken ebenfalls noch möglich. Allerdings wird für die Berechnung einer solchen Lücke das reglementarische Sparziel im Alter 65 zugrunde gelegt. Falls auf diesen Zeitpunkt berechnet ein Nachzahlungspotenzial besteht, ist dies möglichst zeitnah zu schliessen. Denn es reduziert sich laufend wegen der Altersgutschriften ab Alter 65.
13. FAZIT
Der vorhandene Spielraum für Pensionskassenlösungen ist für KMU schon heute gross. Vielfach wird dies zu wenig erkannt und als direkte Folge zu wenig genutzt. Um im eigenen KMU Verbesserungen zu evaluieren, sind immer zuerst bedürfnisgerechte Gruppen zu bilden. So entstehen in fast allen KMU im Minimum zwei bis drei Gruppen. Nach der Gruppenbildung sind die einzelnen Gruppen bedürfnisgerecht auszugestalten. Die Ausgestaltung der Altersgutschriftenskala pro Gruppe ist meist der wichtigste, aber auch umstrittenste Punkt. Es ist für die Arbeitgeber der kostenintensivste Teil. Für die Arbeitnehmer hängt die Höhe des Nachzahlungspotenzials im Wesentlichen von dieser Ausgestaltung ab. Der Einbau von Instrumenten wie unveränderte Weiterversicherung trotz Reduktion des Arbeitspensums, Beschäftigung über das ordentliche Pensionsalter hinaus, Erweiterung der Begünstigten usw. führt meist nur zu sehr bescheidenen Mehrkosten, bieten den Arbeitnehmern jedoch eine massiv höhere Flexibilität. Gerade nach Ablehnung der Vorlage AV [2020] und den düsteren Aussichten in Sachen Umwandlungssatzsenkungen tun KMU-Inhaber gut daran, die Möglichkeiten für das eigene Personal und für sich selbst neu auszuloten. Ein zeitgemässes Pensionskassenmodell mit einer hohen Flexibilität für die Versicherten wird noch vermehrt zur Image-Frage bei der Personalsuche.
Text erschienen im EXPERT FOCUS 8/2018
Anmerkungen:
1) Art. 14 BVG. 2) Art. 24 Abs. 3 BVG. 3) Art. 1 ff. BVV2. 4) Art. 1 c Abs. 1 BVV2. 5) Steuerrevue Nr. 5/2017. S. 395–401. 6) Art. 1 c Abs. 2 BVV2. 7) Art. 1 c Abs. 2 BVV2. 8) Maute, Steiner, Rufener, Lang, Steuern und Versicherungen 3. Überarbeitete Auflage. S. 141. 9) Art. 1 BVV2. 10) Art. 16 BVG. 11) Art. 1 Abs. 2 BVV2. 12) Art. 1 Abs. 3 BVV2. 13) Art. 8 Abs. 1 BVG. 14) Art. 1 Abs. 3 BVV2.
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15) Art.17b BVG, Vorlage AV 2020. 16) Art.1d Abs. 2 BVV2. 17) Art. 1d Abs. 2 BVV2. 18) Art. 1d Abs. 2 BVV2. 19) Art. 66 Abs. 1 BVG. 20) Stämpflis Handkommentar 2010, Seite 1093 (Jürg Brechbühl). 21) Art. 24 Abs. 3 BVG. 22) BGer 16.5.1995. 23) Art. 1 Abs. 3 BVG. 24) Art. 1h BVV2. 25) Art. 113 Abs. 3 BV oder Art. 66 BVG. 26) Art. 17 FZG. 27) Art. 19a FZG. 28) Art. 1 BVV2. 29) Art. 1b Abs. 1 BVV2. 30) Art. 1b Abs. 2 BVV2.
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31) Art. 20 a BVG. 32) Art. 13 FZG. 33) Art. 16 FZV. 34) AV 2020. 35) Art. 20 FZG. 36) Art. 20 Abs. 2 FZG. 37) Art. 33 a Abs. 1 BVG. 38) Art. 33 a Abs. 3 BVG. 39) AV2020/Art. 13 a und b BVG. 40) BSV-Mitteilungen berufliche Vorsorge Nr. 122. RZ 783. 41) Art. 2 FZG. 42) Art. 33b BVG.
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