Konfiskatorische Besteuerung
Zu den von unserer Bundesverfassung geschützten Rechten gehört auch das Recht auf Privateigentum. Dieses ist als Organisationsform unserer Gesellschaft als solches geschützt (Institutsgarantie). Wird Eigentum eines Bürgers aufgrund höher gewichteter Gemeinschaftsinteressen im Einzelfall enteignet, so ist volle Entschädigung geschuldet.
Der Staat muss dem Bürger von seinen selbst erwirtschafteten Mitteln einen genügenden Anteil zur Verwendung überlassen. Besteuert der Staat dem Bürger alle seine Einnahmen einfach weg, so wird Privateigentum zur Farce. Deswegen schützt – nach wohl einhelliger Lehrmeinung – unsere Bundesverfassung den Bürger vor der so genannten konfiskatorischen Besteuerung.
Praxis
In der Anwendung stösst dieser Rechtssatz in der Schweiz rasch an seine Grenzen. Die Steuergesetze werden vom Gesetzgeber (Parlament bzw. per Volksabstimmung) erlassen und die Richter scheuen sich, derart «legitimierten» Gesetzen im Einzelfall die Anwendung zu versagen.
Und doch stellt sich die Frage nach der verfassungsrechtlich zulässigen Belastungshöhe in zunehmendem Masse. Wer heute auf «sicheren» Anlagen in Schweizerfranken eine Rendite von 1.0% erzielt, bei einem hohen Vermögen und Einkommen (z.B. in der Stadt Zürich) einer Vermögenssteuerbelastung von 0.6% und einer Einkommenssteuerbelastung von 35% (von 1% = 0.35%) unterliegt, der fühlt am eigenen Geldbeutel, dass ihm von seiner Bruttorendite nach Steuern zur eigenen Verwendung praktisch nichts mehr verbleibt.
Die Vermögenssteuer ist im Grunde ja nichts anderes als eine von einem Sollertrag gerechnete Einkommenssteuer: Der Gesetzgeber unterstellt dem Vermögen eine gewisse Rendite, die besteuert werden und auch denjenigen treffen soll, der aus Gründen der Steuervermeidung sein Vermögen ertragslos anlegt.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat kürzlich in einem Fall entschieden, eine praktisch 100%ige Besteuerung einer Aktienrendite durch die Einkommens- und Vermögenssteuer zusammen bedeute noch keine unzulässige konfiskatorische Besteuerung, weil die genannte Steuerbelastung «nur» während zwei aufeinanderfolgenden Jahren eintrat.
Ein Blick über die Grenze
Da loben wir uns deutsche Verhältnisse: Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22. Juni 1995 folgendes gefunden: «Die verfassungsrechtlichen Schranken der Besteuerung des Vermögens durch Einkommen- und Vermögensteuer begrenzen den steuerlichen Zugriff auf die Ertragsfähigkeit des Vermögens (…). Die Vermögensteuer darf zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt.»
Und auch Frankreich hat bei seiner «impôt de solidarité sur la fortune» (Vermögenssteuer) eine Schranke bei einer Gesamtbelastung (zusammen mit der Einkommenssteuer) von 50% eingeführt.
Einige Kantone (AG, BS, BE, GE, LU, VD) beschränken bereits die Gesamtbelastung der Vermögenserträge mit der Einkommens- und der Vermögenssteuer zusammen; andere Kantone werden diesen Beispielen folgen müssen.