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Doppelbesteuerung Schweiz – Deutschland: nicht alles in Butter
Am 27. Oktober 2010 unterzeichneten der deutsche und der Schweizer Finanzminister das revidierte Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz–Deutschland (DBA CH–D). Im Rahmen dieser kleinen Revision wurde insbesondere der Informationsaustausch nach Art. 26 des OECD-Musterabkommens (Amtshilfe) eingeführt. Zudem sind im neuen DBA CH–D weitere, für Steuerpflichtige wesentliche Änderungen enthalten. Im Folgenden befassen wir uns mit den übrigen Änderungen, den unterschiedlichen Inkrafttretensterminen und wagen zu guter Letzt einen Ausblick in die nähere Zukunft.
Anpassung der Nullregelung an die EU-Mutter-Tochter-Richtlinie
Bereits seit dem 1. Januar 2002 wird keine Quellensteuer auf Dividenden mehr erhoben, wenn eine Kapitalgesellschaft eine Beteiligung in der Höhe von mindestens 20% im anderen Staat hält. Bisher gab es keine Mindesthaltedauer, die Nullregelung war also unmittelbar ab dem Erwerb der Beteiligung anwendbar. Im Rahmen der aktuellen Revision des DBA CH–D wurde die Grenze für eine Beteiligung nun auf 10% gesenkt. Allerdings wurde gleichzeitig eine Mindesthaltedauer von zwölf Monaten (analog der EU-Mutter-Tochter-Richtlinie) eingeführt. Massgeblich ist dabei zunächst, ob diese Voraussetzung im Zeitpunkt der Dividendenfälligkeit erfüllt ist. Die Mindesthaltedauer kann allerdings auch nach Fälligkeit der Dividende erfüllt werden (nachträgliche Rückerstattung).
Einführung der Schiedsklausel
Das Verständigungsverfahren ermöglicht in Fällen einer konkreten Doppelbesteuerung, dass die Behörden der beiden Vertragsstaaten die Einzelfälle in gegenseitigem Einvernehmen beseitigen können. Das Verständigungsverfahren verpflichtet die Schweiz und Deutschland aber nicht, auch effektiv zu einer Lösung zu gelangen! Nun wird das DBA CH–D durch eine so genannte Schiedsklausel erweitert. Kommen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten zu keiner Einigung, entscheidet zukünftig ein Schiedsgericht den Fall.
Konkret sieht das Vorgehen so aus: Beide Länder reichen bei der Schiedsstelle einen Lösungsvorschlag ein. Diese entscheidet sich dann für einen der zwei Vorschläge. Es ist also kein «Kompromiss» zwischen den Positionen möglich. Vielmehr gewinnt ein Staat alles, während der andere hingegen vollständig verliert. Es wird erwartet, dass mit der Einführung dieser Schiedsklausel der Druck auf die Schweiz und Deutschland steigt, sich in Fällen von Doppelbesteuerungen noch im Verständigungsverfahren zu einigen. Diese Änderung ist aus rechtsstaatlicher Sicht sehr zu begrüssen.
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Inkrafttreten
Es ist damit zu rechnen, dass der Austausch der Ratifikationsurkunden im Herbst 2011 stattfinden kann. Die Änderungen des revidierten DBA CH–D treten somit voraussichtlich auf den 1. Januar 2012 in Kraft. Der Informationsaustausch im Rahmen der grossen Amtshilfeklausel gilt allerdings (auf Druck von Deutschland) bereits rückwirkend seit dem 1. Januar 2011.
Ausblick
Enttäuschend ist, dass im DBA CH–D bewusste Benachteiligungen der Schweiz wie z. B. die überdachende oder konkurrierende Besteuerung bei Wegzug von Deutschland in die Schweiz nach wie vor unverändert bestehen bleiben. Die Schweiz hat hier (einmal mehr) darauf verzichtet, Zugeständnisse mit der Einforderung von Gegenleistungen zu verknüpfen. Es wird sich zeigen, ob Deutschland bei der anstehenden grossen DBA-Revision innerhalb der nächsten zwei Jahre Hand bieten wird, die OECD-widrigen Bestimmungen zu streichen. Zudem dürften in nächster Zeit auch die Details zur neuen «Abgeltungssteuer» bekannt werden, über die wir Sie an dieser Stelle zu gegebener Zeit gerne informieren.
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