Die Jahresrechnung nach HRM2 – wie aus der Privatwirtschaft bekannt? (Teil 1/2)
Die Konferenz der Kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK) verabschiedete 2008 das Harmonisierte Rechnungslegungsmodell 2 (HRM2), um die Rechnungslegung der Gemeinden an jene der Privatwirtschaft anzunähern. Dies war aber nicht das einzige Ziel der Reform. Im Mittelpunkt standen ausserdem eine erhöhte Transparenz, die Einführung des „true and fair view“-Prinzips sowie eine verbesserte Vergleichbarkeit der Rechnungslegung von Bund, Kantonen und Gemeinden.
Annäherung für Milizsystem wichtig
Gerade mit Blick auf das schweizerische Milizsystem kommt der Annäherung an privatwirtschaftliche Rechnungslegungs-Grundsätze eine grosse Bedeutung zu: Im Gemeinderat und in den Rechnungsprüfungsorganen (Finanz-/Rechnungsprüfungskommissionen) engagieren sich fast ausschliesslich Milizvertreter/-innen. Ihr Finanz-Know-how bezieht sich meist auf privatwirtschaftliche Rechnungslegungs-Grundsätze. Eine effektive Finanzkontrolle, aber auch die kompetente Erstellung des Budgets durch den Gemeinderat sowie eine „Begegnung auf Augenhöhe“ mit den Finanzverwaltern/-innen erfordern zumindest solide Grundkenntnisse im Finanzbereich. Ist nun die Jahresrechnung der Gemeinde anders aufgebaut als jene eines Unternehmens, wird das Anwenden des vorhandenen privatwirtschaftlichen Know-hows eindeutig erschwert. HRM2 soll diesen Missstand beheben. Doch ist dies effektiv gelungen? Wird sich z.B. eine Rechnungsprüferin aus der Privatwirtschaft problemlos in einer HRM2-Jahresrechnung zurechtfinden?
Folgende Elemente der Jahresrechnung schlägt das HRM2 vor:
Gewisse Besonderheiten bleiben erhalten
Erleichtert wird somit zumindest der Einstieg: Statt «Bestandesrechnung» und «Laufende Rechnung» heisst es in den Gemeinderechnungen nun „Bilanz“ und „Erfolgsrechnung“. Beim Blick in die Bilanz wird allerdings schnell klar, dass insbesondere der Aufbau der Aktivseite einer anderen Logik folgt. Im Gegensatz zur Privatwirtschaft gliedern sich die Gemeindeaktiven nicht nach dem «Zeithorizont». Es werden also nicht kurzfristig veräusserbares Umlaufvermögen und langfristig eingesetztes Anlagevermögen auseinandergehalten.
Vielmehr zielt die Unterscheidung einer Gemeinde zwischen ihrem Finanz- und Verwaltungsvermögen darauf ab, ob die Werte unmittelbar dazu dienen, eine öffentlichen Aufgabe zu erfüllen. So ist etwa die Renditeliegenschaft einer Gemeinde im Finanzvermögen aufgeführt, während das Schulhaus zum Anlagevermögen gehört.
Die Passivseite mit ihrer Gliederung nach Eigen- und Fremdkapital sowie der Aufteilung des Fremdkapitals in kurz- und langfristig entspricht den privatwirtschaftlichen Passiven (dies war allerdings bereits vor HRM2 schon so). Besonders ist, dass gemäss HRM2 nun die Überschüsse und Defizite der Spezialfinanzierungen klar dem Fremd- oder Eigenkapital zugeordnet werden. Bis anhin waren sie zwischen Fremd- und Eigenkapital angesiedelt; nun werden sie nach dem Kriterium des Entscheidungsspielraums der Gemeinde entweder der einen oder anderen Position zugeschlagen. Eine Besonderheit der Gemeinderechnung bleibt also auch unter HRM2 erhalten, allerdings immerhin mit einer klaren Zuweisung unter das Fremd- oder Eigenkapital.
Neu: Eigenkapitalnachweis
Insgesamt wird in den meisten Gemeinden die Höhe des Eigenkapitals ansteigen, da sich durch die im Zuge der HRM2-Umstellung häufig vorgenommenen Neubewertungen von Finanz- und Anlagevermögen meist Neubewertungsreserven ergeben. Der Abbau dieser Reserven über die nächsten Jahre sowie eine Änderung des Eigenkapitals infolge wechselnder Überschüsse oder Defizite der Spezialfinanzierungen sorgen zudem für eine gewisse Volatilität des Eigenkapitals.
Diesem Umstand trägt der im HRM2 neu eingeführte Eigenkapitalnachweis Rechnung. Er ist Teil der Jahresrechnung und zeigt die Veränderungen des Eigenkapitals detailliert auf. So wird die Transparenz erhöht und die Unterschiede zum Eigenkapital eines Privatunternehmens lassen sich nachvollziehen.
Die Gliederung der Erfolgsrechnung (bisher: Laufende Rechnung) bleibt unter HRM2 unverändert. Gemeinderäte/-innen oder Prüfer/-innen aus der Privatwirtschaft müssen also weiterhin ein Verständnis für die funktionale Gliederung (nach Aufgaben), die Artengliederung (nach Art des Aufwands, entspricht der privatwirtschaftlichen Gliederung einer Erfolgsrechnung) und die institutionelle Gliederung (nach Abteilungen, eher selten) entwickeln.
Dieser Artikel ist auch auf www.accountingundcontrolling.ch, September 2015, erschienen.