Kapitalkosten von KMU bei der Unternehmensbewertung
Kapitalkosten haben einen grossen Einfluss auf die Ergebnisse von Unternehmensbewertungen. Zur Herleitung von Kapitalkosten werden verschiedene Konzepte der Kapitalmarkttheorie verwendet. Bei der Anwendung dieser Konzepte sollten jedoch die Besonderheiten von KMU angemessen berücksichtigt werden.
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Frage
Wofür werden Kapitalkosten verwendet? Wie werden sie hergeleitet? Und: Wie können sie den Besonderheiten von KMU Rechnung tragen?
Antwort
Bestimmung von Gesamtkapitalkosten
Bei zukunftsgerichteten Unternehmensbewertungen haben die Kapitalkosten einen grossen Einfluss auf das Bewertungsergebnis. Sie werden verwendet, um die nachhaltig erzielbaren Gewinne zu kapitalisieren oder um die Geldzuflüsse zu diskontieren. Daraus ergibt sich (vereinfacht) das Resultat der Unternehmensbewertung.
Kapitalkosten können auch als erwartete Rendite der Kapitalgeber verstanden werden. Die erwarteten Gewinne oder Geldzuflüsse werden mit dieser erwarteten Rendite diskontiert, woraus sich der Wert des zu bewertenden Unternehmens per Stichtag ergibt.
Gesamtkapitalkosten können mit Hilfe der gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten (englisch WACC: Weighted Average Cost of Capital) berechnet werden. Sie setzen sich aus den Eigenkapitalkosten und den Fremdkapitalkosten zusammen.
Formel für die WACC:
WACC = (EK/GK ) * rEK + ( FK/GK) * rFK (1 – t)
Symbol |
Bedeutung |
Einheit |
WACC |
Durchschnittliche Kapitalkosten für Kapital |
% |
rEK |
Erwartete Rendite Eigenkapitalgeber |
% |
rFK |
Erwartete Rendite Fremdkapitalgeber |
% |
t |
Ertragssteuersatz vom Gewinn vor Steuern |
% |
FK |
Marktwert des Fremdkapitals |
Währung |
EK |
Marktwert des Eigenkapitals |
Währung |
GK |
Marktwert des Gesamtkapitals (GK = EK + FK) |
Währung |
Kapitalstruktur
Investoren/-innen bezahlen bei einem Unternehmenskauf nicht den Buchwert, sondern den Marktwert. Die Renditeerwartungen der Investoren/-innen richten sich daher nach der getätigten Investition (Marktwert) und nicht nach den Buchwerten. Deshalb ist es wichtig, dass für die Kapitalstruktur Marktwerte und nicht Buchwerte verwendet werden. Das Kapitalverhältnis gemäss einer Jahresrechnung nach dem True-and-Fair-View-Prinzip kann nicht verwendet werden, da beispielsweise selbst erarbeiteter Goodwill nicht aktiviert werden kann. Die Kapitalstruktur der Bilanz weicht somit von der Kapitalstruktur zu Marktwerten ab.
Weiter muss geklärt werden, ob die aktuelle Kapitalstruktur für die Bewertung herangezogen oder eine abweichende Zielkapitalstruktur angestrebt wird. Eine mögliche Zielkapitalstruktur kann beispielsweise anhand von Branchenvergleichen festgelegt werden.
Marktwert des Fremdkapitals und erwartete Rendite der Fremdkapitalgeber/-innen
Der Marktwert des Fremdkapitals für KMU wird in der Regel aufgrund der effektiv bestehenden Verbindlichkeiten zum Nominalwert geschätzt. Für die Fremdkapitalkosten kann der Zinssatz verwendet werden, zu dem ein Unternehmen bei einer Bank Fremdkapital aufnehmen kann. Aufgrund von fehlenden Marktdaten erscheint diese Vereinfachung angemessen.
Sind in einem Unternehmen Immobilien vorhanden, kann es sinnvoll sein, das Unternehmen in unterschiedliche Bewertungsobjekte zu unterteilen (Immobiliengesellschaft und operative Gesellschaft). Die Kapitalstruktur, die Kapitalkosten und letztlich auch die Werte der Bewertungsobjekte können dadurch besser differenziert werden. Ein Gesamtwert kann dennoch hergeleitet werden, beispielsweise durch die Belastung einer kalkulatorischen Miete durch die Immobiliengesellschaft an die operative Gesellschaft.
Fremdkapitalzinsen reduzieren den steuerbaren Reingewinn. Diese Steuerersparnis wird berücksichtigt, indem der Fremdkapitalkostensatz korrigiert wird.
Marktwert des Eigenkapitals
Es gestaltet sich etwas schwieriger, den Marktwert des Eigenkapitals und die Eigenkapitalkosten herzuleiten.
Bei börsenkotierten Unternehmen kann der Marktwert des Eigenkapitals aus der Marktkapitalisierung an der Börse hergeleitet werden. Für KMU existieren solche Informationen nicht. Ebenfalls können der Marktwert und die Renditeerwartung nicht anhand von Branchenstatistiken festgelegt werden, da für diese Statistiken mehrheitlich obligationenrechtliche Buchhaltungskennzahlen verwendet werden. In diesen Kennzahlen sind stille Reserven enthalten. Der Wert des Eigenkapitals ist deshalb zu tief und die daraus hergeleiteten Renditeerwartungen sind zu hoch.
Um das Problem fehlender Marktwerte des Eigenkapitals zu lösen, bietet sich folgende Möglichkeit an: Der Marktwert des Eigenkapitals entspricht dem Ergebnis der Bewertung. Das Ergebnis der Bewertung wird wiederum von den Kapitalkosten und der damit verbundenen Kapitalstruktur beeinflusst. Mittels iterativer Berechnung kann die Kapitalstruktur der WACC so lange verändert werden, bis die Kapitalstruktur der WACC der Kapitalstruktur gemäss Bewertungsergebnis entspricht.
Erwartete Rendite der Eigenkapitalgeber/-innen mit Hilfe des CAPM
Die Eigenkapitalkosten können mit Hilfe des CAPM (englisch: Capital Asset Pricing Model) hergeleitet werden. Als Resultat ergibt sich die risikogerechte Renditeforderung der Eigenkapitalgeber/-innen. Formel für das CAPM:
Formel für das CAPM:
rEK = rf + βi * (rM – rf)
Symbol |
Bedeutung |
rEK |
Eigenkapitalkosten |
rf |
risikoloser Zinssatz |
βi |
Beta der Investition |
rM |
erwartete Rendite des Marktes |
Für die Bestimmung des risikolosen Zinssatzes in der Schweiz kann die Rendite von Schweizer Staatsanleihen verwendet werden. Da bei der Unternehmensbewertung von einer unbegrenzten Lebensdauer ausgegangen wird, sollte der Zins für Anleihen mit langen Laufzeiten verwendet werden.
Mit dem Beta-Faktor wird dem systematischen Risiko des Unternehmens Rechnung getragen. Alle Unternehmen des Marktes sind – in unterschiedlichem Ausmass – von diesen Risiken betroffen. In der Kapitalmarkttheorie wird dieses Risiko aufgrund von Renditeschwankungen gemessen. Ein Beta-Wert von 1 bedeutet, dass das Wertpapier im selben Mass schwankt wie der Gesamtmarkt. Ein Beta-Faktor > 1 bedeutet eine stärkere Schwankung als der Markt, ein Beta-Faktor < 1 bedeutet eine geringere Schwankung als der Markt. Für KMU existieren keine solchen Beta-Faktoren, weshalb vereinfachend auf Branchenbetas abgestellt werden kann.
Die erwartete Rendite des Marktes kann aufgrund der historischen Rendite von Aktien in der Schweiz festgelegt werden. Investoren/-innen können anstelle einer Investition in das Bewertungsobjekt auch in diese Aktien investieren.
CAPM für KMU
Die Parameter für das CAPM basieren auf börsenkotierten Unternehmen. Die Ergebnisse können deshalb nicht unverändert auf KMU übertragen werden. In der Praxis wird dem häufig durch einen KMU-Zuschlag Rechnung getragen. Aufgrund der fehlenden Marktstellung eines KMU gegenüber einem börsenkotierten Unternehmen und der Schwierigkeit, ein KMU zu verkaufen, sind KMU-Zuschläge zwischen 3% und 5% üblich.
Pauschale unternehmensspezifische Risikozuschläge sollten nicht angewendet werden. Entsprechende Risiken müssen bei der Ermittlung des nachhaltig erzielbaren Gewinnes respektive bei der Herleitung von zukünftigen Free Cash Flows berücksichtigt werden.
Exkurs Kapitalkosten bei steuerlichen Bewertungen
Für die Bewertung von Wertschriften ohne Kurswert wenden die Steuerämter in der Regel das Kreisschreiben Nr. 28 der Schweizerischen Steuerkonferenz an. Mit diesem Kreisschreiben soll eine einheitliche Bewertungsmethodik für die Bewertung von Unternehmen über die Kantonsgrenzen hinweg erreicht werden.
Der Kapitalisierungszinssatz setzt sich aus einem Zinssatz für risikolose Anlagen und einer Risikoprämie von 7% zusammen. Daraus ergeben sich Steuerwerte, die deutlich höher sind als die erzielbaren Marktwerte. Steuerliche Kapitalisierungszinssätze sollten deshalb nicht zur Berechnung von Marktwerten verwendet werden.
Gemäss Beschluss der SSK vom 16.10.2020 werden die Kapitalisierungszinssätze für Bewertungen mit Bilanzstichtagen ab 1. Januar 2021 nach einer neuen Methodik ermittelt: Basierend auf einem Gutachten der Universität Zürich wird die jährlich ermittelte Risikoprämie neu aus der Risikoprämie von börsenkotierten Unternehmen abgeleitet, unter Berücksichtigung des spezifischen Risikos von nicht kotierten Unternehmen. Zusätzlich wird die Illiquidität von nicht börsenkotierten Wertschriften mit einem Aufschlag von 17.65% berücksichtigt. Dies führt ab 2021 zu leicht höheren Zinssätzen. In der Regel wird der erhöhte Zinssatz aber immer noch unter den effektiven Kapitalkosten respektive der erwarteten Rendite liegen.
Weitere Informationen: Steuerliche Bewertung von nicht-kotierten AGs und GmbHs
Fazit
In der gängigen Praxis werden zur Herleitung von Kapitalkosten für KMU die Konzepte der Kapitalmarkttheorie wie WACC und CAPM angewendet. Auch der Branchenverband ExpertSuisse empfiehlt in seiner Fachmitteilung «Unternehmensbewertung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)» die Anwendung dieser Konzepte. Allerdings sollten die Besonderheiten der KMU bei der Bewertung angemessen berücksichtigt werden. Der Bewertungsanlass und der Bewertungszweck sind bei Unternehmensbewertungen von zentraler Bedeutung. Häufig müssen methodische Vorgaben und definierte Parameter für die Bewertungsaufgabe berücksichtigt werden. Ebenso müssen die durchgeführten Bewertungsschritte, die Datengrundlage und das Bewertungsergebnis dokumentiert und begründet werden.
Kapitalkosten und Bewertungsergebnisse sollten mit Hilfe verschiedener Instrumente (Branchenvergleiche, Unternehmenstransaktionen, Einbeziehung von Experten, Szenarien und Sensitivitäten) validiert werden.