MWST-Kontrolle? Kein Problem
Der Steuerpflichtige reicht in der Regel alle drei Monate seine MWST-Abrechnungen ein und zahlt die entsprechende Steuer. Da die Mehrwertsteuer eine Selbstveranlagungssteuer ist, prüft die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) die Deklarationen stichprobenweise. Zudem darf die ESTV Kontrollen vor Ort durchführen. Was bei einer Kontrolle getan werden muss, zeigt dieser Beitrag.
© iStock.com/AndreyPopov
Gute Vorbereitung lohnt sich
Zuerst kontaktiert der ESTV-Steuerrevisor den Steuerpflichtigen oder dessen Steuervertreter (z.B. Treuhandbüro) telefonisch, um Datum, Ort und Dauer der MWST-Kontrolle zu vereinbaren. Dann folgt die schriftliche Ankündigung. Mit ihr beginnt eine Frist von 360 Tagen, innerhalb derer die ESTV ihre Kontrolle durchführen und abschliessen muss. Zudem unterbricht die Kontrollankündigung die Festsetzungsverjährung. Sie beträgt seit 2010 nur noch zwei Jahre. Die ESTV steht daher nach der Kontrollankündigung unter einem gewissen Zeitdruck.
Zur Vorbereitung einer MWST-Revision durch die ESTV sollten diese Unterlagen bereitgestellt werden:
-
jährliche Umsatzabstimmungen und Vorsteuerplausibilisierung (Finalisierung)
-
MWST-Abrechnungen einschliesslich Korrektur- und Berichtigungsabrechnungen
-
zollamtliche Exportnachweise
-
Debitorenrechnungen
-
Vorsteuerbelege einschliesslich Einfuhrdokumenten
-
Berechnungsunterlagen zu Vorsteuerkorrekturen
Die relevanten Unterlagen sind für die gesamte Revisionsperiode (in der Regel die letzten fünf Jahre) lückenlos zusammenzutragen. Allfällige Bereinigungen und Unstimmigkeiten sind spätestens jetzt zu klären.
Die Umsatz- und Vorsteuerabstimmung als Basis
Ausgangsbasis einer korrekten Umsatzabstimmung bildet der Ertrag gemäss Erfolgsrechnung. Ausgehend von diesem Ertrag müssen die darin enthaltenen zeitlichen Abgrenzungen (wie z.B. angefangene Arbeiten, Delkredere-Veränderung, Vorauszahlungen von Kunden, Rückstellungen usw.) eliminiert werden, um zum deklarationspflichtigen Betrag zu gelangen. Im Weiteren unterliegen auch Verkäufe von Anlagevermögen, die normalerweise über Bilanzkonten verbucht werden, in der Regel der Mehrwertsteuer, weshalb auch die Bilanz auf mehrwertsteuerpflichtige Umsätze überprüft werden muss. Damit eine Umsatzabstimmung ohne grossen Zeitaufwand möglich ist, sollte das Bruttoprinzip beim Führen der Geschäftsbücher konsequent eingehalten werden. So sollte vermieden werden, dass Erträge als Minderungen auf Aufwandkonten verbucht werden. Ansonsten müssen diese anlässlich der Umsatzabstimmung identifi ziert und dokumentiert werden. Auch kann es sinnvoll sein, Erlöskonti bereits getrennt nach Steuersatzkategorien zu führen, beispielsweise Inlandumsatz/Auslandumsatz oder Normalsatz/reduzierter Satz. In der Regel sind aber solche nach steuerlichen Gesichtspunkten aufgeteilte Ertragskonti nur bei kleineren Betrieben möglich.
|
Schema Umsatzabstimmung Umsätze nach Quartalsabrechnungen |
|
./. Deklaration aus Vorjahren |
|
+ später deklarierte Umsätze |
|
= Umsätze gemäss Abrechnungen |
|
Umsätze in Ertragskonten (getrennt nach Steuersatz) |
|
+ Umsätze über Bilanz verbucht |
|
+ Umsätze über Aufwand verbucht |
|
+/– zeitliche Abgrenzungen |
|
= Umsätze gemäss Jahresrechnung |
|
Umsätze gemäss Abrechnungen |
|
./. Umsätze gemäss Jahresrechnung |
|
= Differenz |
Aus der Vorsteuerabstimmung muss ersichtlich sein, dass die Vorsteuern gemäss Vorsteuerkonti oder sonstigen Aufzeichnungen mit den deklarierten Vorsteuern abgestimmt wurden. Mit der Vorsteuerabstimmung hat man aber noch nicht überprüft, ob man zu viel oder zu wenig Vorsteuern geltend gemacht hat. Dazu ist das Erstellen einer sogenannten Vorsteuerplausibilisierung empfehlenswert. Diese kann nachfolgendem Muster erstellt werden:
|
Schema Vorsteuerplausibilisierung
Aufwandpositionen gemäss Erfolgsrechnung sowie Investitionen gemäss Bilanz bzw. Anlagekartei multipliziert mit dem (theoretisch) darin enthaltenen Mehrwertsteuersatz, abzüglich der notwendigen Vorsteuerkorrektur (falls auch von der Mehrwertsteuer ausgenommene Umsätze erzielt oder nichtunternehmerische Tätigkeiten ausgeführt werden); dies verglichen mit den Vorsteuerabzügen in den vier Quartalsabrechnungen.
|
|
Die Aufzeichnungen über die Durchführung der Umsatzabstimmung sowie über die bei Abweichung vorgenommenen Korrekturen sind mit den übrigen Unterlagen zur MWST-Abrechnung zwecks Einsichtnahme bei Kontrollen der ESTV aufzubewahren.
Die wichtigsten Risikopositionen der MWST
Den nachfolgenden Themenkreisen sollte der Steuerpflichtige erhöhte Aufmerksamkeit schenken. Die MWST-relevanten Unterlagen sind laufend so aufzubereiten, dass jederzeit eine ESTV-Kontrolle stattfinden kann. Zentral ist, die mehrwertsteuerliche Behandlung spezifischer Geschäftsfälle und Verträge fundiert zu klären und zu dokumentieren. Bei komplexen und wesentlichen Transaktionen wird empfohlen, bei der ESTV eine verbindliche Auskunft einzuholen.
1. Qualifizierung und Aufteilung der Umsätze
Die Umsätze sind in steuerpflichtige (7.7%, 2.5%, 3.7%), ausgenommene oder befreite Umsätze sowie hoheitliche oder andere Nichtumsätze aufzuteilen. Liegen kombinierte Leistungen vor, ist die Bestimmung noch anspruchsvoller.
2. Verrechnungsgeschäfte
Werden zwei Leistungen gegeneinander verrechnet, so sind beide Leistungen getrennt voneinander zu beurteilen (und allenfalls zu versteuern). Im Sponsoringbereich kommen solche Verrechnungen häufig vor.
3. Nutzungsänderungen
Verändert sich das Verhältnis zwischen steuerbaren und nichtsteuerbaren Umsätzen, so ist unter Umständen die Eigenverbrauchssteuer geschuldet, oder es kann eine Einlageentsteuerung geltend gemacht werden.
4. Prüfspur
Unter einer Prüfspur versteht die ESTV die Verfolgung der Geschäftsvorfälle sowohl vom Einzelbeleg über die Buchhaltung bis zur MWST-Abrechnung als auch in umgekehrter Richtung. Diese Prüfspur muss – auch stichprobenweise – ohne Zeitverlust jederzeit gewährleistet sein. Dabei ist nicht von Belang, ob und welche technischen Hilfsmittel zur Führung der Geschäftsbücher und Archivierung eingesetzt werden. Die Prüfspur verlangt insbesondere
-
einen übersichtlichen Aufbau der Geschäftsbücher sowie verständliche Buchungstexte in Buchhaltungen und Journalen;
-
Belege mit Kontierungs- sowie Zahlungsvermerken;
-
eine geordnete und systematische Klassierung und Aufbewahrung der Geschäftsbücher und Belege.
Sammelbuchungen oder der Zusammenzug mehrerer Systeme (z.B. Faktura- und Kassensysteme) in ein Hauptbuch können besondere Herausforderungen im Nachweis der steuerrelevanten Sachverhalte darstellen. Gemeinsame Ordnungsmerkmale sowie der Datenzugriff über Sortier- und Filterfunktionen erleichtern den Nachweis.
5. Export- und andere Nachweise
Warenausfuhren müssen mit zollamtlichen Exportbescheinigungen nachgewiesen werden. Für Ausland-Ausland-Lieferungen und Dienstleistungen im Ausland hat der Nachweis buch- und belegmässig zu erfolgen.
6. Aufbewahrung der relevanten Unterlagen
Sämtliche relevanten Unterlagen wie Kopien der Ausgangsrechnungen und Eingangsrechnungen sowie weitere Nachweise müssen mindestens sechs Jahre, Belege im Zusammenhang mit Liegenschaften mindestens 26 Jahre aufbewahrt werden.
7. Steuerpflicht im Ausland
Auch wenn Ausland-Ausland-Lieferungen und Dienstleistungen nicht der Schweizer Mehrwertsteuer unterstehen, können sich daraus MWST-Risiken ergeben. Oft unterliegen diese Leistungen dann einer ausländischen Steuergesetzgebung.
Reihen- und Dreiecksgeschäfte stellen in diesem Zusammenhang eine besondere Herausforderung dar. Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn mindestens drei Lieferanten über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschliessen und diese Geschäfte dadurch erfüllt werden, dass der letzte Abnehmer in der Reihe den Gegenstand der Lieferung beim ersten Lieferanten abholt oder durch einen Beauftragten (Spediteur, Transporteur) dort abholen lässt (Abhollieferung). Eine weitere Möglichkeit ist, dass der erste Lieferant in der Reihe den Gegenstand an den letzten Abnehmer befördert oder versendet (Beförderungs- oder Versandlieferung). Im grenzüberschreitenden Verkehr bergen solche Transaktionen MWST-Risiken.
8. Vorsteuerabzug/-korrektur
Damit ein Vorsteuerabzug vorgenommen werden kann, muss ein MWST-konformer Rechnungsbeleg vorliegen (bei Wareneinfuhren zudem ein Ausweis über die Einfuhrsteuer), und die bezogene Leistung muss für einen steuerbaren Zweck verwendet werden. Werden Leistungen sowohl für steuerbare als auch für ausgenommene oder für Nichtumsätze verwendet (sogenannte gemischte Verwendung), so muss der Abzug anteilmässig korrigiert werden. Das Bestimmen der Korrektur ist anspruchsvoll.
9. Leistungen ans Personal oder an nahestehende Personen
Die Leistungsbeziehungen zwischen dem steuerpflichtigen Unternehmen und seinem Personal sowie den Eigentümern und deren nahestehenden Personen stellen einen besonderen Themenkreis bei der MWST dar. Die diesbezügliche Verwaltungspraxis ist recht detailliert und wird laufend präzisiert und angepasst, letztmals in Form der im August 2021 angepassten MWST-Info 08 Privatanteile.
10. Konzerninterne Transaktionen
Als MWST-relevante Transaktionen gelten Umsätze (einschliesslich Kostenverrechnungen) sowohl zwischen verbundenen Gesellschaften als auch zwischen einer Betriebsstätte und ihrem ausländischen Stammhaus. Für diese Transaktionen müssen die entsprechenden Steuer folgen und Nachweise genauso beachtet werden wie bei Transaktionen unter Dritten (Rechnungsstellung, Umsatzabrechnung und Vorsteuerrückforderung, Bezugssteuerabrechnung, allenfalls Vorsteuerkorrekturen etc.). Unter Umständen kann eine Gruppenbesteuerung eine Optimierung schaffen.
11. Liegenschaften
Die Behandlung von Liegenschaften ist im Mehrwertsteuerrecht ein besonders risikoreicher Bereich. Es bestehen verschiedene Besonderheiten wie die Abgrenzung zwischen dem von der MWST ausgenommenen Verkauf einer Immobilie und dem steuerbaren Erbringen von baugewerblichen Leistungen, Nutzungsänderungen, Optionsmöglichkeiten bei Vermietung und Verkauf, Steuerpflicht von Konsortien usw., die beachtet werden müssen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Risiken betragsmässig schnell gross werden.
12. Veränderungen im Umfeld der Unternehmung
Unternehmenszusammenschlüsse oder -spaltungen und Verkäufe von Betrieben und Betriebsteilen sowie reine Namens- oder Domizilwechsel sind MWST-relevant. Für gewisse Veräusserungen ist das Meldeverfahren anzuwenden. Aber auch Mieterwechsel oder Veränderungen in der Produktpalette müssen unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer geplant werden.
Kontrolle vor Ort
Vor Ort verschafft sich der ESTV-Experte einen Überblick über Tätigkeit und Organisation des Betriebs. Für einen reibungslosen Auftakt empfiehlt sich eine einleitende Sitzung mit den Verantwortlichen (Geschäftsführer, Buchhalter, Treuhänder usw.). In einem nächsten Schritt prüft der MWST-Revisor aufgrund der Buchhaltung, der Buchungsbelege und Rechnungen die Vollständigkeit und Korrektheit der vom Steuerpflichtigen erstellten Deklarationen. Nebst umfassenden Prüfungshandlungen liegt dabei der Fokus erfahrungsgemäss auf Themengebieten wie Privatanteile, Bezugssteuern, Eigenverbrauch, Lieferungen an Nahestehende, ausgenommene und befreite Umsätze und Vorsteuerkorrekturen.
Ergebnisse beurteilen
Der ESTV-Experte bespricht das Resultat seiner Revision mit dem Steuerpflichtigen und händigt ihm das Kontrollergebnis (provisorische Berechnung der Nachbelastung oder Gutschrift) aus. Die definitive Einschätzungsmitteilung erhält der Steuerpflichtige kurz darauf postalisch.
|
WICHTIG
Bis zu ihrem Erhalt kann man mit der ESTV einen informellen Dialog führen.
|
|
So lassen sich allfällige Unstimmigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten unkompliziert und schnell lösen. Ist die schriftliche Einschätzungsmitteilung einmal eingetroffen, sind Korrekturen in der Regel nur noch auf dem Rechtsmittelweg möglich. Mit der vorbehaltlosen Bezahlung der Nachforderung ist die Kontrolle abgeschlossen.
Ist man mit dem Kontrollergebnis nicht einverstanden, muss man eine rechtsmittelfähige Verfügung verlangen. Nach dem Ausstellen dieser Verfügung ist eine Einsprache nur innert der Frist von 30 Tagen möglich. Eine Bezahlung der Nachforderung ist nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rechtsmittelbeurteilung zu empfehlen.
Fazit
Ziel des Steuerpflichtigen muss sein, alle aus der MWST-Kontrolle resultierenden Fragen restlos zu beantworten, bevor die Einschätzungsverfügung eintrifft. Dazu braucht es eine gute Vorbereitung. Diese gibt übrigens auch die Gewissheit, dass das Unternehmen MWST-Chancen und -Optimierungen erkannt hat.