Nutzniessung im Steuerrecht
In der Praxis kommen Nutzniessungen vor allem in zwei Bereichen vor: Ein Ehegatte hinterlässt dem überlebenden Ehegatten testamentarisch die Nutzniessung an dem den gemeinsamen Nachkommen zu Eigentum zufallenden Teil der Erbschaft. Jemand verkauft seine Liegenschaft, behält sich aber die lebenslange Nutzniessung am veräusserten Grundeigentum vor.
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Damit kann der Nutzniesser den Ertrag der unter die Nutzniessung fallenden Vermögenswerte an sich ziehen. Er kann z.B. eine Liegenschaft selbst bewohnen oder aber sie an Dritte vermieten. Er trägt die mit dem Nutzniessungsgut verbundenen ordentlichen Unterhaltskosten und Abgaben (und Hypothekarzinsen) und muss den Vermögenssteuerwert und den Ertrag versteuern. Der Eigentümer dagegen wird nicht mit Einkommens- und Vermögenssteuern belastet.
Die Nutzniessung bietet in gewissen Konstellationen Lösungsmöglichkeiten, die man mit üblichen Anordnungen nicht hätte:
Beispiel 1: Ein Ehepaar hat gemeinsame Kinder und möchte verhindern, dass bei Ableben einer der Ehegatten der überlebende Partner die Kinder für ihre Pflichtteile auszahlen muss. Um dem überlebenden Ehegatten die gewohnte Lebensweise zu sichern, wird verfügt, dass der überlebende Ehegatte die Nutzniessung am gesamten Nachlass erhält. Auf eine Sicherstellung kann verzichtet werden. Mit dieser Lösung wird auch verhindert, dass bei Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten Vermögenswerte an den neuen Ehegatten fliessen.
Beispiel 2: Ein Ehemann hat Kinder aus erster, geschiedener Ehe und ist wieder verheiratet (ohne Kinder aus zweiter Ehe). Er wohnt in einem Kanton, der Ehegatten und Nachkommen erbschaftssteuerfrei lässt. Ein Übergang von Stiefmutter an Stiefkinder würde aber 12% Erbschaftssteuern kosten (z.B. Kt. Zürich). Wenn der Erblasser nun seine Kinder (erbschaftssteuerfrei) zu Erben einsetzt und der Ehegattin (ebenfalls erbschaftssteuerfrei) die Nutzniessung einräumt, so fällt der Nachlass wirtschaftlich dereinst bei Ableben der Nutzniesserin an die Nachkommen. Dieser Vorgang löst dann keine Erbschaftssteuer aus, weil die Nachkommen bereits Eigentümer geworden waren und ihnen mit dem Ableben der Nutzniesserin nicht etwas zufällt, das sie nicht auch schon zuvor rechtlich besessen hatten.
Von der Nutzniessung abzugrenzen ist das blosse Wohnrecht, das sich üblicherweise auf einzelne Räumlichkeiten einer Liegenschaft bezieht und meist persönlich auszuüben ist (und keine Drittvermietung zulässt).
Vorsicht ist geboten bei der unentgeltlichen Einräumung von Nutzniessungen in einem der Erbschafts- oder Schenkungssteuer unterliegenden Bereich (z.B. im Kt. Zürich im Konkubinatsverhältnis). Hier wird nämlich der Barwert der Nutzniessung (z.B. der mit 5% kapitalisierte Jahresertrag) der Erbschafts- oder Schenkungssteuer unterworfen, was dazu führen kann, dass der Begünstigte einige Jahre die Erbschafts- oder Schenkungssteuer abbezahlt, bevor er wirtschaftlich in den Genuss seiner Nutzniessung kommt.
Nutzniessungen sind in der Beratungspraxis ein spannendes Feld. Sie setzen aber eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den Themen Einkommens-, Vermögens- Erbschafts- und Schenkungssteuern voraus, und dies unter Berücksichtigung von Pflichtteilsansprüchen und der jeweiligen interkantonalen Konstellationen.