Neues Pflichtteilsrecht – Handlungsbedarf in der Nachlassplanung
Die neuen Bestimmungen zum Pflichtteilsrecht finden auf alle Nachlässe der nach dem 31.12.2022 verstorbenen Erblasser Anwendung, unabhängig vom Datum ihres Testaments oder ihres Erbvertrages. Die Änderungen im neuen Erbrecht bringen mehr Flexibilität in der Nachlassplanung mit. Im Folgenden wird auf die höhere Verfügungsfreiheit und den damit zusammenhängenden Handlungsbedarf eingegangen.
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Mehr Verfügungsfreiheit
Mit dem neuen Pflichtteilsrecht kommt es zu zwei Anpassungen, welche die verfügbare Quote des Erblassers und damit seinen Spielraum bei der Planung des Nachlasses erhöhen. Die Pflichtteile der Nachkommen werden reduziert und die Pflichtteile der Eltern fallen ganz weg.
An der gesetzlichen Erbfolge, die zur Anwendung kommt, wenn der Erblasser keine Dispositionen trifft, wird nichts verändert.
Hinterlässt der Erblasser keine Nachkommen, erben nach wie vor die Eltern (gegebenenfalls zusammen mit dem Ehegatten). Grösser wird gegenüber dem bisherigen Recht lediglich die frei verfügbare Quote. Über diese kann neu zu Lasten des Pflichtteils der Eltern verfügt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass der Erblasser seinen Willen im Testament festhält.
Der Pflichtteil der Nachkommen bleibt bestehen. Er wird jedoch auf ½ des Erbanspruches reduziert (bisher ¾). Gleich bleibt der Pflichtteil der Ehegatten. Dieser beträgt weiterhin ½ des gesetzlichen Anspruchs. Erbt der überlebende Ehegatte zusammen mit Kindern des Erblassers beträgt die freie Quote neu ½ des Nachlasses.
Beim häufigen Fall, dass dem überlebenden Ehegatten die Nutzniessung an dem den Nachkommen zufallenden Teil der Erbschaft nach Art. 473 ZGB eingeräumt wird, beträgt die frei verfügbare Quote damit ½, die dem überlebenden Ehegatten zusätzlich zugewendet werden kann.
Handlungsbedarf
Das revidierte Erbrecht kennt keine Übergangsbestimmungen. Es kommt für Erbfälle ab dem 01.01.2023 ausnahmslos zur Anwendung. Wer in einem Testament Bezug auf die Pflichtteile genommen hat, sollte überprüfen, ob er damit nur den aktuellen Pflichtteil oder den zukünftigen (kleineren) Pflichtteil meinte. Gegebenenfalls ist dies zu präzisieren und das Testament ist mit einer entsprechenden Information zu ergänzen. Ohne entsprechende Vorkehrungen gilt der neue Pflichtteil.
Erbverträge
Zu überprüfen sind auch allfällige bestehende Erbverträge. Neu können Zuwendungen des Erblassers zu Lebzeiten oder auf seinen Tod hin, die mit einem bestehenden Erbvertrag nicht vereinbar sind oder im Erbvertrag nicht vorbehalten worden sind, vom Vertragspartner angefochten werden. Davon ausgenommen sind Gelegenheitsgeschenke.