Wichtige Gesetzesänderungen 2023
Auch im Jahr 2023 werden wieder zahlreiche Gesetzesbestimmungen geändert, neu eingeführt oder aufgehoben. Der nachfolgende Artikel gibt einen Überblick über ausgewählte neue Bestimmungen.
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Frage
Welche Gesetzesbestimmungen ändern sich im Jahr 2023?
Antwort
Neue Bestimmungen gelten u.a. für das Erbrecht, das Aktienrecht, das Datenschutzgesetz und das Steuerrecht.
Erbrecht
Das revidierte Erbrecht trat per 1. Januar 2023 in Kraft. Die wichtigste Änderung betrifft die Reduktion der Pflichtteile der Nachkommen sowie den Wegfall der Pflichtteile der Eltern. Neu wird der Pflichtteil von Nachkommen des Erblassers von bisher 3/4 des gesetzlichen Erbanspruchs auf 1/2 reduziert. Der Pflichtteilsanspruch der Eltern fällt ganz weg. Der Pflichtteilsanspruch des überlebenden Ehegatten bleibt unverändert (1/2).
Pro memoria: Der Pflichtteil bezeichnet denjenigen Teil des Nachlasses des Erblassers, der dem pflichtteilsgeschützten Erben zwingend zusteht. Beispiel: Wenn beim Versterben des zweiten Elternteils drei Kinder erben, dann erhält jedes Kind 1/3 des Nachlasses. Bis 31. Dezember 2022 betrug der Pflichtteil pro Kind 3/4 von 1/3 (= 1/4), seit 1. Januar 2023 beträgt der Pflichtteil pro Kind nur noch 1/2 von 1/3 (= 1/6).
Der Zeitpunkt des Todes des Erblassers entscheidet, ob das neue oder das alte Erbrecht Anwendung findet. Das neue Erbrecht gilt für Todesfälle, die ab dem 1. Januar 2023 eintreten bzw. eingetreten sind.
Aktienrecht
Nachdem bereits auf den 20. Oktober 2020 die Bestimmung zur Verlängerung der Nachlassstundung und auf den 1. Januar 2021 die Bestimmungen zu den Geschlechterrichtwerten in Verwaltungsräten börsenkotierter Gesellschaften sowie die Bestimmungen zur Rohstofftransparenz in Kraft gesetzt wurden, sind per 1. Januar 2023 die übrigen revidierten Bestimmungen zum Aktienrecht in Kraft getreten.
Aktienkapital in Fremdwährung
Das Aktienkapital einer schweizerischen Aktiengesellschaft kann neu auch auf eine ausländische Währung (Euro, britisches Pfund, US-Dollar oder japanischer Yen) lauten, sofern es sich um eine für die Geschäftstätigkeit wesentliche Währung handelt. Die Buchführung und Rechnungslegung muss in derselben Währung erfolgen.
Kapitalband
Mit dem neu geschaffenen Kapitalband erhält die Generalversammlung («GV») die Möglichkeit, bei gegebener statutarischer Grundlage den Verwaltungsrat zu ermächtigen, das im Handelsregister eingetragene Aktienkapital um 50% des eingetragenen Aktienkapitals herauf- und/oder herabzusetzen. Damit sollen für die Aktiengesellschaft die Beseitigung einer Überkapitalisierung und die Beschaffung neuer Eigenmittel erleichtert werden.
Flexiblere Generalversammlung
Neu kann die GV ihre Beschlüsse auf schriftlichem Weg auf Papier oder in elektronischer Form fassen, sofern nicht ein Aktionär die mündliche Beratung verlangt. Die GV kann an verschiedenen Orten gleichzeitig durchgeführt werden, sofern die Voten der Teilnehmer unmittelbar in Bild und Ton an sämtliche Tagungsorte übertragen werden. Wenn es die Statuten vorsehen, kann die GV auch virtuell, d.h. ohne physischen Tagungsort, sondern ausschliesslich mit elektronischen Mitteln durchgeführt werden, solange die Aktionäre ihre Voten direkt vorbringen können («direct-voting»). Das GV-Protokoll muss weiterhin vom Vorsitzenden und dem Protokollführer unterzeichnet werden.
Verwaltungsratssitzungen
Verwaltungsratsbeschlüsse auf dem Zirkularweg waren bereits nach altem Recht zulässig, neu können diese Beschlüsse in rein elektronischer Form und ohne Tagungsort, also per E-Mail, gefasst werden, sofern kein Verwaltungsratsmitglied die mündliche Beratung verlangt. Von diesen Sitzungen ist weiterhin ein Protokoll zu erstellen, welches vom Vorsitzenden und vom Protokollführer zu unterzeichnen ist.
Zwischendividende
Sofern es die Statuten der Gesellschaft vorsehen, kann die GV gestützt auf einen vom Verwaltungsrat zu erstellenden und von einer Revisionsstelle zu prüfenden Zwischenabschluss die Ausschüttung einer Zwischendividende beschliessen. Auf die Prüfung des Zwischenabschlusses kann verzichtet werden, wenn die Gesellschaft auf die eingeschränkte Revision verzichtet hat und wenn sämtliche Aktionäre der Gesellschaft der Ausrichtung der Zwischendividende zustimmen und dadurch keine Forderungen der Gläubiger gefährdet werden.
Zahlungsfähigkeit, Kapitalverlust und Überschuldung
Der neue Artikel 725 OR schafft neue Pflichten für den Verwaltungsrat einer in finanzielle Schieflage geratenen Gesellschaft. Neu ist der Verwaltungsrat ausdrücklich verpflichtet, die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft zu überwachen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit hat er schnell wirksame Massnahmen zu ergreifen.
Zeigt die letzte Jahresrechnung einen Kapitalverlust (= Aktiven abzüglich der Verbindlichkeiten deckt nicht mehr die Hälfte der Summe aus Aktienkapital, nicht an die Aktionäre zurückzahlbare gesetzliche Kapitalreserve und gesetzliche Gewinnreserve) ist neu der Verwaltungsrat einer Gesellschaft ohne Revisionsstelle (Opting-out) verpflichtet, die letzte Jahresrechnung durch einen zugelassenen Revisor mittels eingeschränkter Revision prüfen zu lassen. Die Pflicht zur Prüfung gilt für alle Abschlüsse mit Kapitalverlust, die per 31. Dezember 2022 noch nicht durch die GV abgenommen worden sind.
Datenschutzgesetz
Am 1. September 2023 tritt das totalrevidierte Datenschutzgesetz sowie die neue Datenschutzverordnung und die neue Verordnung über Datenschutzzertifizierungen in Kraft. In den Anwendungsbereich des Datenschutzgesetzes fallen künftig nur noch Personendaten von natürlichen Personen, nicht aber von juristischen Personen. Genetische und biometrische Daten werden neu in den Katalog der besonders schützenswerten Daten aufgenommen, welcher bereits heute unter anderem religiöse und die Gesundheit betreffende Daten umfasst. Neu eingeführt werden die Grundsätze «Privacy by Design» und «Privacy by Default». Ersterer bedeutet «Datenschutz durch Technikgestaltung» und verlangt von den datenverarbeitenden Stellen die Datenbearbeitung technisch und organisatorisch so auszugestalten, dass die Datenschutzvorschriften eingehalten werden. Letzterer bedeutet «Datenschutz durch Voreinstellung» und verpflichtet die datenverarbeitende Stelle, mittels geeigneter Voreinstellungen sicherzustellen, dass die Bearbeitung der Personendaten auf das für den Verwendungszweck nötige Mindestmass beschränkt ist, soweit die betroffene Person nicht etwas anderes bestimmt.
Adoptionsentschädigung und -urlaub
Neu haben zwei erwerbstätige Elternteile, die ein Kind unter vier Jahren zur Adoption aufnehmen, Anspruch auf einen zweiwöchigen über die EO entschädigten Adoptionsurlaub (max. CHF 196 pro Tag). Der Adoptionsurlaub darf nicht von beiden Eltern gleichzeitig bezogen werden. Die Voraussetzungen für die Adoptionsentschädigung sind die gleichen wie für die Mutter- und Vaterschaftsentschädigung, d.h. die gesuchstellende Person muss zum Zeitpunkt, in dem sie das Kind aufnimmt, arbeitnehmend oder selbständigerwerbend sein, während der letzten neun Monate vor der Aufnahme des Kindes bei der AHV versichert gewesen sein und in dieser Zeit während mindestens fünf Monaten eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben. Der Adoptionsurlaub muss innerhalb des ersten Jahres nach der Aufnahme des Kindes tages- oder wochenweise bezogen werden, danach entfällt der Anspruch.
Steuerrecht
Höherer Abzug für Kinderdrittbetreuung
Künftig können von der direkten Bundessteuer pro Kind maximal CHF 25’000 statt wie bisher CHF 10’100 abgezogen werden. Unverändert geblieben sind die Voraussetzungen für den Abzug. Die Kosten für das drittbetreute Kind müssen vor Vollendung des 14. Altersjahres entstehen, das Kind muss im selben Haushalt leben wie die steuerpflichtige Person, welche für seinen Unterhalt sorgt und die Kosten müssen im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit der steuerpflichtigen Person stehen und anhand von Belegen nachgewiesen werden.
Lockerung der Mehrwertsteuerpflicht für Vereine
Nicht gewinnstrebige, ehrenamtlich geführte Sport- oder Kulturvereine oder gemeinnützige Institutionen sind bis zu einem Umsatz von CHF 250’000 von der Mehrwertsteuerpflicht befreit (bisher CHF 150’000). Für die Löschung aus dem Mehrwertsteuerregister ist eine schriftliche Abmeldung bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung notwendig.
Sozialversicherungen
Wegfall des ALV-Solidaritätsbeitrages
Der seit 2011 zur Finanzierung der Arbeitslosenversicherung erhobene Solidaritätsbeitrag von 1.00% für Einkommensanteile von über CHF 148’200 fällt ab dem 1. Januar 2023 weg.
BVG-Obligatorium
Aufgrund der aktuellen Preis- und Lohnentwicklung wird der Koordinationsabzug von CHF 25’095 (2022) auf CHF 25’725 (2023) erhöht. Der maximal koordinierte BVG-Lohn beträgt neu CHF 62’475 (bisher CHF 60’945).
Säule 3a
Für Unselbständigerwerbende beträgt der maximale Steuerabzug für die Säule 3a neu CHF 7’056 (bisher: CHF 6’883). Für Selbständigerwerbende ohne zweite Säule beträgt der maximale Steuerabzug neu CHF 35’280 (bzw. max. 20% des Erwerbseinkommens).