Freiwillige Versicherungen für KMU
Neben den obligatorischen Sozialversicherungen (AHV, ALV, EO, BVG und UV) und weiteren gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen steht es jedem KMU frei, für sich und/oder seine Mitarbeiter freiwillige Versicherungen abzuschliessen. Der nachfolgende Artikel gibt einen Überblick über Inhalt und Zweck der geläufigsten dieser freiwilligen Versicherungen und welche Kriterien bei der Wahl beachtet werden sollten.
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Frage
Welche freiwilligen Versicherungen gibt es und wie gehe ich bei der Auswahl vor?
Antwort
Sachversicherung
Mit einer Sachversicherung werden Gebäude, Werkzeuge, Maschinen, Einrichtungen und Vorräte gegen Sachschaden infolge Feuer-, Elementar-, Diebstahl- und Wasserereignisse versichert. In aller Regel sind neben den Sachen selber auch die Kosten für das Aufräumen und deren Entsorgung enthalten. Häufig lässt sich die Sachversicherung mit einer Betriebsunterbruchversicherung kombinieren, welche den durch den Sachschaden entstandenen Ertragsausfall deckt, wobei sich die Deckung auch auf bestimmte Betriebsbereiche beschränken lässt, um dadurch die Prämienlast zu senken. Grössere Neuanschaffungen oder der Verkauf von bereits versicherten Sachen sollten der Versicherung möglichst früh mitgeteilt werden.
Betriebshaftpflichtversicherung
Die Betriebshaftpflichtversicherung übernimmt die Kosten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden, welche Dritten oder deren Eigentum zugefügt wurden und wofür das Unternehmen und/oder seine Mitarbeiter einzustehen haben. Der Abschluss einer solchen Versicherung ist für jedes Unternehmen unabhängig von Rechtsform und Tätigkeitsgebiet sinnvoll.
Eine Unterkategorie der Betriebshaftpflichtversicherung stellt die Produkthaftpflichtversicherung dar, welche das Unternehmen gegen Schadenersatzansprüche versichert, die auf fehlerhaften Produkten des Unternehmens beruhen.
Einen ähnlichen Anwendungsbereich wie die Betriebshaftpflichtversicherung hat die Berufshaftpflichtversicherung. Sie deckt Schäden, welche Dritten aus der Ausübung der beruflichen Tätigkeit entstehen. Sie wird vor allem für Berufe mit hoher Verantwortung angeboten und ist für bestimmte Berufsgruppen wie beispielsweise Ärzte oder Rechtsanwälte zwingend vorgeschrieben.
Cyber-Versicherung
Ohne digitale Daten und Software ist heutzutage eine unternehmerische Geschäftstätigkeit nicht mehr denkbar. Einen vollständigen Schutz der eigenen IT-Infrastruktur gibt es nicht und jedes Unternehmen kann Ziel eines Cyber-Angriffes werden. Zumeist verlangen die Angreifer für die Wiederfreigabe der Daten ein Lösegeld. Dem betroffenen Unternehmen bleibt häufig nichts anderes übrig, als das Lösegeld zu bezahlen. Der durch den Cyber-Angriff entstandene Schaden ist jedoch nicht auf die Lösegeldforderung und den Betriebsunterbruch beschränkt. Weitere Schadenspositionen sind beispielsweise die fachliche Betreuung für den Wiederaufbau der geschädigten IT-Infrastruktur, die Datenwiederherstellung und auch der Vertrauensverlust bei den Kunden, deren Daten vom Angriff betroffen sind. Das Bedürfnis von Unternehmen nach Versicherungslösungen gegen Cyber-Angriffe ist deshalb in den letzten Jahren stark gewachsen und mittlerweile bieten die Versicherungen unter dem Begriff «Cyber-Versicherung» zahlreiche Versicherungsmodelle an.
Die meisten Cyber-Versicherungen decken die Aufwände für die durch den Angriff notwendigen Sofortmassnahmen. Diese beinhalten die Bereitstellung eines Notfall-Überbrückungssystems während des Angriffs sowie die fachliche Betreuung und Aufarbeitung nach dem Angriff. Diese Leistungen werden zumeist von auf IT-Security spezialisierten Partnerunternehmen der Versicherungen erbracht. Weitere Schadendeckungspositionen betreffen die Haftpflicht (für Forderungen von Kunden, die ihre Ursache im Cyber-Angriff haben), die Datenwiederherstellung, das Lösegeld und den Betriebsunterbruch (Ertragsausfall), wobei eine Versicherungsdeckung für die beiden letztgenannten Positionen die Versicherungsprämien sehr schnell in die Höhe treiben können.
Nebst der Wahl der richtigen Cyber-Versicherung ist dem Geschäftsmodell und den Daten, mit denen das Unternehmen arbeitet, Rechnung zu tragen. Eine effiziente Versicherungslösung bedingt zudem ab Versicherungsabschluss einen regelmässigen Austausch des versicherten Unternehmens mit den IT-Security-Partnern, wozu auch Mitarbeiterschulungen gehören können.
Krankentaggeldversicherung
Ein Unternehmen kann freiwillig seine Mitarbeiter gegen Lohnausfall infolge Krankheit, Unfall oder Mutterschaft versichern lassen und dafür eine Krankentaggeldversicherung (KTG-Versicherung) abschliessen. Das Risiko der Lohnfortzahlung wird dann vom Arbeitgeber auf die KTG-Versicherung überwälzt, welche dem Unternehmen ein Taggeld für den arbeitsunfähigen Mitarbeiter auszahlt. Das Unternehmen leitet diese Taggelder dem arbeitsunfähigen Mitarbeiter weiter und muss diesem im Gegenzug keinen Lohn mehr ausbezahlen. Das Taggeld beträgt in der Regel 80% des letzten Lohnes und es wird bis zu einer Dauer von 720 respektive 730 Kalendertagen ausgerichtet. Schliesst das Unternehmen keine KTG-Versicherung ab, muss es dem arbeitsunfähigen Mitarbeiter während einer gewissen Dauer, die sich nach den Dienstjahren des Mitarbeiters bemisst (entweder anhand der Basler, Berner oder Zürcher Skala), den vollen Lohn weiterbezahlen. Bei einer langen Arbeitsunfähigkeit des betroffenen Mitarbeiters kann somit eine KTG-Versicherungsdeckung für das Unternehmen finanziell sinnvoll sein.
Die KTG-Versicherung zahlt die Taggelder entsprechend der Versicherungsvereinbarung erst nach einer Wartefrist von 30, 60 oder 90 Tagen aus. Während dieser Wartefrist muss das Unternehmen dem arbeitsunfähigen Mitarbeiter weiterhin entweder den vollen Lohn oder – sofern es im Arbeitsvertrag explizit vereinbart wurde – nur 80% des Lohnes ausbezahlen (es ist zu beachten, dass viele Gesamtarbeitsverträge zwingend einen Anspruch des Arbeitnehmers auf mehr als 80% des Lohnes während der Wartefrist vorsehen). Je kürzer die Wartefrist ist, desto höher sind die Prämien für die KTG-Versicherung.
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Die freiwillige Taggeldversicherung kann nach zwei verschiedenen Gesetzen abgeschlossen werden, einerseits nach dem sozialversicherungsrechtlichen Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) und anderseits nach dem privatversicherungsrechtlichen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG). Unterschiede zwischen KTG-Versicherungen nach KVG oder VVG können sich insbesondere in Bezug auf die Leistungen und den Übertritt des betroffenen Mitarbeiters in die Einzelversicherung bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses während des Taggeldbezugs ergeben.
Die Wahl der richtigen KTG-Versicherung hängt von verschiedenen Faktoren wie der Zusammensetzung der Mitarbeiterschaft, der Lohnsumme, den Pensen und der Art der Tätigkeit der Mitarbeiter ab. Falls vorhanden, kann ein Blick in die Absenzen der Mitarbeiter in den letzten Jahren für die Versicherungswahl hilfreich sein.
Gesetzliche Grundlage
Mit Ausnahme der erwähnten KTG-Versicherung nach KVG gelten für die freiwilligen Versicherungen in der Schweiz die Bestimmungen des VVG. Das VVG wurde per 1. Januar 2022 teilrevidiert und die neu in Kraft getretenen Änderungen bieten den Versicherungsnehmer mehr Schutz vor einseitigen Versicherungsvertragsbedingungen. Zu den wichtigsten Änderungen der Teilrevision gehören u.a.:
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ein 14-tägiges Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers nach Beantragung oder Abschluss des Versicherungsvertrages;
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die Verjährungsfrist für Forderungen aus dem Versicherungsvertrag wurden bis auf wenige Ausnahmen von zwei auf fünf Jahre verlängert;
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Versicherungsverträge mit langer Laufzeit können nun auf das Ende des dritten Jahres oder jedes darauf folgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten gekündigt werden;
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Kompatibilität mit dem heutigen elektronischen Geschäftsverkehr, indem gültige Mitteilungen nicht nur auf Papier, sondern auch per E-Mail oder SMS gemacht werden können. Bei wichtigen (frist- und rechtswahrenden) Mitteilungen, wie bspw. der Vertragskündigung, sollte weiterhin die Papierform mit Originalunterschrift verwendet werden.
Diese neuen Bestimmungen sollten in den Allgemeinen Vertragsbedingungen der Versicherungen bereits umgesetzt sein, es empfiehlt sich aber dennoch, die Vertragsbedingungen dahingehend zu überprüfen.
Die richtige Wahl
In Anbetracht der Vielzahl an angebotenen Versicherungslösungen fällt die richtige Wahl nicht leicht. Bei der Versicherungswahl sollte ein Unternehmen stets sein eigenes konkretes Geschäftsmodell und -umfeld vor Augen haben und die Versicherung dementsprechend auswählen. Vor allem die finanziellen Auswirkungen für das Unternehmen sollten in den Fokus gerückt werden, wobei die folgenden Fragen wegleitend sein können: Welches Schadenereignis tritt im Unternehmen am wahrscheinlichsten auf? Welches sind die Folgen eines solchen Schadens und wie möchte ich das Unternehmen dagegen versichern? Welche Folgeschäden zieht ein konkreter Schadenfall für das Unternehmen nach sich? In welchem Verhältnis stehen die finanziellen Folgen eines Schadenfalles und die jährlichen Versicherungsprämien zueinander? Gab es im Unternehmen in der Vergangenheit schon Schadenfälle und wie soll das Unternehmen inskünftig für solche Fälle versichert sein? Lassen sich bereits eingetretene Schadenfälle anhand der Jahresabschlüsse ungefähr ermitteln? Können aufgrund neuer Versicherungslösungen allenfalls sogar Rückstellungen reduziert werden?
Auch sind stets mehrere Offerten einzuholen und miteinander zu vergleichen. Die Policen und Versicherungsbedingungen sollten sorgfältig dahingehend geprüft werden, ob die wahrscheinlichsten Schadenfälle von der Versicherungslösung abgedeckt werden. Aufgrund der oft sehr technischen Versicherungsbedingungen kann der Einbezug externer Fachpersonen sinnvoll sein.
Fazit
Vor dem Abschluss einer freiwilligen KMU-Versicherung sind die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadenfalls, dessen Auswirkungen auf das Unternehmen sowie die durch den Versicherungsabschluss entstehende Prämienlast sorgfältig abzuwägen. Steht der Entscheid zum Versicherungsabschluss fest, sind stets mehrere Offerten einzuholen, um Vergleichswerte zu erhalten. Schliesslich gilt es auch zu prüfen, ob die ins Auge gefasste Versicherungslösung auf den konkreten Betrieb abgestimmt ist. Für die Prüfung der oft sehr technischen Versicherungsbedingungen empfiehlt sich der Einbezug von Fachpersonen.