Neues Aktienrecht: Ende der Übergangsfrist
Per 1. Januar 2023 ist das revidierte Aktienrecht in Kraft getreten und hat zahlreiche Änderungen mit sich gebracht. Am 31. Dezember 2024 läuft die zweijährige Übergangsfrist zur Umsetzung dieser Änderungen ab. Nach Ablauf dieser Übergangsfrist werden Bestimmungen in Statuten, Reglementen und Verträgen, die dem neuen Aktienrecht widersprechen, automatisch ungültig. Wir empfehlen, diese vorgängig kritisch zu prüfen.
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Frage
In welchen Fällen empfiehlt sich eine Anpassung der Statuten vor Ablauf der Übergangsfrist?
Antwort
Übersicht
Per 1. Januar 2023 ist das revidierte Aktienrecht in Kraft getreten und hat insbesondere in Bezug auf das Aktienkapital, die Aktionärsrechte und die finanzielle Verantwortung des Verwaltungsrates zahlreiche Änderungen mit sich gebracht. Ein Teil dieser neuen Bestimmungen gilt automatisch seit Inkrafttreten des neuen Rechts am 1. Januar 2023. Manche Bestimmungen erfordern zunächst eine Umsetzung in den Statuten und Reglementen oder sie widersprechen sogar bestehenden Regelungen in Statuten und Reglementen. Gemäss Übergangsrecht behalten dem neuen Aktienrecht widersprechende Statuten- und Relgementsbestimmungen ihre Wirkung während einer Übergangsfrist von zwei Jahren. Danach werden sie ungültig. Diese Übergangsfrist läuft am 31. Dezember 2024 ab. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden aufgezeigt, in welchen Fällen eine Statutenänderung zu empfehlen oder gar erforderlich ist.
Erforderliche Statutenänderungen
Grundsätzlich wurde die Aktienrechtsrevision so konzipiert, dass Gesellschaften nicht zu Statutenänderungen gezwungen werden. Eine dem neuen Aktienrecht widersprechende Statutenbestimmung verliert daher per 31. Dezember 2024 automatisch ihre Gültigkeit und die entsprechende gesetzliche Bestimmung tritt an deren Stelle. Nichtsdestotrotz können solche, dem neuen Aktienrecht widersprechende, Statutenbestimmungen inskünftig problematisch werden. Werden Sie nämlich vergessen, können sie bei künftigen Statutenänderungen, beispielsweise bei Sitz- oder Firmenänderungen, zu Beanstandungen des Handelsregisters führen. Solche dem neuen Aktienrecht widersprechende Statutenbestimmungen finden sich insbesondere bei den Aktionärsrechten. Während beispielsweise das alte Aktienrecht und damit viele Statuten für die Ausübung der Aktionärsrechte auf das gehaltene Aktienkapital abstellen, ist neu regelmässig auch die Anzahl der Stimmen relevant.
Weiter sind seit Inkrafttreten des neuen Aktienrechtes Verwaltungsräte jeweils einzeln zu wählen, sofern die Statuten keine Gruppenwahl vorsehen. Nicht börsenkotierte Gesellschaften, welche ihre Verwaltungsräte weiterhin insgesamt, d.h. in globo (wieder-)wählen möchten, müssen dies folglich neu in den Statuten entsprechend vorsehen.
Schliesslich kann eine Statutenänderung erforderlich sein, wenn die Aktionäre verhindern möchten, dass der Verwaltungsrat die Geschäftsführung an einzelne Mitglieder oder an Dritte delegiert. Nach altem Recht war hierfür eine entsprechende statutarische Grundlage erforderlich. Nach neuem Recht muss hingegen die Delegation in den Statuten nicht mehr erlaubt, sondern explizit verboten werden.
Weitere Anpassungsgründe
Neben den genannten Gründen, welche eine Anpassung der Statuten erforderlich machen, hat das neue Aktienrecht auch zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, deren Nutzung zunächst in den Statuten verankert werden muss. Dabei geht es insbesondere um Bestimmungen in Bezug auf die Aktionärsrechte und die Generalversammlung.
Generalversammlung
Das neue Aktienrecht sieht eine Vielzahl an unterschiedlichen Formen für die Durchführung der Generalversammlung vor. Die Generalversammlung kann neu ohne Tagungsort und ausschliesslich virtuell durchgeführt werden. Weiter können Aktionäre bei einer Generalversammlung mit physischem Tagungsort ihre Rechte neu auch durch elektronische Mittel und ohne physische Teilnahme ausüben. Schliesslich kann die Generalversammlung neu auch an mehreren Tagungsorten gleichzeitig, mit Tagungsort im Ausland oder auf dem Zirkularweg durchgeführt werden. Die rein virtuelle Durchführung der Generalversammlung sowie ein Tagungsort im Ausland erfordern jedoch eine entsprechende statutarische Grundlage. Zudem empfiehlt es sich, hierzu weitere Einzelheiten in den Statuten oder in einem Reglement festzulegen.
Ebenfalls neu ist die Möglichkeit, bei Stimmgleichheit in der Generalversammlung einen Stichentscheid des Vorsitzenden vorzusehen, was jedoch eine Grundlage in den Statuten erfordert. Nach altem Recht, war Zulässigkeit des Stichentscheids des Vorsitzenden umstritten.
Nach dem neuen Aktienrecht ist es schliesslich möglich, den Geschäfts- und Revisionsbericht 20 Tage vor der Generalversammlung elektronisch zugänglich zu machen. Auf die physische Auflage am Gesellschaftssitz kann somit verzichtet werden. Ist diese in den geltenden Statuten noch vorgesehen, empfiehlt sich eine entsprechende Anpassung.
Aktienkapital
Auch in Bezug auf das Aktienkapital werden den Gesellschaften neue Möglichkeiten an die Hand gegeben. Beispielsweise können Gesellschaften das Aktienkapital in ihrer funktionalen, d.h. der für ihre Geschäftstätigkeit wesentlichen Währung führen. Dies bedeutet insbesondere für diejenigen Gesellschaften eine Vereinfachung, welche für die Buchführung und Rechnungslegung eine andere Währung als den Schweizer Franken gewählt haben. Derzeit ist die Führung des Aktienkapitals in CHF, EUR, USD, GBP und JPY zulässig. Ein entsprechender Wechsel kann durch die Generalversammlung per Beginn eines Geschäftsjahres beschlossen werden und erfordert eine entsprechende Anpassung der Statuten.
Weiter sind die Bestimmungen zur beabsichtigten Sachübernahme weggefallen. Nach altem Recht musste bei der Gründung einer Gesellschaft, welche im Zusammenhang mit oder nach der Gründung die Übernahme von Vermögenswerten von einem Aktionär beabsichtigte, eine entsprechende Bestimmung in die Statuten aufgenommen und im Handelsregister eintragen werden. Durch den Wegfall der entsprechenden Rechtsgrundlagen können allfällige bestehende Sachübernahmeartikel ohne Weiteres aus den Statuten gestrichen und eine Löschung des entsprechenden Handelsregistereintrages verlangt werden. Nach dem alten Aktienrecht war dies erst nach Ablauf von zehn Jahren seit der Gründung möglich.
Schliesslich sieht das neue Aktienrecht auch Nennwerte von Aktien unter einem Rappen vor. Einzige Voraussetzung ist, dass der Nennwert grösser als Null ist. Möchte man davon Gebrauch machen, ist eine Statutenänderung erforderlich.
Reglemente und Verträge
Zu beachten ist, dass Anpassungen in den Statuten häufig auch eine entsprechende Revision der Reglemente und Verträge der Gesellschaft, welche in der Regel auf den Statuten basieren, erforderlich machen. Dabei ist insbesondere auch an den Aktionärsbindungsvertrag zu denken.
Zudem kann sich unabhängig von den Statuten ein Anpassungsbedarf ergeben. Beispielsweise räumt das neue Aktienrecht dem Verwaltungsrat viele zusätzliche Freiheiten in der Sitzungsführung, Entscheidungsfindung und Protokollierung ein. Neu können Verwaltungsratssitzungen beispielsweise ohne Weiteres mit elektronischen Mitteln abgehalten werden sowie Beschlüsse auch auf elektronischem Weg und ohne Unterschrift gefasst werden. Diese neuen Freiheiten bergen auch Risiken und es empfiehlt sich, diese Prozesse im Organisationsreglement klar zu regeln.
Fazit
In den meisten Fällen ist kein unmittelbares Handeln erforderlich. Dem neuen Aktienrecht widersprechende Bestimmungen in Statuten, Reglementen und Verträgen werden per 31. Dezember 2024 automatisch ungültig und durch die entsprechende gesetzliche Bestimmung ersetzt. In Einzelfällen ist jedoch eine Anpassung erforderlich, um ungewollte Rechtsfolgen zu verhindern. Zudem können verschiedene Möglichkeiten, welche das neue Aktienrecht bereithält, nur genutzt werden, wenn vorgängig in den Statuten eine entsprechende Grundlage geschaffen wird.
Es ist jedoch zu empfehlen, den Ablauf der Übergangsfrist als Anlass zu nehmen, die Rechtsgrundlagen der eigenen Gesellschaft kritisch zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Dabei sind neben den Statuten auch allfällige Reglemente und Verträge (insbesondere der Aktionärsbindungsvertrag) in die Prüfung einzubeziehen.
Die Rechtsanwälte der Treuhandund Revisionsgesellschaft Mattig-Suter und Partner beraten und unterstützen Sie hierbei gerne.