Neuerungen und Änderungen bei der Mehrwertsteuer
Die Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) aktualisiert laufend ihre Publikationen zur Mehrwertsteuer, die aus verschiedensten MWST-Infos und MWST-Branchen-Infos bestehen. Einige dieser Änderungen sind per 1. Januar 2016 oder im Laufe des Jahres 2015 in Kraft getreten.
Frage
Was hat sich in Bezug auf die Mehrwertsteuer geändert?
Antwort
Steuerpflicht von Non-Profit-Organisationen
Üben Non-Profit-Organisationen eine unternehmerische Tätigkeit aus, können sie sich der MWST unterstellen. Sie dürfen dann die als Vorsteuer bezahlte MWST zurückfordern. Da die ESTV Vorteile nur äusserst zurückhaltend einräumt, hat sie bei der Mehrwertsteuerpflicht relativ restriktive Voraussetzungen aufgestellt. So müssen beispielsweise Non-Profit-Organisationen (NPO) in jedem einzelnen Tätigkeitsbereich prüfen, ob es sich um eine sogenannte «unternehmerische Tätigkeit» handelt. Gemäss ESTV-Praxis gilt eine nach aussen auftretende, in sich geschlossene wirtschaftliche Einheit als Tätigkeitsbereich. Eine wirtschaftliche Einheit liegt vor, wenn eine bestimmte Tätigkeit sachlich, räumlich und zeitlich autonom existieren könnte bzw. sinnvoll wäre.
Eine Tätigkeit gilt als unternehmerisch, wenn für das Ausüben der Tätigkeit ein unternehmerischer Grund vorliegt; dies selbst dann, wenn mit dem Geschäft keine oder nur geringe Entgelte erzielt werden. Als typisches Beispiel nennt die ESTV in ihren Praxisanweisungen das Museum eines Uhrenherstellers, das ohne Eintrittsgeld besucht werden kann und in erster Linie der Markenpflege dient. Umstritten sind Tätigkeitsbereiche, die nicht ausdrücklich einer anderen steuerbaren Tätigkeit dienen, aber trotzdem nicht kostendeckend betrieben werden. Solche Tätigkeitsbereiche stellen nach der bis Ende 2015 publizierten Praxis der ESTV nur dann eine unternehmerische Tätigkeit dar, wenn die Einnahmen aus diesem Geschäft (ohne Zinsund Kapitalerträge) mindestens 25% des Aufwands aus dieser Aktivität decken. Diese Praxis hat das Bundesgericht (BGer 2C_781/2014 vom 19. April 2015) jetzt als gesetzwidrig erklärt. Dank dem Bundesgerichtsentscheid bleibt die Stiftung nun mehrwertsteuerpflichtig und kann die Vorsteuern im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit weiterhin abziehen. Die ESTV hat die publizierte Praxis dazu per 1. Januar 2016 ersatzlos zurückgezogen.
Grenzüberschreitender Einsatz von Geschäftsfahrzeugen
Der grenzüberschreitende Einsatz von Geschäftsfahrzeugen führt zunehmend zu Problemen bei der Mehrwertsteuer und beim Zoll. Die EU hat mit einer Durchführungsverordnung bestimmt, dass ab 1. Mai 2015 die private Nutzung von Geschäftsfahrzeugen, die ein Schweizer Arbeitgeber seinem im Ausland wohnhaften Mitarbeiter zur Verfügung stellt, für Fahrten zwischen dem Arbeitsort in der Schweiz und dem ausländischen Wohnort oder für die Ausführung einer im Arbeitsvertrag des betreffenden Mitarbeiters vorgesehenen Aufgabe, gestattet ist. Weitere Privatfahrten sind aber nicht erlaubt bzw. führen zu einer zollrechtlichen Einfuhr des Fahrzeugs in die EU.
Des Weiteren unterliegt das Bereitstellen eines Geschäftsfahrzeugs in vielen Fällen der Mehrwertsteuer des Wohnsitzstaats und der Schweizer Arbeitgeber muss sich dort zur Mehrwertsteuer registrieren lassen; so zum Beispiel in Deutschland, wo die Vermietung eines Fahrzeugs an einen Nichtunternehmer seit dem 30. Juni 2013 als Dienstleistung gilt und dort besteuert wird, wo der Leistungsempfänger (hier: der Arbeitnehmer) seinen Wohnsitz hat. Das gleiche gilt grundsätzlich auch für Österreich. Davon ausgenommen sind seit 1. Januar 2016 die kurzfristigen Vermietungen unter 30 Tagen, die am Übergabeort besteuert werden.
Gleichzeitig unterliegt der Privatanteil von 0,8% des Kaufpreises pro Monat auch in der Schweiz der MWST. Hierzulande gilt das Überlassen des Geschäftsfahrzeugs als Lieferung, die dort besteuert wird, wo das Geschäftsfahrzeug übergeben worden ist, nämlich in der Schweiz. Eine Nutzung im Inland kann von der Inlandssteuer befreit werden, sofern einwandfrei nachgewiesen werden kann, dass der Mitarbeiter das Geschäftsfahrzeug überwiegend im Ausland nutzt und es im Inland nicht weiterliefert, beispielsweise untervermietet. Die überwiegende Nutzung im Ausland muss mit verlässlichen Dokumenten (beispielsweise Fahrtenbuch) nachgewiesen werden.
Gruppenbesteuerung
Rechtsträger mit Sitz oder Betriebsstätte in der Schweiz, die unter einheitlicher Leitung eines Rechtsträgers miteinander verbunden sind, können sich auf Antrag zu einem einzigen Steuersubjekt (MWST-Gruppe) zusammenschliessen. Eine Gruppenbesteuerung ist insbesondere dann zu empfehlen, wenn gruppeninterne Umsätze steuerbar, die Aussenumsätze aber ganz oder teilweise von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind. In diesem Fall lässt sich die gruppeninterne Mehrwertsteuer, die als sogenannte Schattensteuer hängen bleibt, reduzieren. Die ESTV hat im Oktober 2015 ihre Praxis zur Gruppenbesteuerung präzisiert.
Eine einheitliche Leitung ist mit Vorliegen einer direkten oder indirekten Stimmenmehrheit (>50%) im obersten Organ (General- oder Gesellschafterversammlung) gegeben. Liegt keine kapitalmässige Beteiligung von mehr als 50% des Grundkapitals bei gleichzeitiger Stimmenmehrheit vor, muss der ESTV im Einzelnen belegt werden, weshalb trotz fehlender stimmen- respektive kapitalmässiger Beherrschung von einer einheitlichen Leitung ausgegangen werden kann (z.B. Statuten oder Verträge). Eine einheitliche Leitung trotz fehlender Stimmenmehrheit kann in folgenden Konstellationen vorliegen:
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Abschluss eines Aktionärsbindungsvertrags, mit dem ein einheitliches Stimmrechtsverhalten sichergestellt wird;
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eine natürliche Person ordnet mittels schriftlicher vertraglicher Vereinbarungen ihre Geschäftstätigkeit vollumfänglich einem anderen Unternehmen unter (z.B. Versicherungs- oder Generalagenturvertrag);
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Konsolidierungspflicht nach Artikel 963 OR.
Ein Rechtsträger mit Sitz im Ausland kann in der Regel Mitglied einer MWST-Gruppe werden, sofern er eine oder mehrere Betriebsstätten in der Schweiz hat. Davon ausgenommen sind in der Schweiz domizilierte Betriebsstätten von Unternehmen mit Sitz im Fürstentum Liechtenstein, die dem liechtensteinischen Hauptsitz zugeordnet werden und daher nicht als Gruppenmitglied in eine Schweizer MWST-Gruppe einbezogen werden können. Ebenso werden im Fürstentum Liechtenstein domizilierte Betriebsstätten einer Unternehmung mit Sitz in der Schweiz dem Hauptsitz in der Schweiz zugeordnet und können somit in eine Schweizer MWST-Gruppe einbezogen werden.
Der Zusammenschluss zu einer MWST-Gruppe kann mit Beginn der dem Antrag nachfolgenden Steuerperiode erfolgen. War eine Gruppenbesteuerung bisher mangels Über oder Unterordnungsverhältnis nicht möglich, ist per sofort eine Gruppenbesteuerung mit Beginn des neugegründeten Über- oder Unterordnungsverhältnisses möglich (Neubildung eines Konzerns), sofern dies der ESTV innert 30 Tagen gemeldet wird. Eine rückwirkende Eintragung einer MWST-Gruppe mit Beginn der laufenden Steuerperiode ist nur möglich, solange noch keine der in der MWST-Gruppe zusammenzufassenden Steuersubjekte die MWST-Abrechnung eingereicht hat und die Frist zur Einreichung der Abrechnung (in der Regel 60 Tage nach Quartalsende) noch nicht verstrichen ist.