Nachlassplanung in der digitalen Welt
Wir bewegen uns immer mehr in der digitalen Welt und hinterlassen dort unsere Spuren, sei es durch Nutzung eines E-Mail-Accounts (Hotmail, Bluewin), Kommunikation über soziale Netzwerke (Facebook, Twitter, Instagram, XING), Einkauf in Webshops (iTunes, Amazon, Ebay) oder Nutzung von Cloud-Dienstleistungen (Dropbox, iCloud). Dadurch werden im Laufe unseres Daseins Unmengen an digitalen Informationen in Form von Dokumenten, Fotos, Videos, Kontakten, Blogs etc. angesammelt.
Frage
Was passiert mit den digitalen Spuren beim Tod des Anwenders?
Antwort
Diese Frage kann nicht in wenigen Worten beantwortet werden. Einerseits sind im Umgang mit dem digitalen Nachlass verschiedene Rechtsbereiche zu berücksichtigen:
Erbrechtliche Fragen
Werden digitale Daten vererbt und wenn ja, wie bzw. wem werden diese vererbt?
Kann in einem Testament über die digitalen Daten verfügt werden?
Persönlichkeitsrechtliche Fragen
Wie kann die Persönlichkeit einer Person nach ihrem Tod geschützt werden?
Welche Vorkehrungen kann eine Person zu Lebzeiten treffen, sodass ihre Persönlichkeit nach dem Tod geschützt bleibt?
Welche Schutzmöglichkeiten haben die Angehörigen?
Datenschutzrechtliche Fragen
Besteht ein Recht auf Vergessen im Internet?
Andererseits haben viele Internetdienstanbieter ihren Sitz im Ausland und unterstehen damit nicht der Schweizerischen Gesetzgebung. Ausserdem kennt jeder Internetdienstanbieter andere Bestimmungen in Bezug auf den Umgang mit dem digitalen Nachlass. Daher wird nachfolgend auf eine rechtliche Abhandlung des digitalen Nachlasses verzichtet. Stattdessen sollen Möglichkeiten für die Nachlassplanung aufgezeigt und Internetanwender für die Problematik des digitalen Nachlasses sensibilisiert werden.
Digitale Nachlassplanung
Oftmals haben die Angehörigen keine Kenntnis über die Online-Aktivitäten des Verstorbenen. Sie wissen weder, wo der Verstorbene über digitale Konten und Profile verfügt und wo die digitalen Informationen gespeichert sind, noch verfügen sie über Zugangsdaten für die einzelnen Internet-Plattformen. Für Angehörige ist es daher kompliziert und oftmals unmöglich, Zugriff auf den digitalen Nachlass zu bekommen sowie Konten und Profile zu bewahren, in einen Gedenkstatus setzen zu lassen oder zu löschen. Ausserdem hat der Verstorbene allenfalls eigene Wünsche, was mit seinen digitalen Spuren und Informationen geschehen soll. In einer Zeit, in der das Internet eine immer bedeutendere Rolle spielt und dort immer mehr Spuren hinterlassen werden, muss der digitale Nachlass in der Nachlassplanung berücksichtigt werden.
Die digitale Nachlassplanung ermöglicht einerseits, dass die Wünsche des Verstorbenen hinsichtlich seiner digitalen Spuren gekannt und auch umgesetzt werden können. Andererseits erspart sie den Angehörigen eine zeit- und kostenaufwendige sowie mühsame Suche und Auseinandersetzung mit den (oftmals ausländischen) Internetdienstanbietern.
Internet-Plattformen
Es gibt so viele Regelungen für den Todesfall eines Anwenders hinsichtlich seiner digitalen Informationen, wie es Internet-Plattformen gibt. Einige gewähren den Angehörigen keinen Zugang zu den Konten, ein Löschungs- bzw. Inaktivierungsantrag kann aber gestellt werden. Andere gewähren den Angehörigen Zugang zu den Konten, sofern eine Todesbescheinigung vorgelegt werden kann. Bei verschiedenen Internet-Plattformen kann der Anwender lebzeitige Anordnungen für den Fall seines Todes festlegen. Daher empfiehlt es sich, dass der einzelne Anwender selber konkret prüft, was mit seinen digitalen Informationen im Todesfall auf den von ihm genutzten Internet-Plattformen geschieht und welche Möglichkeiten ihm dort offen stehen, seinen digitalen Nachlass für ihn bestmöglich zu regeln.
Weitergabe von Zugangsdaten an Vertrauenspersonen
Damit die Angehörigen bzw. andere Vertrauenspersonen Zugriff auf den digitalen Nachlass bzw. die Zugangsdaten für die einzelnen Internet-Plattformen erhalten, empfiehlt es sich, eine Übersicht mit allen Internetdiensten mit Benutzernamen und Passwörtern zu führen. Dies setzt eine stete Aktualisierung der Zugangsdaten sowie sichere Hinterlegung der Liste voraus. Wer zu grosse Sicherheitsbedenken hat, den Benutzernamen und das dazugehörende Passwort auf demselben Dokument zu führen, kann zwei verschiedene Listen führen und diese getrennt voneinander aufbewahren.
Eine Liste mit Passwörtern und Benutzernamen zu führen, lohnt sich nicht nur im Hinblick auf den Todesfall: Sie hilft, täglich die Zugangsdaten für sämtliche Internet-Plattformen griffbereit zu haben. Das erspart die mühsame und zeitaufwendige Passwort-Zurücksetzung.
Wichtig ist, dass die Angehörigen bzw. andere Vertrauenspersonen im Todesfall Zugriff darauf haben. Die Liste muss daher zusammen mit der letztwilligen Verfügung aufbewahrt oder einer Vertrauensperson (Familienangehörige, Willensvollstrecker, Anwalt etc.) übergeben werden. Die Liste – wie auch das Testament oder der Erbvertrag – sollte aber keinesfalls im Banktresor aufbewahrt werden. Im Todesfall sperren die Banken den Zugang zum Tresor. Die Erben erhalten meistens nur gegen Vorlage der Erbbescheinigung Zugriff auf den Banktresor.
Regelung des digitalen Nachlasses im Rahmen einer letztwilligen Verfügung
Der Anwender kann in einer letztwilligen Verfügung bestimmen, was mit seinen digitalen Informationen passieren und wer sich um seinen digitalen Nachlass kümmern soll («digitaler Willensvollstrecker»). Da es sich um Anordnungen für den Todesfall handelt, ist es wichtig, dass die gesetzlichen Formvorschriften für die letztwillige Verfügung beachtet werden. Entweder muss die letztwillige Verfügung vollumfänglich handschriftlich abgefasst (mit Datum und Unterschrift) oder öffentlich beurkundet sein. Sämtliche letztwilligen Anordnungen nützen wenig bzw. erschweren den Angehörigen die digitale Willensvollstreckung, sofern der Erblasser keine Liste mit allen Internetdiensten mit Benutzernamen und Passwörtern (vgl. Kasten links) hinterlässt.
Digitale Vererbungsdienste
Digitale Vererbungsdienste ermöglichen die Hinterlegung und die Weitergabe von Zugriffsdaten für Internetdienste im Todesfall. Einerseits kann der Anwender bestimmen, welche Vertrauensperson die Zugangsdaten für die einzelnen Internet-Plattformen erhält und welche Zugangsdaten überhaupt freigegeben werden. Andererseits kann der Anwender bestimmen, was mit seinen digitalen Spuren geschehen soll. Der Anwender kann so sicherstellen, dass in seinem Todesfall seine Angehörigen Zugriff auf wichtige Informationen in Bezug auf den «digitalen Willen» erhalten. Einige digitale Vererbungsdienste ermöglichen zudem die Abspeicherung wichtiger Dokumente. So hat der Anwender Gewissheit, dass wichtige Dokumente in seinem Todesfall rasch verfügbar sind. Digitale Vererbungsdienste nützen nur dann, wenn der Verstorbene die Daten regelmässig aktualisiert. Ausserdem lohnt es sich, laufend zu prüfen, ob der gewählte digitale Vererbungsdienst noch existiert.
Urteilsunfähigkeit
Mit der gleichen Situation sind Angehörige konfrontiert, wenn eine Person durch Unfall, schwere Erkrankung oder im fortgeschrittenen Alter urteilsunfähig wird und ihre Personensorge (dazu gehören auch die Informations- und Kommunikationsmittel) nicht mehr selber wahrnehmen kann. Der Vorsorgeauftrag ermöglicht einer handlungsfähigen – d.h. volljährigen und urteilsfähigen – Person, eine natürliche oder juristische Person zu beauftragen, die für den Fall ihrer Urteilsunfähigkeit u.a. die Personensorge übernimmt. Im Rahmen eines Vorsorgeauftrages kann der Anwender bestimmen, was mit seinen digitalen Informationen passieren soll. So kann sichergestellt werden, dass die E-Mails bearbeitet und allenfalls Social Media-Profile gelöscht werden. Auch hier ist es sinnvoll, für die beauftragten Personen eine laufend aktualisierte Liste mit allen Diensten, Benutzernamen und Passwörtern zu hinterlegen.