Deklarations- und Meldepflichten bezüglich der Verrechnungssteuer
Frage
Die Verrechnungssteuer ist eine Selbstdeklarationssteuer. Welche Handlungspflichten resultieren daraus für Unternehmer und Unternehmen?
Antwort
Gemäss Art. 38 Abs. 2 VStG (Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer) muss der Steuerpflichtige der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) bei Fälligkeit der Verrechnungssteuer unaufgefordert die vorgeschriebenen Abrechnungen mit den Belegen einreichen und gleichzeitig die Steuer entrichten oder die entsprechende Meldung erstatten. Das heisst, der Steuerpflichtige muss seine Steuerpflicht selber feststellen, die geschuldeten Steuern eigenhändig ermitteln und unaufgefordert abliefern. Die Behörden überprüfen dies erst nachträglich. Wird eine Meldung und Abrechnung unterlassen, können die Auswirkungen nicht nur Bussen, Steuernachforderungen und Verzugszinsen ausmachen, sondern im schlimmsten Fall auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.
Verrechnungssteuer
Die Verrechnungssteuer ist eine vom Bund an der Quelle erhobene Steuer auf dem Ertrag des beweglichen Kapitalvermögens (insbesondere auf Zinsen und Dividenden). Steuerpflichtig ist der in der Schweiz ansässige Schuldner der steuerbaren Leistung. Bei Dividenden ist dies die Unternehmung, welche die Dividende ausschüttet.
Ordentliche Deklaration mit Formular 103 bzw. 110
Bis Ende 2008 galt eine uneingeschränkte Deklarationspflicht für inländische Kapitalgesellschaften. Die ESTV stellte aus diesem Grund jeder AG ein Formular 103 bzw. jeder GmbH ein Formular 110 zu mit der Aufforderung, dieses innert 30 Tagen nach der ordentlichen Generalversammlung mit einer unterzeichneten Kopie der genehmigten Jahresrechnung einzureichen.
Per 1. 1. 2009 wurde diese allgemeine Pflicht eingeschränkt und der automatische Versand der Formulare eingestellt. Gemäss Art. 21 Abs. 1 VStV (Verordnung über die Verrechnungssteuer) besteht in folgenden Fällen jedoch weiterhin eine ordentliche Deklarationspflicht:
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Die Bilanzsumme beträgt mehr als CHF 5 Mio.
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Die Generalversammlung beschliesst die Vornahme einer steuerbaren Leistung (z.B. Dividende).
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Im Geschäftsjahr liegt eine steuerbare Leistung vor (z.B. geldwerte Leistung).
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Die Gesellschaft macht einen Beteiligungsabzug geltend.
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Die Gesellschaft wird als Holding-, Domizil- oder gemischte Gesellschaft veranlagt.
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Die Gesellschaft hat ein Doppelbesteuerungsabkommen in Anspruch genommen.
Übersicht der Deklarations- und Meldepflichten
Transaktion
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AG
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GmbH
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Verrechnungs-steuerfolgen
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Ordentliche Deklaration
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Ausschüttung von ordentlichen Dividenden (Art. 21 Abs. 1 lit. b VStV)
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Formular 103
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Formular 110
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Ja
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Ausschüttung von ausserordentlichen Dividenden, Liquidationsüberschüssen, geldwerten Leistungen, Gratisnennwertliberierungen
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Formular 102
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Formular 102
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Ja
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Meldung statt Entrichtung der Verrechnungssteuer
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Meldeverfahren bezüglich geldwerten Leistungen (Art. 24 Abs. 1 lit. a VStV)
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Formulare 112 und 102
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Formulare 112 und 102
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Nein
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Meldeverfahren bezüglich (Art. 24 Abs. 1 lit. b–d VStV):
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Gratisnennwertliberierung
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Naturaldividenden und Liquidationsüberschuss
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Sitzverlegung ins Ausland
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Formular 105 und 102 bzw. 103
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Formular 105 und 102 bzw. 110
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Nein
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Meldeverfahren bezüglich Rückkauf eigener Aktien aus dem Geschäftsvermögen (Art. 24a VStV)
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Formular 105 und 102
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Formular 105 und 102
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Nein
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Meldeverfahren im nationalen Konzernverhältnis (Art. 26a VStV)
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Formular 106 und 102 bzw. 103
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Formular 106 und 102 bzw. 110
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Nein
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Meldung der Veränderung des Bestandes von Kapitaleinlagereserven
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Ausschüttung von steuerlich anerkannten Kapitaleinlagereserven (z.B. Dividende, Liquidationsüberschuss)
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Formular 170
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Formular 170
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Nein
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Erhöhung von steuerlich anerkannten Kapitaleinlagereserven
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Formular 170
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Formular 170
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Nein
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Ausserordentliche Deklaration mit Formular 102 bzw. Meldung mit Formular 105
Art. 20 der VStV bestimmt, dass jede geldwerte Leistung von der Gesellschaft an den Inhaber des (Beteiligungs-)Rechts als steuerbarer Ertrag qualifiziert. Demnach ist jede offene oder verdeckte Gewinnausschüttung als geldwerte Leistung zu behandeln. Es ist darauf hinzuweisen, dass basierend auf dem Nennwertprinzip eine geldwerte Leistung auch ohne Vermögensabgang auf Stufe der Gesellschaft vorliegen kann (z.B. durch die Ausgabe von Gratisaktien).
Im Rahmen der ausserordentlichen Deklaration werden steuerbare Leistungen aufgrund von geldwerten Leistungen (gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a, c, d oder e VStV) gemeldet und abgerechnet. Typische Tatbestände von geldwerten Leistungen sind: Ausserordentliche Dividenden/Ausschüttungen, Gratisaktien/-stammanteile, Liquidationsüberschüsse.
Meldung statt Entrichtung der Verrechnungssteuer in Konzernverhältnissen
Anstelle der Bezahlung der Verrechnungssteuer von 35% bei Zahlung der Dividende kann der ESTV unter gewissen Voraussetzungen die Dividende gemeldet werden. Dies ist eine grosse Erleichterung. Insbesondere bei Dividendenausschüttungen zwischen Konzerngesellschaften kann der Verrechnungssteuerpflicht durch Meldung statt Entrichtung der Verrechnungssteuer nachgekommen werden.
Im Falle von Dividendenausschüttungen zwischen schweizerischen Konzerngesellschaften ist die Anwendung des Meldeverfahrens mit dem Formular 106 zu beantragen. Daneben ist die ordentliche Deklaration der Verrechnungssteuer mit dem entsprechenden Formular 103 bzw. 110 vorzunehmen. Eine Meldung statt Entrichtung ist möglich, wenn eine Kapitalgesellschaft, Genossenschaft, kollektive Kapitalanlage oder ein Gemeinwesen mit mindestens 20% am Grund- oder Stammkapital einer anderen Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft beteiligt ist.
Verwirkung des Anspruches auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer (Kreisschreiben Nr. 40)
Aufgrund zweier Bundesgerichtsentscheide hat die ESTV am 11. 3. 2014 das Kreisschreiben Nr. 40 veröffentlicht. Gemäss Bundesgericht verwirke den Anspruch auf die Rückerstattung, wer mit der Verrechnungssteuer belastete Einkünfte oder Vermögen, woraus solche fliessen, der zuständigen Behörde nicht angebe. Jede Deklaration, die nach einer Intervention oder Anfrage der Steuerbehörde erfolgt, kann nicht mehr als ordnungsgemässe Deklaration gelten. Zudem führt das Bundesgericht aus, dass ein Hinterziehungswille nicht gegeben sein müsse, um den Rückerstattungsanspruch zu verwirken; es genüge auch bereits einfache Fahrlässigkeit.
Probleme verursachen die sogenannten geldwerten Leistungen, die z.B. im Rahmen von Steuerrevisionen oder im Veranlagungsverfahren festgestellt werden. Sofern es sich hier nicht nur um die Höhe der Privatanteile oder um «Bewertungsdifferenzen» bei deklarierten Erträgen handelt, wird auch hier zusätzlich zur Aufrechnung bei der Gesellschaft und der Aufrechnung beim Aktionär die Verrechnungssteuer anfallen (35% bei Überwälzung auf den Aktionär). Die Steuerpflichtigen sind gut beraten, genügend hohe Privatanteile zu verbuchen und denjenigen Sachverhalten, die nicht eindeutig der Unternehmens- oder der Privatsphäre zuzuordnen sind, grössere Beachtung zu schenken. Die Abgrenzung ist oft schwierig, und es besteht ein erheblicher Ermessensspielraum. In vielen Fällen dürfte es zudem empfehlenswert sein, Transaktionen und Geschäfte zwischen Gesellschaft und Aktionär vorgängig mit der Steuerverwaltung, z.B. im Rahmen eines Rulings, vorabzuklären.
Meldung der Veränderung des Bestandes von Kapitaleinlagereserven mit Formular 170
Steuerlich anerkannte Kapitaleinlagereserven können seit dem 1. 1. 2011 verrechnungssteuerfrei ausbezahlt werden. Wobei folgende Veränderungen der Kapitaleinlagereserven mit dem Formular 170 der ESTV zu melden sind:
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Einlagen in die Reserven aus Kapitaleinlagen: Die unterzeichnete Jahresrechnung ist unter Berücksichtigung des gesonderten Ausweises der Kapitaleinlagereserven innert 30 Tagen nach Genehmigung der Jahresrechnung zusammen mit dem Formular 170 der ESTV einzureichen.
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Rückzahlung von Kapitaleinlagereserven: Die Rückzahlungen sind innert 30 Tagen nach der GV oder spätestens 30 Tage nach Rückzahlung der ESTV zu melden.
Fristen
Die 30-tägige Frist zur Einreichung der Formulare berechnet sich ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit der steuerbaren Leistung. Falls im GV-Protokoll keine Beschlussfassung über die Dividendenfälligkeit dokumentiert ist, gilt das Datum der GV als Fälligkeit. Falls diese Frist verpasst wird, muss die Verrechnungssteuer bedingungslos abgeliefert werden und es wird ein Verzugszins von 5% ab dem 30. Tag nach Entstehung der Steuerforderung erhoben. Das Einhalten der gesetzlichen Fristen ist zu beachten, ansonsten kostet dies viel Geld und führt zu Unannehmlichkeiten.