Working Capital Management – eine günstige Quelle für Liquidität!
Die Bewirtschaftung des betrieblichen Netto Umlaufvermögens, des sogenannten „Working Capital“, kann für die finanzielle Situation eines KMU zentral sein. Je nach Unternehmensgrösse ist in den Bilanzpositionen Debitoren, Kreditoren und Warenlager enormes Kapital gebunden, das gerade in angespannten Zeiten zu Liquiditätsengpässen führen kann.
Das Working Capital umfasst das gesamte im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit vorhandene kurzfristig liquidierbare Vermögen eines Unternehmens. Es berechnet sich aus der Differenz zwischen dem Umlaufvermögen und den kurzfristigen Verbindlichkeiten. Als Indikator für die Finanzkraft eines Unternehmens wird es häufig in der Finanzplanung und im Liquiditätscontrolling verwendet.
Aktiven
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Passiven
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Flüssige Mittel
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Kurzfristige Verbindlichkeiten (Kreditoren)
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Forderungen (Debitoren)
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Lagerbestände
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Langfristiges Fremdkapital
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Anlagevermögen
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Eigenkapital
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Working Capital = Umlaufvermögen – kurzfristige Verbindlichkeiten
Sowohl ein zu kleines als auch ein zu grosses Working Capital gilt es zu vermeiden. Ersteres birgt die Gefahr, dass Umsatzchancen mangels ausreichender Vorräte oder zu geringer Kredite nicht wahrgenommen werden können.
Letzteres ist oft gleichbedeutend mit unnötig hohen Lager- und Mittelbindungskosten. Das Working Capital sollte, abhängig von der Branche resp. des Geschäftsmodells, etwa im Verhältnis 2:1 stehen. Im Falle eines negativen Working Capital reicht das betriebliche Umlaufvermögen nicht aus, um alle kurzfristigen Verbindlichkeiten zum aktuellen Zeitpunkt decken zu können. Dadurch sind Teile des Anlagevermögens nur kurzfristig finanziert und das Unternehmen kann in Liquiditätsschwierigkeiten geraten.
Als Working Capital Management werden somit sämtliche Massnahmen bezeichnet, die auf die Optimierung der Liquidität aus dem betrieblichen Umlaufvermögen abzielen. Vorrangiges Ziel ist es, weniger Kapital zu binden und so Liquidität für das Unternehmen frei zu setzen. Dem Management stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, um das Working Capital ihres Unternehmens aktiv zu beeinflussen.
Um Debitorenausständen entgegenzuwirken, sollte das Debitorenmanagement verbessert werden. Dies erfordert einerseits eine bessere Zusammenarbeit aller involvierten Bereiche und andererseits die Festlegung klarer Zahlungsfristen und -ziele, Bedingungen für An- und Abschlagszahlungen sowie die Verrechnung von Spesen oder Transportkosten. Zudem sollte der Mahnprozess klar definiert sein und bei drastischen Fällen das Stoppen von Lieferungen und Dienstleistungen an den Kunden, bis alte Ausstände bezahlt sind, in Betracht gezogen werden.
Die Bewirtschaftung des Lagers setzt den Aufbau von effektiven Verkaufs- und Produktionsplänen voraus. Je länger Ware am Lager bleibt, desto höher sind Kapital-, Lager- und Abschreibungskosten. Schlanke Lager, Sortimentsanalysen und die damit verbundene Kostenoptimierung sind daher zentral. Eine bessere Prognosequalität kann helfen, die Lagerbestände präziser einzustellen und den Lagerumschlag zu erhöhen. Dies setzt aber eine enge Zusammenarbeit mit Abnehmern und Lieferanten voraus.
Ebenso wichtig bei der Optimierung der Liquidität ist das Kreditorenmanagement. Eindeutige vertragliche Abmachungen von Zahlungsbedingungen oder definierte Massnahmen bei Lieferverzögerungen, Mängeln oder Lieferunterbrüchen gehören zu den Instrumenten eines effizienten Working Capital Managements. Zudem sind Lieferantenkredite billiger und leichter zu erhalten als solche von Finanzinstituten.
Ein unternehmensübergreifendes Working Capital Management ist somit zentral und Aufgabe des obersten Managements. Das latente Risiko, einen Auftrag oder Kunden durch das Straffen des Forderungsmanagements zu verlieren, muss differenziert betrachtet werden. Es darf nicht soweit kommen, dass ein Unternehmen gezwungen wird, bedeutende Kunden zu subventionieren. Werden überfällige Forderungen durch Kunden nicht ausgeglichen, wird das Unternehmen zum Fremdkapitalgeber. Das Management sollte klare Regeln und Verhaltensanweisungen vorgeben, da es sonst unweigerlich zu Ineffizienzen kommt. Zudem sind die Mitarbeitenden für den Nutzen des Working Capital Management zu sensiblisieren. Hierbei können als Anreiz Kennzahlen in das Entschädigungssystem integriert werden.
Folgendes Beispiel soll illustrieren, warum es sich lohnt, das Working Capital zu optimieren:
Bei einem Umsatz von CHF 1 Million und einer Umsatzrendite von 5 % resultiert ein Gewinn von CHF 50‘000. Beträgt in diesem Fall der Debitorenverlust nur schon 1 %, wird bereits ein Mehrumsatz von 20 % benötigt, um die Debitorenausfälle zu kompensieren. Sobald der Debitorenverlust auf 2 % oder sogar auf 3 % steigt, wird sogar ein Mehrumsatz von CHF 400‘000 bzw. 600‘000 benötigt, was eine Umsatzsteigerung von 40 % bzw. 60 % darstellt.
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Beispiel 1
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Beispiel 2
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Beispiel 3
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Umsatz
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1 Mio.
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1 Mio.
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1 Mio.
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Umsatzrendite
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5 %
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5 %
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5 %
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Gewinn
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50‘000
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50‘000
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50‘000
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Debitorenverlust
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1 %
(=10‘000)
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2 %
(=20‘000)
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3 %
(=30‘000)
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Gewinn nach Debitorenverlust
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40‘000
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30‘000
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20‘000
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Erforderlicher Mehrumsatz
(in %)
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200‘000
(+20 %)
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400‘000
(+40 %)
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600‘000
(+60 %)
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Bei tieferen Umsatzrenditen würde der benötigte Mehraufwand noch höher ausfallen, um die Debitorenausfälle zu kompensieren. Es ist offensichtlich, dass solche Umsatzsprünge nicht ohne weiteres zu generieren sind (vgl. die Beispiele in der Grafik). Working Capital Management setzt genau an diesem Punkt an und versucht, durch proaktive Massnahmen hohe Debitorenausstände bzw. -ausfälle zu vermeiden, anstatt solche durch Mehrumsatz kompensieren zu müssen.
Fazit
Working Capital ist eine wichtige Kennzahl zur Beurteilung der Liquidität eines Unternehmens. Durch optimales Working Capital Management kann gebundene Liquidität freigesetzt und finanzielle Mittel für inneres Wachstum oder Investitionen zugänglich gemacht werden. Das Umlaufvermögen ist für ein Unternehmen somit eine alternative und günstige Quelle für flüssige Mittel.