Der Vorsorgeausgleich im Scheidungsrecht
Per 1. Januar 2017 tritt das revidierte Scheidungsrecht in Kraft. Mit dieser Gesetzesänderung will der Bundesrat Mängel des bisherigen Vorsorgeausgleichs bei der Scheidung beseitigen. Zukünftig sollen bei einer Scheidung Guthaben aus der beruflichen Vorsorge unter den Ehegatten gerechter aufgeteilt werden.
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Frage
Was passiert mit dem Guthaben aus der beruflichen Vorsorge, wenn man sich scheiden lässt?
Antwort
Guthaben aus der beruflichen Vorsorge stellen bei einer Scheidung einen wichtigen ehelichen Vermögenswert dar. Einige Ehegatten verfügen neben dem Guthaben der beruflichen Vorsorge über gar kein bis wenig anderes Vermögen. Dazu kommt, dass die Ehegatten während der Ehe oft mit unterschiedlichen Pensen erwerbstätig sind. Derjenige Ehegatte, der während der Ehe mit einem reduzierten Beschäftigungsgrad einer Erwerbstätigkeit nachgeht (häufig die Ehefrau, die während der Ehe Betreuungsaufgaben wahrnimmt), verfügt oftmals über keine ausreichende eigene berufliche Vorsorge. Es kann sogar vorkommen, dass dieser Ehegatte – trotz Erwerbstätigkeit – gar keiner beruflichen Vorsorgeeinrichtung angeschlossen ist, weil der versicherte Lohn unter der gesetzlichen Grenze (derzeit CHF 21’150.00) liegt.
Um diese ungleiche Verteilung der Vorsorgeguthaben aus der 2. Säule bei einer Scheidung zwischen den Ehegatten auszugleichen und um die wirtschaftliche Selbständigkeit jedes Ehegatten nach der Ehe zu stärken, wurde der Vorsorgeausgleich eingeführt. Wie das Guthaben aus der beruflichen Vorsorge bei einer Scheidung unter den Ehegatten geteilt wird, ist eine bedeutsame Frage.
In diesem Beitrag wird auf die Regelung im derzeit noch gültigen Scheidungsrecht (gültig bis 31. Dezember 2016) und auf die gesetzlichen Änderungen, die per 1. Januar 2017 in Kraft treten, eingegangen. Die nachfolgenden Ausführungen gelten auch für eingetragene Partnerschaften.
Regelung im bisherigen Scheidungsrecht
Im derzeit noch geltenden Scheidungsrecht ist bei einer Scheidung für den Vorsorgeausgleich entscheidend, ob die Scheidung vor oder nach Eintritt eines Vorsorgefalls (infolge Alter oder Invalidität) erfolgt. Ferner ist massgebend, ob ein Grund vorliegt, wonach die Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge nicht geteilt werden können.
Bei einer Scheidung wird das während der Ehe von beiden Ehegatten erworbene Guthaben aus der beruflichen Vorsorge zwischen den Ehegatten hälftig aufgeteilt. Das bei der Heirat bereits vorhandene Vorsorgeguthaben aus der 2. Säule fällt ausser Betracht. Massgebender Zeitpunkt für die Berechnung ist die Rechtskraft des Scheidungsurteils. Ist bei mindestens einem Ehegatten ein Vorsorgefall eingetreten – ist einer der Ehegatten beispielsweise invalid oder pensioniert – oder kann das Guthaben aus der beruflichen Vorsorge aus anderen Gründen nicht geteilt werden, ist eine angemessene Entschädigung geschuldet.
Der neue Vorsorgeausgleich
Nach dem neuen Scheidungsrecht wird bei einer Scheidung grundsätzlich weiterhin das während der Ehe von beiden Ehegatten erworbene Guthaben aus der beruflichen Vorsorge inkl. Freizügigkeitsguthaben und Vorbezüge für Wohneigentum zwischen den Ehegatten hälftig geteilt. Als Zeitpunkt für die Berechnung ist neu nicht mehr die Rechtskraft des Scheidungsurteils massgebend, sondern die Einleitung des Scheidungsverfahrens, also die Einreichung des gemeinsamen Scheidungsbegehrens bzw. der Scheidungsklage. Demzufolge wird nicht mehr das während der gesamten Ehedauer geäufnete Vorsorgeguthaben aus der 2. Säule unter den Ehegatten hälftig geteilt, sondern lediglich dasjenige bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens. Auf diese Weise wird ein von einem Ehegatten hinausgezögertes Scheidungsverfahren mit dem Ziel, mehr Guthaben aus der beruflichen Vorsorge vom anderen Ehegatten zu erhalten, vereitelt. Zudem ist der Stichtag der Rechtskraft im Voraus nicht bestimmbar. Damit entfallen mühsame Nachberechnungen.
Grundsätzlich ist nicht mehr entscheidend, ob bei mindestens einem Ehegatten ein Vorsorgefall (Alter oder Invalidität) eingetreten ist. Vielmehr wird das während der Ehe angesparte Guthaben aus der beruflichen Vorsorge zwischen den Ehegatten hälftig geteilt, auch wenn ein Ehegatte eine Alters- oder Invalidenrente bezieht. In diesen Fällen wird entweder eine hypothetische Austrittsleistung ermittelt (Ausgleich bei Invalidenrenten vor dem reglementarischen Rentenalter) oder die vorhandene Rente wird geteilt und in eine lebenslange Rente für den berechtigten Ehegatten umgerechnet (Ausgleich bei Invalidenrenten nach dem reglementarischen Rentenalter und bei Altersrenten).
Andere Teilungen
Die Ehepaare können sich einvernehmlich auf ein anderes Teilungsverhältnis einigen oder auf den Vorsorgeausgleich ganz oder teilweise verzichten, wenn eine angemessene Vorsorge gewährleistet bleibt. Dies ist möglich, unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens bereits ein Vorsorgefall eingetreten ist. Das Gericht prüft von Amtes wegen, ob die Voraussetzung der Angemessenheit der Vorsorge gegeben ist. Massgebend sind die persönlichen Verhältnisse sowie das Alter des verzichtenden Ehegatten.
Zudem kann das Gericht auch gegen den Willen des Ehegatten vom Grundsatz der hälftigen Teilung der während der Ehe geäufneten Vorsorgeguthaben aus der 2. Säule abweichen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Von Gesetzes wegen liegt ein wichtiger Grund vor, wenn aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung oder wenn aufgrund der Vorsorgebedürfnisse, insbesondere unter Berücksichtigung des Altersunterschiedes zwischen den Ehegatten, die hälftige Teilung unbillig erscheint.
Ist der Vorsorgeausgleich aus Mitteln der beruflichen Vorsorge nicht zumutbar, weil der berechtigte Ehegatte beispielsweise beabsichtigt, auszuwandern und das Guthaben aus der beruflichen Vorsorge in Form einer Kapitalabfindung zu beziehen, schuldet der verpflichtete Ehegatte dem berechtigten Ehegatten eine angemessene Entschädigung in Form einer Kapitalabfindung.
Ist der Vorsorgeausgleich aus Mitteln der beruflichen Vorsorge nicht möglich, weil sich die Vorsorgegelder beispielsweise im Ausland befinden, schuldet der verpflichtete Ehegatte dem berechtigten Ehegatten eine angemessene Entschädigung in Form einer Kapitalabfindung oder Rente.
Neue Meldepflichten
Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen sind per 1. Januar 2017 von Gesetzes wegen verpflichtet, der Zentralstelle 2. Säule jeweils im Januar (im Jahr 2017 bis 31. März 2017) alle Inhaber der im Dezember geführten Vorsorgeguthaben zu melden. Scheidungsgerichte können dadurch kontrollieren, ob sämtliche Guthaben aus der beruflichen Vorsorge im Scheidungsverfahren von den Ehegatten offengelegt wurden und keine Vorsorgeguthaben der Teilung entzogen werden. Bis anhin konnten Guthaben aus der beruflichen Vorsorge unter den Ehegatten bei der Scheidung teilweise nicht geteilt werden, weil diese entweder vergessen oder gar verheimlicht wurden.