Sanierungsmassnahmen
Die Covid-Krise hat dazu geführt, dass eine Reihe von Unternehmen trotz der gewährten Hilfen wie Kurzarbeitsentschädigung, Covid-Kredit und Härtefallentschädigungen sanierungsbedürftig sind. Es stellt sich daher die Frage, welche Massnahmen in einer solchen Situation ergriffen werden können.
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Frage
Mit welchen Massnahmen können Unternehmen saniert werden und welche Folgen hat das?
Antwort
Ausgangslage
Aus rein rechtlicher Sicht lässt sich die Notwendigkeit einer Sanierung aus Art. 725 OR ableiten:
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Art. 725499
Qualifizierte Unterbilanz / hälftiger Kapitalverlust
1 Zeigt die letzte Jahresbilanz, dass die Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven nicht mehr gedeckt ist, so beruft der Verwaltungsrat unverzüglich eine Generalversammlung ein und beantragt ihr Sanierungsmassnahmen.
Überschuldung
2 Wenn begründete Besorgnis einer Überschuldung besteht, muss eine Zwischenbilanz erstellt und diese einem zugelassenen Revisor zur Prüfung vorgelegt werden.500 Ergibt sich aus der Zwischenbilanz, dass die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger weder zu Fortführungs noch zu Veräusserungswerten gedeckt sind, so hat der Verwaltungsrat das Gericht zu benachrichtigen, sofern nicht die Gesellschaftsgläubiger im Ausmass dieser Unterdeckung im Rang hinter alle anderen Gesellschaftsgläubiger zurücktreten.
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Im operativen Geschäft ist jedoch ein Mangel an Liquidität oft der Auslöser für die Notwendigkeit einer Sanierung. Diesem Umstand wird im neuen Aktienrecht (Art. 725 nOR, in Kraft ab 1. Januar 2023) Rechnung getragen.
Grundsätzlich wird zwischen drei verschiedenen Typen von Sanierungsmassnahmen unterschieden. Erstens organisatorisch-betriebliche Massnahmen (z.B. Stilllegung von Produktionsstätten), zweitens bilanzielle Massnahmen, die rein auf das Bilanzbild abzielen (d.h. Bereinigung des Bilanzbildes und Beseitigung des Kapitalverlustes) und drittens finanzielle Massnahmen, die sich auf die Liquidität auswirken.
Spezialfall Rangrücktritt
Aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit kann ein Rangrücktritt oft als kurzfristige, rasche und unbürokratische Überbrückungsmassnahme dienen.
Oft verfügt ein Unternehmen mit finanziellen Problemen bereits über Darlehen von Gläubigern zur Finanzierung seiner bisherigen Aktivitäten. Diese können nun mittels eines Rangrücktritts erklären, dass sie im Falle eines Konkurses mit ihren Forderungen hinter allen anderen Gläubigern zurücktreten werden. Damit sind diese Parteien schlechter gestellt als andere Gläubiger, d.h. sie haben im Falle eines Konkurses erst dann Anspruch auf Rückzahlung ihrer Darlehen, wenn alle anderen Gläubiger des Unternehmens befriedigt worden sind. Eine – auch nur in Teilen – Rückzahlung von Darlehen ist bei Darlehen während der Dauer eines Rangrücktritts ausgeschlossen. Diesen Rücktritt der Gläubiger honoriert der Gesetzgeber, indem er diesen Verbindlichkeiten eigenkapitalähnlichen Charakter verleiht und in diesem Zusammenhang dem Verwaltungsrat mehr Zeit für die Sanierung einräumt resp. ihn vom unmittelbaren Gang zum Richter befreit. Ein Rangrücktritt ist jedoch KEINE Sanierungsmassnahme. Weitere Ausführungen zum Rangrücktritt finden Sie im Blog-Artikel «Der Rangrücktritt bei Überschuldung: Einsatzmöglichkeiten und Wirkung».
Bilanzielle Sanierungsmassnahmen
Verrechnung der gesetzlichen Reserven mit Verlustvorträgen/Umbuchung gesetzlicher Reserven in freie Reserven
Um einen hälftigen Kapitalverlust gemäss Art. 725 Abs. 1 OR zu beseitigen, können gesetzliche Reserven mit Verlustvorträgen verrechnet oder gesetzliche Reserven in die freien Reserven umgebucht werden, soweit sie die gesetzlichen Reserven um 50% bei operativen Gesellschaften bzw. um 20% bei Holdinggesellschaften übersteigen. Wichtig ist, dass beide Transaktionen von der Generalversammlung genehmigt werden müssen.
Änderung von Bewertungsgrundsätzen
Das Rechnungslegungsrecht erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen, vom Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip abzuweichen und gewisse Vermögenswerte zu Marktwerten zu bewerten. Gemäss Art. 960b OR dürfen «Aktiven mit Börsenkurs oder einem anderen beobachtbaren Marktpreis in einem aktiven Markt zu Kurs oder Marktpreis am Bilanzstichtag bewertet werden». In der KMU-Praxis zeigt sich die Anwendung des Bewertungsgrundsatzes zu Marktwerten allerdings praktisch nur bei kotierten Wertschriften. Eine Änderung des Bewertungsgrundsatzes stellt eine Abweichung vom Grundsatz der Stetigkeit dar und muss im Anhang zur Jahresrechnung erläutert werden. Ist der Bewertungsgrundsatz einmal geändert worden, muss er wieder stetig angewendet werden. Für die Zukunft führt eine Änderung des Bewertungsgrundsatzes zu Marktwerten auch zu einer beträchtlichen Volatilität der entsprechenden Position.
Auflösung von stillen Reserven
Das Rechnungslegungsrecht lässt die Bildung von stillen Reserven zu. Bei Anwendung des Anschaffungskostenprinzips können stille Reserven durch zusätzliche Abschreibungen und Wertberichtigungen geschaffen werden. In einer Krisensituation muss der Verwaltungsrat prüfen, ob im Unternehmen stille Reserven vorhanden sind. Bevor stille Reserven aufgelöst werden, ist kritisch zu hinterfragen, ob die in der Vergangenheit gebildeten stillen Reserven tatsächlich noch existieren bzw. werthaltig sind. Wichtig ist, dass Aufwertungen maximal bis zur Höhe der historischen Anschaffungs- oder Herstellkosten vorgenommen werden dürfen. Eine wesentliche Nettoauflösung von stillen Reserven muss im Anhang zur Jahresrechnung aufgeführt werden.
Aufwertung von Grundstücken und Beteiligungen gemäss Art. 670 OR
Gemäss Art. 670 OR können Grundstücke oder Beteiligungen, deren tatsächlicher Wert die Anschaffungs- oder Herstellungskosten übersteigt, bis höchstens zu diesem Wert aufgewertet werden, sofern die Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven infolge eines Bilanzverlustes nicht mehr gedeckt sind. Die Aufwertung ist nur zulässig, wenn ein/e zugelassene/r Revisor/-in dies zuhanden der Generalversammlung bestätigt.
Die Aufwertung von Aktiven hat Auswirkungen auf die Gewinnsteuer. Gemäss Art. 67 Abs. 2 DBG (direkte Bundessteuer) ist bei einer Sanierung die Verrechnung mit Verlusten über die 7-JahresFrist von Art. 67 Abs. 1 DBG möglich.
Kapitalerhöhung durch Schuld-Verrechnung (Debt-Equity-Swap)
Bei Kapitalerhöhungen kommt die Liberierung durch Verrechnung häufig vor. Vor allem in KMU mit enger Bindung an Aktionäre sind Aktionärsdarlehen Teil der Finanzierung. Die Verrechnung solcher Forderungen zwecks Erhöhung des Haftungskapitals ist daher eine naheliegende Lösung. Bei einer Kapitalerhöhung durch Liberierung fliessen dem Unternehmen jedoch keine neuen Mittel zu. Für eine Liberierung durch Verrechnung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Bestand und Verrechenbarkeit der Schuld. Bei einer sogenannten qualifizierten Kapitalerhöhung muss der Kapitalerhöhungsbericht von einem/r zugelassenen Revisor/-in auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Es ist eine öffentliche Urkunde sowie ein Eintrag im Handelsregister notwendig.
Gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a StG (Stempelsteuergesetz) löst die Erhöhung des Gesellschaftskapitals grundsätzlich die Emissionsabgabe aus (Freibetrag CHF 1 Mio., Art. 5 Abs. 1, lit. b StG). Eine einfache Kapitalerhöhung stellt steuerlich keine Sanierungsmassnahme dar, weshalb die Emissionsabgabe in diesem Fall bis zum Freibetrag von CHF 1 Mio. geschuldet ist. Wird aber gleichzeitig das Kapital wieder herabgesetzt und die Verluste ausgebucht, liegt auch aus steuerlicher Sicht eine Sanierung vor. In diesem Fall besteht ein Sanierungsfreibetrag gemäss Art. 6 Abs. 1 lit. k StG, sofern bestehende Verluste beseitigt werden und die Leistungen der Gesellschafter insgesamt CHF 10 Mio. nicht übersteigen. Subsidiär kann Art. 12 StG (Gesuch um Abgabeerlass) herangezogen werden. Auf Basis dieses Artikels kann einer Gesellschaft die Emissionsabgabe gestundet oder erlassen werden, wenn diese eine offenbare Härte darstellen würde.
Kapitalherabsetzung
Bei einer Kapitalherabsetzung wird das buchhalterisch ausgewiesene nominelle Aktienkapital reduziert und der Nennwert der einzelnen Aktien entsprechend herabgesetzt oder die Aktienzertifikate vernichtet. Eine Kapitalherabsetzung ist aber nur insoweit möglich, als das Kapital einer Aktiengesellschaft nicht unter die gesetzliche Minimalschwelle von CHF 100’000 sinken darf. Die Kapitalherabsetzung bei Sanierungen erfolgt deklaratorisch, d.h. das nominelle Kapital wird reduziert, ohne dass der Reduktionsbetrag an die Aktionäre zurückbezahlt wird. Buchhalterisch entsteht durch die Herabsetzung des Aktienkapitals ein «Gewinn» im Umfang des Herabsetzungsbetrages, da sich die Passiven um diesen Betrag reduzieren. Für die Kapitalherabsetzung wird neben einer Urkunde auch ein Bericht eines Revisionsexperten benötigt.
Finanzielle Sanierungsmassnahmen
Zuschuss des Aktionärs oder von Dritten
Aktionäre können in die Gesellschaft jederzeit Liquidität über einen Zuschuss à fonds perdu einbringen. Gemäss Art. 60 lit. a DBG ist ein solcher Zuschuss nicht gewinnsteuerwirksam. Die Zuschüsse können direkt über die Erfolgsrechnung oder als Kapitaleinlagereserve verbucht werden. Wichtig ist, dass bei Zuschüssen von direkten Aktionären die Emissionsabgabe geschuldet ist (vgl. Abschnitt Debt-Equity-Swap).
Kapitalerhöhung in bar
Zuschüsse von Aktionären können auch in Form einer Kapitalerhöhung in bar erfolgen. Hier ist der Gegenwert der neuen Mittel das geschaffene Aktienkapital. Auch hier sind die Grundsätze der Emissionsabgabe zu beachten.
Forderungsverzicht
Im Rahmen von Sanierungen gibt es sowohl Forderungsverzichte von Drittgläubigern sowie von Aktionären und nahestehenden Personen. Der Forderungsverzicht führt direkt zu einer Verminderung des Fremdkapitals und damit zu einem Gewinn. Auf Unternehmensseite kann ein Forderungsverzicht erfolgswirksam oder erfolgsneutral über das Eigenkapital verbucht werden. Forderungsverzichte durch Dritte sind immer steuerwirksam. Forderungsverzichte von Aktionären sind grundsätzlich gewinnsteuerwirksam, ausser wenn das Darlehen vor der Sanierung als verdecktes Eigenkapital behandelt wurde oder das Darlehen wegen einer schlechten Geschäftsentwicklung gewährt wurde (Sanierungsdarlehen).
Fazit
Aufgrund der Komplexität der Sanierungssituationen muss jeder Fall einzeln betrachtet und das passende Instrument angewendet werden. Eine steuerliche Beurteilung ist in allen Fällen notwendig.